[size=150]Eines der Gründe, warum die Feindschaft gegen die Unterdrückten sich so schnell wie ein Krebsgeschwür in der Westlichen Welt ausbreiten kann, liegt in der Uneinigkeit der Muslime und der gottesehrfürchtigen Menschen überhaupt.
Die Gründe für die Uneinigkeit der Muslime heute sind zweifelsohne derart komplex, dass sie in solch einem Artikel nur kurz angerissen werden können, aber der Weg zur Einigung beginnt im Denken, und Vereinigen kann man nur das Handeln, nicht das Nichtstun.
Nehmen wir einige Beispiele des Denkkonfliktes zwischen Sunniten und Schiiten. Sunniten denken, dass Schiiten einige ihrer “Heiligen“ beschimpfen oder gar verächtlich machen, wie z.B. den Überlieferer Abu Huraira. Für Sunniten ist er einer der wichtigsten und glaubwürdigsten Überlieferer, für Schiiten ist er ein Lügner. Das ist zweifelsohne die Ausgangslage, und 1400 Jahre islamische Geschichte mag den Konflikt für das eine oder andere Individuum gelöst haben, der sich intensiv damit beschäftig hat, aber wer tut das schon? Die Frage ist, kann man dennoch Einheit praktizieren? Der eine oder andere Sunnit mag hier argumentieren, dass das nicht möglich sei, so lange Schiiten einen aus seiner Sicht unantastbaren Gefährten des Propheten angreifen. Das Problem bei dieser engstirnigen Denkweise liegt darin begründet, dass man den aus seiner eigenen Sicht möglichen “Fehler“ des Anderen erkennt, nicht aber in der Lage ist zu erkennen, dass man genau das Gleiche andersherum auch tut. Denn manche Sunniten glauben ernsthaft – und verbreiten das auch – dass der geliebte Onkel des Propheten und Vater von Imam Ali (a.), Abu Talib, kein Muslim gewesen sei. Damit beleidigen sie aus schiitischer Sicht einen der wichtigsten Muslime und Gefährten des Propheten. Ähnlich verhält es sich mit hunderten gleichartiger Fälle. Sunniten glauben, dass Schiiten die “Lieblingsehefrau“ des Propheten, Aischa, beleidigen, indem sie ihr Verschwörung gegen einen Kalifen nach dem Propheten vorwerfen. Schiiten glauben, dass Sunniten den Propheten beleidigen, indem sie ihm nach dem Ableben Chadidschas eine für alle erkennbare “Lieblingsfrau“ und damit Degradierung von anderen Ehefrauen andichten. Sunniten glauben, dass Schiiten den späteren Kalifen Omar beleidigen, indem sie ihm vorwerfen, derjenige gewesen zu sein, der sich gegenüber dem im Heiligen Qur´an erwähnten Blinden abgewandt hat, Schiiten glauben, dass Sunniten den Propheten (s.) beleidigen, indem sie ihm so etwas andichten. Sunniten glauben, dass Schiiten Gott nicht verstehen, da sie verneinen, man könne jemals Gott sehen. Schiiten glauben, dass Sunniten Gott erniedrigen, indem sie ihm Körperglieder zusprechen.
Die obige Reihe ließe sich unendlich weiterführen. Abschließend soll ein gegenteiliges Beispiel genannt werden, wie auch Schiiten Sunniten etwas aus ihrer Sicht “unlogisches“ vorwerfen, das sie letztendlich selbst genau so praktizieren. So werfen Schiiten Sunniten vor, dass jene vier unterschiedliche Rechtgelehrten der sunnitischen Rechtsschulen allesamt als “richtig“ beurteilen, obwohl ihre Rechtsurteile teils gravierend voneinander abweichen und gemäß dem ganzheitlichen Monotheismus des Islam nicht alle vier Versionen gleichzeitig richtig sein können. Gleichzeitig aber folgen Schiiten unterschiedlichen heute lebenden Rechtsgelehrten, die bewirken, dass im gleichen Land (selbst im Orient) an drei unterschiedlichen Tagen das Festgebet gebetet wird, wobei nur ein Tag richtig sein kann, und behaupten dennoch, dass alle richtig liegen würden.
Man kann obige rechtschulenübergreifende Problematik sogar verschärft darstellen, indem man z.B. darauf hinweist, dass der eine lebende heutige Großayatollah (oder sunnitische Gelehrte) meint, dass bei automatischer islamischer Schlachtung von Geflügel für jedes Tier eine gesonderte Basmala vom Schlachter persönlich (und nicht vom Tonband) auszusprechen sei, während der andere Großayatollah es als hinreichend ansieht, wenn nur eine Basmala beim Start der Maschine durch einen Muslim hinreichend ist. Kann dann also der Anhänger des ersten Großayatollahs nicht beim Anhänger des zweiten Großayatollah Fleisch essen?
Wenn einem diese Ausgangslage bewusst ist, dann stellt sich erneut die Frage, wie denn unter solchen Umständen eine – wie auch immer geartete – Einheit möglich ist. Fakt ist, dass Einheit sicherlich nicht möglich ist, so lange man darauf besteht, dass die Einheit so auszusehen hat, wie man selbst denkt. Natürlich darf der Anhänger des zweiten Großayatollah Fleisch beim Anhänger des Ersteren essen, denn neben den unterschiedlichen Definitionen gibt es das höher angesiedelte Prinzip, dass das von einem Muslim angebotene Fleisch – ohne es zu hinterfragen – angenommen werden muss (außer jener Muslim ist bekannt dafür und es ist bewiesen (!), das er grundsätzlich keinerlei Wert auf “halal“ legt). Immerhin können Muslime also zumindest zusammen essen; und gegen das gemeinsame Ausruhen danach gibt es sicherlich auch wenig einzuwenden.
Genau hier setzt die Realität ein! Ist es nicht so, dass der “Bruch“ in der muslimischen Gesellschaft nicht zwischen den Rechtschulen, zwischen Schiiten und Sunniten, innerhalb Schiiten, innerhalb Sunniten oder sonst welchen Hindernissen verläuft, sondern zwischen “Aktiven“ und “Passiven“, zwischen jenen, die nachdenken und handeln auf der einen Seite und zwischen denen, die blind “Traditionen“ folgen und in Ruhe gelassen werden mögen auf der anderen Seite? Ist es nicht so, dass manch aktiver Sunnit sich seinem aktiven schiitischen Bruder viel näher fühlt, als seinen gleichgültigen sunnitischen Geschwistern, und manch schiitischer Bruder mehr Unterstützung von seinen sunnitischen Glaubensgeschwistern erhält, als von “Schläfern“ unter Schiiten?
Natürlich tut es mir als Schiit weh, wenn mein sunnitischer Bruder Abu Talib verunglimpft, aber ist sein Handeln böswillig oder aufgrund einer unterschiedlichen Informationslage? Würde er möglicherweise nicht zu dem gleichen Schluss kommen, wie ich, wenn er meine Informationslage hätte und diese für ihn glaubhaft wäre? Und kann mein sunnitischer Bruder bei anderen Personen nicht ähnlich über mich denken? Sicher können wir uns über das Gottesbild streiten, und ob Er – der Allmächtige – seinen oder meinen Vorstellungen entspricht, aber müssen wir nicht beide zugeben, dass wir uns gar keine Vorstellung von IHM – dem Allmächtigen – machen können und dürfen? Und mag auch sein, dass wir den Propheten (s.) unterschiedlich sehen, aber ist es uns nicht gemeinsam, dass sowohl Gott als auch Sein Prophet uns gemeinsam zur Gerechtigkeit aufrufen? Gibt es daran irgendeinen Zweifel?
Würden wir zudem ein einziges Mal den Blickwinkel wechseln und versuchen zu verstehen, wie die Feinde des Islam und der Muslime denken und handeln, so würden wir verstehen, dass es jenen Personen völlig egal ist, ob jemand Sunnit oder Schiit ist. Denen ist egal, ob jemand Abu Talib als Nichtmuslim sieht oder Abu Huraira als Lügner; er weiß doch gar nicht, wer die beiden sind! Ihm ist es ein Dorn im Auge, dass Muslime sich für Gerechtigkeit einsetzen, eine Gerechtigkeit, die seine tagtäglich gelebte Ungerechtigkeit offen legt.
Jede Muslima, die in der Westlichen Welt mit Hidschab in die Öffentlichkeit tritt, ist ein lauter und deutlicher Protestschrei gegen das Modediktat einer kapitalistisch orientierten Textilindustrie. Sie ist ein Protestruf gegen den Missbrauch von Menschlichkeit, insbesondere der Weiblichkeit im missbrauchten Namen der “Freiheit zur Pornographie“. Sie ist ein wandelnder Protestzug gegen ein Kosmetikindustrie, die den Frauen vorgaukelt, sie müsse ihr Leben lang ihre Gesichtszüge farblich für alle Männer betonen. Sie ist die Vertreterin der Freiheit der Frau zur wahren Selbstbestimmung über ihre Körperlichkeit. Und vor allem ist sie ein Symbol und Spiegel für göttliche Schönheit, deren Schleier nur vor dem gelüftet werden, der sich allein zu ihr bekennt.
Jeder Muslim, der fleißig einer Halal-Arbeit nachgeht (und nicht andere belastet), mit dem selbstverdienten Geld seine Familie Halal versorgt, seinen Kindern eine gute Bildung finanziert, seine Abgaben tätigt und damit seiner Ehefrau und den Kindern die freie Entfaltung ermöglicht, ist ein Angriff auf den Raubtierkapitalismus! Er strebt nicht nach “Kapital“, sondern nach Harmonie in sich, seiner Familie, seiner Gesellschaft und der ganzen Welt. Jede muslimische Familie, die ihre Kinder gewaltlos groß zieht, eine wahre täglich wachsende Liebe der Ehepartner vorlebt und das Paradies auf Erden im Familienbund anstrebt, ist ein undurchdringlicher Schutzpanzer gegen die Zerstörung der Familie, gegen Abtreibung, Beliebigkeit von “Beziehungen“, selbstzerstörerische “Selbstverwirklichung“, und seine Familie bildet eine Basis für eine widerstandsfähige Gesellschaft, die nicht so leicht unterdrückt werden kann.
So stehen die “aktiven“ gottesehrfürchtigen Menschen überall in der Welt als Flaggenträger an vorderster Front der Unterdrückten gegen die Unterdrücker. Genau das ist der Grund dafür, dass sie weltweit vom herrschenden Unterdrückungssystem der Kapitalanbetung so intensiv bekämpft werden; heute mehr als Gestern, da der Kapitalismus wie ein scher verwundetes Raubtier wild um sich schlägt. Und jene Unterdrücker sind es, die jeden nur erdenklichen Unterschied zwischen den Flaggenträgern für Gerechtigkeit aufbauschen, um Spaltung zwischen die Reihen der Gläubigen zu säen.
Die Betrachtung kann sogar noch weiter geführt werden. Nicht nur rechtschulenübergreifend stehen die Gläubigen Schulter an Schulter gegen Unterdrückungssysteme, sondern religionsübergreifend! Ist es nicht so, dass erst gestern einige Juden – auch aus Deutschland – versucht haben die Gaza-Blockade zu durchbrechen, während manche Muslime in Deutschland die unterdrückten Menschen im Gaza im Stich lassen, nur um mit dem Innenminister an einem Tisch sitzen zu dürfen? Wer ist hier wem näher? Und würde man obige Betrachtungen zwischen den Muslimen auf eine überreligiöse Ebene projizieren, würde man selbst dabei feststellen, dass die Gemeinsamkeiten größer sind, als gegenüber den Götzenanbetern des Kapitalismus!
Einheit fängt also zunächst im eigenen Denken an und pflanzt sich im Handeln fort. Den Feinden der Gerechtigkeit gelingt dieses zumindest in ihrer Feindschaft einfach. Da schließen sich Rechtsradikale mit manchen Linksradikalen zusammen und vertreten gemeinsam mit Fauenrechtlerinnen, Zionisten, Neokonservativen, Abtreibungsbefürwortern und Ehezerstörungsverbänden die Position, dass Muslime zu bekämpfen seien. Und sie glauben an keinen Gott, der sie zu dieser Einheit aufruft! Es wird Zeit, dass gottesehrfürchtige Menschen das erkennen, und sich intensiver als zuvor an die Seite der unterdrückten der Welt stellen und mit friedlichen Mitteln auf das mörderische Unrecht aufmerksam machen, mit denen das weltweite kapitalistische Unterdrückungssystem auch die Bürger in der Westlichen Welt zunehmend gefährdet und ihre Freiheit raubt! Während gestern einmal mehr der gesamten Westlichen Welt propagandistisch Angst vor USAma eingejagt wurde, mordeten und raubten Soldaten der Westlichen Welt im Irak, in Afghanistan, in Pakistan und vielen anderen Teilen der Welt, und Zionisten in Palästina.
Frieden und Freiheit gibt es nicht ohne Gerechtigkeit. Und der Kapitalismus ist ein ungerechtes System! Das können alle angeblich vereitelten Terroranschläge der Welt nicht mehr übertünchen. Und jeder Verfassungsschützer, der Antikapitalisten jagt, sollte wissen, dass auch seine Kinder eines Tages Opfer genau jenes Kapitalismus werden könnte. In Deutschland gibt es nach wie vor hinreichend Potential, den Kapitalismus zu überwinden und ein gerechteres System aufzubauen. Doch die Basis dazu beginnt im Denken und dann im friedlichen und friedvollen Handeln!