Endlich wieder mal ein schöner Artikel von Islam-ist-Frieden.
Von: Hessam Kordian:
Zitat Die Dawa-Prediger aus der Rap-Szene
Die Einladung (dawa) zum Islam und damit der Aufruf zur Wahrheit gehört zu den Pflichten eines Muslims. Im heiligen Koran heißt es in der 16. Sura Vers 125:
„Lade ein zum Weg Deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung, und debattiere mit ihnen auf die beste Art und Weise! Dein Herr weiß am besten, wer von Seinem Wege abgeirrt ist und Er kennt am besten jene, die rechtgeleitet sind.“
Auf der Videoplattform Youtube gibt es unzählige Videos salafitischer Prediger die zum „authentischen Islam“ einladen. Ihre Einladungsvideos richten sich dabei nicht nur an Nichtmuslime, sondern auch an Muslime anderer Rechts- und Denkschulen.
Der schiitischen Rechtsschule sind auffällig viele Videos gewidmet. Die Videosprecher erheben in ihren Videos den Anspruch mit „authentischen Beweisen“ die Falschheit der Schiiten endgültig offen zu legen. Diese zumeist salafitische „Dawa-Arbeit“ hat auf der anderen Seite einige Schiiten auf den Plan gerufen, die sich zusammen geschlossen haben um Paroli zu bieten.
Bei Youtube kann man dann beispielsweise sehen, wie ein schiitischer Bruder mit der Heckenschere, die er fälschlicherweise für einen Schredder hält, vor einem Ästehaufen steht und einen seiner Kontrahenten zum Duell auffordert. Solche Veralberungen, die zum Schmunzeln einladen, sind gang und gäbe.
Beim Anschauen dieser Videos erhält man den Eindruck, als würden sich zwei Gangster-Gruppen gegenüber stehen. Wie in der Battle-Rap-Szene attackieren sich die jeweiligen Alphatiere mit Diss-Attacken. Die Einladungs- und Aufklärungsvideos sind gespickt mit Witzen, Verhöhnungen und unterschwelligen Provokationen. Solch ein Verhalten wiesen bereits die in Stämmen organisierten Araber der vorislamischen Zeit auf. Sie verschmähten ihre Gegner nicht durch Rap, sondern durch die Dichtkunst. Die Gedichtsform Kasside begann mit der Verherrlichung des eigenen Stammes und endete mit verbalen Attacken gegen den gegnerischen Stamm.
Nun warum schreibe ich darüber? Ich schreibe darüber, weil ich weiß dass die muslimischen Geschwister auf beiden Seiten weder Rapper noch Araber aus der vorislamischen Zeit sind. Aber warum erinnern sie mich daran? Warum erinnern sie mich nicht an Prophet Muhammad (der Friede sie mit ihm)? Die Antwort ist simpel: Weil Prophet Muhammad (der Friede sei mit ihm) nicht auf diese Art und Weise Aufklärung betrieben hat.
Aufklärungsarbeit ist eine erhabene Sache und wenn es um den Islam und die Wahrheit geht, erst recht. Doch dabei gibt es Einiges zu beachten. Bevor man sich virtuelle „Schia-Sunni Kämpfe“ liefert sollte man sich über zwei Punkte Gedanken machen: 1. Das Ziel 2. Die Methodologie.
Ein Hauptziel dieser YouTube-Videos ist sicherlich die Aufklärung. Die Macher möchten einen glaubensinternen Sachverhalt durch logische Argumentation erklären. Dieses Ziel ist edel und erhaben, solange die Produzenten nicht hochmütig werden und Boden unter den Füßen verlieren. Denn durch Aufklärungsvideos wird der geistige Horizont des Zuschauers erweitert. Bei der Dawa-Arbeit kommt es jedoch häufig vor, dass man dieses Ziel nicht erreicht. Dann beginnt meist der „Battle“. Der Verlauf ist immer derselbe. Nach der Eigendarstellung als Inkarnation der Wahrheit und Neutralität, beginnt das „dissen“ der anderen Seite.
In der Realität gelangen nur die Wenigsten durch den anfänglichen Dialog zur Wahrheit. Die allermeisten Konvertierten sind durch einen langwierigen Wahrheitsfindungsprozess gegangen. Weil dies so ist, muss man als Aufklärer beim Gegenüber darauf achten, dass sein Verständnis und sein Interesse zunehmen und nicht durch ein falsches Wort oder eine falsche Handlung abnehmen. Der persische Dichter Saadi schrieb einst: „In vielen Jahren wandelt sich ein Stein in ein Rubinstück. Drum schlag es nicht im Augenblick mit einem Stein entzwei.“
Wer Dawa-Arbeit leistet mit mangelndem Islamwissen richtet Schaden an. Man darf dieses Thema nicht einseitig betrachten. Wenn man diesen kritischen Punkt anspricht, heißt es meist: „Ja, aber XYZ hat schon so und so viele zur Wahrheit geleitet.“ Aber keiner stellt die Frage, wie viele er von der Wahrheit distanziert hat. Nicht selten wird diese Dawa-Arbeit auch aus eigensüchtigen Motiven geführt. Dabei muss das Ziel der Einladung einhergehen mit der eigenen Anstrengung (dschihad) die göttlichen Gesetze einzuhalten.
Eine Ursache für die Gleichgültigkeit gegenüber den negativen Folgen der Dawa-Arbeit ist Einseitigkeit. In der Wirtschaft ist es oftmals so, dass die Sicht auf den Gewinn konzentriert ist. Wenn man so einseitig denkt, dann werden einem die Arbeiter gleichgültig. Dasselbe gilt für die Dawa-Arbeit. Wenn ein selbsternannter Dawa-Prediger seinen Erfolg nur durch die Anzahl von Konvertierten misst, verliert er den Überblick für diejenigen, die er durch Wort und Tat von der Wahrheit distanziert hat. Man sollte beachten: Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit sind die Kehrseiten von Verbesserung und Fortschritt.
Es ist eine Tatsache, dass die Muslime in verschiedene Gruppen gespalten sind. Gerade aus diesem Grund ist es eine Notwendigkeit, dass die Muslime in dieser Zeit in Richtung Einheit arbeiten. Wessen Dawa-Arbeit zur Entzündung sektiererischer Flammen führt, sollte sich einer Denkpause unterziehen. Aufklärung muss trotz gegensätzlicher Positionen die Muslime vereinen und zur gegenseitigen Solidarität führen. Tritt das Gegenteil ein, geraten die vielen Gemeinsamkeiten aus dem Blickfeld und der Spalt zwischen den Muslimen wird größer. Die Einzigen, die von solchen Entwicklung profitieren sind die Islamgegner, die vereint sind in ihrer Feindschaft gegenüber der muslimischen Gemeinschaft.
Bei der Methodologie muss man darauf achten, wie man die Informationen rüber bringt. Kenntnisse in der Kommunikationswissenschaft wären hier von Vorteil. Für Dawa-Arbeit reicht nicht nur klassisches Islamwissen aus. Man muss auch andere Wissenschaften mit einbeziehen. Nach Imam Khomeini (ra) stellen die Wissenschaften eine Einheit dar.
Wer andere zur Wahrheit einladen möchte, muss auch auf seine Worte achten. Um die vernünftigen und intellektuellen Kräfte anzuziehen, muss man weise sprechen, ansonsten verliert man ihre Aufmerksamkeit. Ein falsches Wort kann dazu führen, dass ein Interessierter sich distanziert oder Abneigung verspürt. Wie kann man das verhindern? Indem man sich mit der prophetischen Methodologie der Aufklärung beschäftigt.
Die islamische Grundlage der Aufklärungsarbeit ist Weisheit und schöne Ermahnung, wie es in dem koranischen Vers am Anfang dieses Artikels steht. Ein wahrhaft muslimischer Aufklärer muss sich darum bemühen die Hindernisse, die den Blick auf die Wahrheit erschweren, aus dem Weg zu räumen. Hierzu ist es notwendig, dass man die individuellen und gruppenimmanenten Reaktionsmuster erkennt und gezielt Dawa-Arbeit leistet. Mit einer ausgereiften Allgemeinbildung und einem angenehmen Charakter kann ein intelligenter Aufklärer fast jedes verschlossene Herz öffnen.
Imam Ali (der Friede sei mit ihm) sagte: „Ergreift jegliches Wissen, das sich euch zeigt. Ich warne euch jedoch davor, es wegen vier Eigenschaften zu erlangen: Damit ihr mit den Gelehrten wetteifert, damit ihr mit den Ignoranten streitet, damit ihr damit in den Sitzungen angeben könnt oder die Gesichter der Menschen auf euch lenkt, um Führungspositionen zu ergattern.“