Der Afrikatag ist ein jährlicher Erinnerungstag an die Gründung der Organisation für Afrikanische Einheit am 25. Mai 1963. An diesem Tag wurde in Addis Abeba (Äthiopien) die Charta von 30 afrikanischen Staaten unterzeichnet. In vielen Ländern Afrikas ist der 25. Mai seitdem ein gesetzlicher Feiertag. Aus diesem Anlass wird ein Essay aus der Zeitschrift "Muslim-Aktuell" (Ausgabe Nr. 14) veröffentlicht:[/size]
Hunger: Die kapitalistische Waffe gegen Afrika
[size=150]Es ist Frühling und die Sonne scheint nun etwas länger und wärmer. Die Winterkleidung kann nun in das unterste Fach im Kleiderschrank. Die Frühlingssachen werden nun hervorgeholt. Im Westen ist in diesen Tagen ein Schaulaufen angesagt. Nur wie schafft man es, trotzt Funde die durch die Weihnachtsnächte und -braten, trotzdem aufzufallen und ein Blickfang zu werden? Dies sind zur Zeit die westlichen Themen dieser Jahreszeit. Alle reden vom Übergewicht, niemand redet vom Hunger.
So sagt ein russisches Sprichwort: „Wer satt ist, wird nie einen Hungernden verstehen.“ Warum fehlt vielen, was wenige vielfach haben? Die Satten haben bereits alles satt. Was sollen erst die Hungrigen sagen? Es geht soweit, dass Elternprobleme im Westen wie folgt ausschauen: „Wie bringen wir das Kind dazu, nicht mit vollem Mund zu essen?“ Und in den Entwicklungsländer: „Wie füllen wir den Mund des Kindes?“ Täglich werfen die Haushalte im Westen Tonnen von Lebensmitteln in den Müll und in Afrika sterben täglich tausende den Hungertod. Nicht gegen den Hungertod hat Afrika zu kämpfen, auch Krankheiten und Epidemien machen es dem Schwarzen Kontinent zu schaffen.
Jeder, der in der internationalen Medizin tätig ist, kennt die Formel 90 zu10-10 zu 90. Die ist ganz einfach: Zu 90 Prozent ist die Forschung der Pharmaunternehmen auf die Gesundheitsprobleme von 10 Prozent der Weltbevölkerung ausgerichtet, nämlich auf die Bürger im Westen. 10 Prozent der medizinischen Forschung beschäftigt sich mit den 90 Prozent der globalen Krankheitsbürde, das heißt, mit den Lebensbedingungen der armen Mehrheit der Weltbevölkerung. Im kapitalistischen System hat der Forschungsschwerpunkt absolut nichts mit öffentlicher Gesundheit oder Hilfe für die Bedürftigen zu tun. Es geht schlicht darum, wo für diejenigen, die die Forschung betreiben, das meiste Geld zu holen ist.
Nur wie kam es dazu, dass der Schwarze Kontinent, einst die Wiege der Menschheit genannt, heute das ärmste Kontinent ist? Wie kann es sein, dass obwohl 70 Prozent der Afrikaner in der Landwirtschaft arbeiten, dennoch 250 Mio. Menschen in Afrika an Unterernährung leiden?
Nun das Leid Afrikas keimt in den kapitalistischen Staaten. Erst wird, in den kapitalistischen Staaten, Weizen angebaut. Er reicht für die örtliche Versorgung, auch für die nahe Kreisstadt. Die Bauern haben ihr Auskommen, die Städter ihr Brot. Aber das darf es eben nicht gewesen sein. Andere wollen schließlich auch verdienen. So kommt die Chemie und dreht dem Landwirt Dünger auf. Der erntet plötzlich mehr, als seine Umgebung zum Satt werden braucht. Da er nicht darauf sitzenbleiben soll und die Bauern schließlich eine wichtige Wählergruppe sind, springt der Staat ein, zahlt Garantiepreise und bunkert die Körner in riesigen Lagerhäusern.
Die aber müssen von Zeit zu Zeit geleert werden, denn von den Feldern drängen neue Tonnen nach. Die Chemie ist nicht faul. Manche Bauern ernten gar schon zweimal im Jahr. Also, was tun? Schließlich können doch nicht immer weitere Lagerhäuser gebaut werden. Die Nachbarländer kommen als Abnehmer auch nicht in Frage, sie haben inzwischen die gleichen Probleme. Wohin mit den Überschüssen?
Und wo soll denn die Überproduktion aus Europa und Nordamerika hin? Etwa in teure Lagerhäuser, wo sie verrottet? Nein, da schüttet der Westen den Weizen lieber dorthin, wo Mangel herrscht: in die Dritte Welt, nach Afrika. Da haben die was davon, aber der Westen mit seinem kapitalistischen Räderwerk eben noch ein bisschen mehr.
Die Hilfe stützt das kapitalistische System auf nachhaltige Weise. Denn die überquellenden Lagerhäuser würden sonst vielleicht die Grundfesten seiner Marktwirtschaft zum Bröckeln bringen. Ohne steigende Nachfrage müssten die westlichen Staaten das Produktionssystem ändern. Da ist es doch allemal besser, der Westen schafft sich welche. Warum nicht auf Kosten der abhängigen Dritten Welt?
Die Industrieländer sitzen auf einem Getreideberg von unvorstellbaren Ausmaßen: mehr als 500 Millionen Tonnen. Das sind 500 Millionen Tonnen die der Westen über hat. Vor allem die USA und Kanada, aber eben auch die EU forcieren deshalb ganz bewusst die Nahrungsmittelhilfe an Afrika. Denn wenn sich aus Hunger Kapital schlagen ließe, hätten die Kapitalisten sie schon längst ausgerottet.
So fliegen die Säcke auf dem Schwarzen Kontinent ein, solange Dürre und Not herrschen, meist geschenkt, zumindest sehr billig. Die Menschen gewöhnen sich nur zu gerne daran; es ist so viel einfacher und bequemer, die Hand aufzumachen, als sie zum Graben auf dem eigenen Feld zu benutzen. Nur wer immer an die Hand genommen wird, hat nur noch eine Hand frei.
So kommt es, dass selbst wenn wieder Regen fällt, immer weniger angebaut wird, denn der Westen hört nicht auf, seine Säcke zu schicken -bei jeder Witterung. Die Folge: Der nichtbearbeitete Boden verkarstet, wird verweht, unfruchtbar, die Katastrophe nimmt unaufhaltsam ihren Lauf. Das Vieh der Bauern stirbt. Das Vieh verdurstet nicht, denn Wasser ist reichlich vorhanden in Afrika, sie verhungert weil kein Gras auf verkarsteten Boden wächst. Das Ende ist, dass der Westen einen riesigen Markt dazugewonnen hat, dieser Markt nennt sich: Abhängigkeit.
Die Afrikaner selbst erkennen zunehmend die Gefahr der sie ausgesetzt sind, der ehemalige Präsident der Republik Burkina Faso, Thomas Sankara (1949-1987), sah es so: “Die Nahrungsmittelhilfe verleitet zu Trägheit, sie gewöhnt die Afrikaner zu Almosenempfänger und schafft Arbeitslosigkeit, so wie in Frankreich an die Clochards Suppe verteilt wird, so tun es die Industrieländer mit den Afrikanern.“ Der Somalier Mohamed Said Samanter sagte dazu: “Die Trockenheit allein kann nicht alles erklären und schon gar nicht das Ausmaß der Katastrophe, die heute und morgen das leben mehrerer Millionen Menschen bedroht. Trotz wiederholter Beteuerungen besteht die Politik der Großmächte in einer Hilfe, die tatsächlich jede Möglichkeit einer ökonomischen und sozialen, einer wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung verhindert auf dass die Diktaturen vor Ort ewig von ausländischer Hilfe abhängig seien.“
Obwohl mehrere afrikanische Staaten sich gegen diese Weizenflut aus den USA, Kanada und der EU wehren, werden weitere Weizenfluten geschickt. Nun Weizenflut ist gut, aber nur wenn sie die Ebbe beseitigt. Den Afrikanern soll weiß gemacht werden, dass sie diese Hilfe benötige. Im Weltagrarbericht steht im Kapitel „Afrika“, folgendes: „Im Jahr 2020 könnten die Ernten, die vom Regen abhängen, um 50 Prozent verringert sein. Die Landwirtschaft und der Zugang zu Nahrung werden in vielen Ländern ernsthaft beeinträchtigt sein.“ Die Zahl wurde auch von IPCC-Chef Rajendra Pachauri und von Uno-Chef Ban Ki-Moon mehrfach in die öffentliche Debatte gebracht, eine Schlüsselrolle spielte sie bei den Geldforderungen Afrikas auf der Klimakonferenz in Kopenhagen.
Durch solche Berichte soll den Afrikanern weiß gemacht werden, dass ihre Erde unfruchtbar sei und sie auf Nahrungsmittellieferungen angewiesen sind. Eine reihe von afrikanischen Staaten wurden durch diese List in die Abhängigkeit getrieben. Aber es gibt auch positive Beispiele. Ruanda wurde bereits als tot bezeichnet, doch seine Politiker haben binnen kurzer Zeit das Gegenteil bewiesen. Sie bauten selbst Weizen an und konnten sich selbst Versorgen und damit nicht genug Ruanda exportiert nun Weizen an seine Nachbarländer. Malawi schaffte es binnen nur zwei Jahren zum Nettoexporteur von Lebensmitteln und auch Tansania und Burkina Faso modernisieren sich äußerst aktiv, um nur Beispiele zu nennen.
Allerdings gibt es noch eine ganze Reihe von afrikanischen Staaten die sich aus ihrer Abhängigkeit beileibe nicht befreien können. Die USA, Kanada und die EU belassen es nicht mit der Lebensmittellieferung. Nachdem sie einen Staat von ihren Lebensmittellieferungen abhängig gemacht haben, stellen sie ihrer nächsten Lieferung Bedingungen. Die Weizenlieferung ist nun nicht mehr kostenfrei. Nun werden aus den Weizenlieferungen, die Fäden der Macht gesponnen. Haben abhängige afrikanische Staaten kein Geld, bekommen sie Kredite mit erhöhten Zinseszinsen.
John Block der US-Landwirtschaftsminister von 1981-1986 sagte: „Für die nächsten zwanzig Jahre werden Lebensmittel unsere wichtigste Waffe sein.“ Jesse Helms, der sich gegen die Gleichberechtigung der Schwarzen und Weißen in Amerika stellte, schrieb in “Afrika Now“, Dezember 1984: „Lebensmittelexporte werden die Haupthebel unserer Außenpolitik sein.“ Außenpolitik ist für die kapitalistischen Staaten vor allem Wirtschaftspolitik, Sicherung von Märkten, Abhängigmachen von ganzen Völkern; wie wir bei Afrika sehen, von nahezu einem ganzen Kontinent. Und so steht der Westen wieder als Sinnbild der Menschlichkeit wenn er durch Hilfe für andere mal wieder sich selbst geholfen hat. Wenn früher Perlen, Patronen und Schnaps die Schwarzen ins Unglück gestürzt haben, so sind es heute die modernen Raubritter mit Weizen, Mais und Milchpulver.
Die Ausgebildeten Fachkräfte Afrikas wandern in den Westen, um den Hunger zu entfliehen, wie im Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe :
„Ach, es versucht uns nichts so mächtig als der Mangel, die klügsten Fische treibt der Hunger an die Angel.“
Gut ausgebildete Akademiker gehen in den Westen (300.000 jährlich). Afrika gibt im Jahr 4 Milliarden Dollar aus, um 100.000 ausländische Fachkräfte, aus dem Westen, nach Afrika zu holen. So profitiert der Westen doppelt: Der Westen nimmt die Dienste durch qualifizierte Afrikaner in Anspruch und hat Jobs für westliche Arbeitskräfte in Afrika obendrein. Arme Länder investieren etwa 500 Millionen US-Dollar im Jahr, um Akademiker für den medizinischen Sektor auszubilden, die dann prompt von reichen Ländern abgeworben werden oder dorthin auswandern. Die USA haben mit ihren 130.000 ausländischen Ärzten schätzungsweise 26 Milliarden US-Dollar bei der Ausbildung amerikanischer Mediziner eingespart. Ein nigerianischer Informatiker sagte: „Wir betreiben ein Drittel der afrikanischen Universitäten, um den Bedarf an Arbeitskräften in Großbritannien und den USA zu decken. Der afrikanische Bildungshaushalt ist lediglich eine Aufstockung des amerikanischen Haushalts. Im Wesentlichen leistet Afrika den reichen westlichen Nationen Entwicklungshilfe, wodurch die reichen Staaten reicher und die armen Staaten ärmer werden.“
Aber nicht nur die Fachkräfte werden angeworben, auch ganze Flächen von Afrikas fruchtbaren Boden will sich der Kapitalismus unter die Krallen reißen. Seit 2006 sind bis zu 20 Millionen Hektar Anbaufläche von ausländischen Investoren aufgekauft oder langfristig gepachtet worden. Rund 80 Prozent der Landkäufer sind private Investmentfirmen. Im Westen verkündet man prahlerisch wie Umweltfreundlich man ist, man verschont die Wälder, Seen, Mineralien im Westen aber in den ärmeren Ländern Holzt man die Wälder ab, beutet die Ressourcen der Erde und Meere aus. Alles nach dem Motto: Innen Hui- außen pfui. Daewoo Logistics zum Beispiel wollte in Madagaskar 1,3 Millionen Hektaren Land pachten - fast die Hälfte des gesamten verfügbaren Landes. Nur eine Revolte der Bevölkerung und der Sturz des madagassischen Präsidenten Marc Ravalomanana konnten die Pläne vorerst stoppen. Es wird dabei schon vom "größten Landraub seit dem Ende des Kolonialismus" gesprochen.
Und gleichwohl Schuldenberg und Jammertal eng beieinander liegen, steigen die Schulden Afrikas von Tag zu Tag. Die Diktatoren die vom Westen eingesetzt werden, um Schulden auf Kosten ihrer Bevölkerung zu machen, machen Afrika immer Abhängiger vom Westen. Westliche Regierungen geben afrikanischen Diktatoren liebend gerne Kredite. Nach diesen Diktatoren bleibt ein Schuldenberg zurück den die afrikanische Bevölkerung bezahlen muss. Und ebenso wie die Leasing-Rate jeden Sportwagen zum Lastwagen macht, zurrt jede weitere Schuld die Kette der Abhängigkeit. Schulden sind die Sklavenfessel Afrikas. Schulden sind ein genialer Ersatz für die Kette und Peitsche des Sklaventreibers von Heute.
Fakt ist: Der Westen mit seinem kapitalistischen System hat Afrika Unterentwickelt. Nun wird auch klar weshalb Entwicklungsländer so genannt werden. Entwicklungsländer werden Entwicklungsländer genannt weil der Westen sich auf ihre Kosten entwickelt. Denn es ist so, dass über die Jahrhunderte hinweg, viel mehr Reichtümer aus Afrika in den Westen ausgeführt wurden als in die umgekehrte Richtung geflossen ist.
Der Gesandte Gottes Muhammad (s.) sagte: "Die goldenen Dinare und die silbernen Dirhems werden euch zugrunde richten, wie sie diejenigen vor euch zugrunde gerichtet haben." Wenn wir diesen Ausspruch in unseren Sprachgebrauch übertragen, dann würde es ungefähr so heißen: "Der Kapitalismus wird euch zugrunde richten, wie es diejenigen vor euch zugrunde gerichtet hat."
Der Kapitalismus wird, vorallem, sich selbst zugrunde richten und dies wird wohl in absehbahrer Zeit geschehen, so Gott will [inschaallah]. Die Ziele des Kapitalismus stehen im diametralen Gegensatz zu den Zielen des Volkes und damit der Demokratie. Der Kapitalismus ist mit den universellen Werten der Menschheit niemals vereinbar. Wenn Kapitalismus und Entseelung eng miteinander verknüpft sind, die letztere durch den ersteren bedingt wird, wie können wir zur Beseelung gelangen, ohne die kapitalistische Wirtschaft zu boykottieren? Der eindeutig verbrecherische Aspekt des Kapitalismus steckt in seinem Finanzsystem. Der Islam hingegen betrachtet die Entwicklung des Reichtums nicht unabhängig von dessen Verteilung. Und so gibt es viele Nabelschnüre, von denen Afrika noch nicht abgeschnitten ist. Einer dieser Nabelschnüre ist die “Großzügigkeit“ des Westen, denn Geben ist seliger denn Nehmen, Zinsgeben, Ende der Seligkeit!