Was haltet ihr von der Behauptung, dass Imam Chamene´i Anhänger sich mehr mit politischen Themen beschäftigen als mit religiösen Themen?
In den Internetseiten von Imam Chamene´i Anhänger drehe sich alles um das Weltgeschehen statt um den der das Weltgeschehen dreht (also um Gott). Dazu zählen die Internetseiten Muslim-Markt, Muslimfeder und Islam-ist-Frieden....
Seid ihr auch der selben Meinung oder seht ihr es anders?
Eigentlich müsste man jetzt definieren, was Politik ist, im engeren Sinne, im weiteren Sinne oder im weitesten Sinne und so weiter und sofort. Außerdem müsste man definieren was Religion ist und was Religion eigentlich ausmacht. Ich verzichte mal darauf und beschränke mich auf eins, zwei Hadithe des Gesandten Allahs und auf einen Ausspruch von Imam Khomeini (seine Seele möge geheiligt sein). Ich will in diesem Rahmen einfach mal verschiedene Aspekte ansprechen, die mir so durch den Kopf gehen.
Erstmal zu dem Verständnis von Religion, Leben (und auch Politik) aus der Sicht von Imam Khomeini: Im Westen ist die Religion ein Teil des Lebens, im Islam ist das Leben nur ein Teil der Religion.
Wenn wir über Politik oder andere Dinge reden, die unseren Alltag bestimmen, dann geschieht das alles im Rahmen der Religion und nicht umgekehrt. Religion ist keine Sache, die sich auf vielleicht eine Stunde am Tag in Form unserer Pflichtgebete beschränkt. Religion ist alles. Alles wird von der Religion umfasst. Oder um es in der Sprache des Quran zu sagen: Die Barmherzigkeit Allahs umfasst alles. Und wenn die Barmherzigkeit Allahs alles umfasst, dann heißt das auch, dass wir immer von Allah, also von göttlichen Angelegenheiten reden, wenn wir uns z.B. um das Weltgeschehen kümmern. Denn Allah sagt uns doch, dass er überall ist. Wenn wir uns um das Weltgeschehen kümmern, dann tun wir doch nur das, was ALLAH von uns verlangt.
Oder um es mal anderes zu erklären (vielleicht ein bisschen philosophischer): Unsere Zeit in dieser Welt ist begrenzt. Aber mit der Zeit, die uns gegeben ist, wollen wir die ewige Glückseligkeit erlangen. Glauben wir wirklich, dass wir es verdienen, die ewige Glückseligkeit zu erlangen, wenn wir uns jeden Tag unseres Lebens zu 90% mit "weltlichen" Dingen beschäftigen und zu 10% mit Gottesdienst (im engeren Sinne)? In dieser Gleichung stimmt doch irgendetwas nicht. Der Schluss den ich persönlich daraus ziehe ist, dass wir auch aus den restlichen 90% Gottesdienst machen müssen, um auch nur annäherend sagen zu können, dass wir die ewige Glückseligkeit verdienen. Wie macht man aus seinem Essen, Trinken, Schlafen, Duschen, Arbeiten, Lernen, Lesen, Auto fahren, Menschen treffen, TV gucken, im Internet surfen, nachdenken, demonstrieren, Nachrichten verfolgen usw. Gottesdienst? Kann man das überhaupt? Ja man kann es. Man muss nur erkennen, dass letztendlich alles in eine Richtung läuft und alles nur ein Mittel zu einem viel höheren Zweck ist. Man muss es nur erstmal erkennen. Und dann sieht man, dass alles im Leben geheiligt werden kann, wenn man die richtige Absicht dabei hat, die diesem höheren Zweck dient.
Der Gesandte Allahs sagte: Wer morgens aufsteht und sich nicht um die Angelegenheiten der Muslime kümmert, der ist nicht von mir.(...)
Ist es dann nicht Gottesdienst, wenn man sich um das Weltgeschehen kümmert? Ist es nicht so, dass wenn man sich um die Angelegenheiten der Muslime kümmert, auch Allah näher kommt? Der Gesandte Allahs sagt doch auch: Allah hilft seinem Gläubigen Diener, so lange sein Diener seinem (Glaubens-)Bruder hilft.
Das kann mein nächster Nachbar oder auch mein bester Freund sein, das kann und muss aber auch jemand sein, der am anderen Ende der Welt lebt und vielleicht nur meine Aufmerksamkeit und mein Du'a benötigt.
Der Gesandte Allahs sagte außerdem: Wer den Imam seiner Zeit nicht erkennt, der stirbt den Tod der Ignoranz/ der Unwissenheit.
Wer den Imam seiner Zeit erkennen will, der muss auch in seiner Zeit leben. Wer in seiner Zeit leben will, der muss sich mit den Problemen beschäftigen, die die Menschen in seiner Zeit bewegen. Er muss außerdem historisches Wissen haben, um zu verstehen, was in seiner Zeit eigentlich passiert. Und vor allem auch, um die richtigen Lehren aus der Geschichte ziehen zu können, damit er erkennt, dass Geschichte sich letztendlich immer wiederholt, und dass all das was sich zur Zeit eines früheren Imams abgespielt hat, auch heute abspielt, nur vielleicht unter einem anderen Titel oder in einer anderen Farbe. Er muss nur auf Grundlage dieses Wissens seine Augen öffnen, und er wird die Muawiyas und Yazids, aber auch die Talhas und Zubairs seiner Zeit erkennen. Und vor allem wird er die Salmans, Abu Dharrs, Miqdads, Amars, Maliks, Hurrs und Johns dieser Zeit erkennen. Diese werden ihn incha ALLAH zu seinem Imam führen. Und der Anführer unter den treuen Gefährten des Imams in der heutigen Zeit ist Imam Khamenei. Er wird uns incha ALLAH alle zu Imam Mahdi führen. Eine solche Erkenntnis bekommt man nicht von heute auf Morgen, sondern sie bedarf eines längeren Prozesses, der genau das beinhaltet, was ich aus meiner Sicht oben beschrieben habe.
Islam besteht aus Politik. Islam ist, dass niemand unterdrückt wird, dass alles fair ist, dass Das gehört ja zur Politik von daher bin ich der Meinung, dass Islam aus Politik besteht und deshalb machen wir nichts falsch :P.
ist (faire) Politik nicht der gelebte Islam? All dass, wozu uns die islamischen Riten (Gebet, Fasten, Pilgerfahrt, Zakat, Khums, Anstrengung auf Gottes Weg, Gutes gebieten und schlechtes verwehren, Liebe zu Ahl al-Bayt a. und Distanzierung von ihren Feinden) erziehen, müssen wir umsetzen. Der islamische Ritus lehrt uns Disziplin und Selbsterziehung - aber wozu? Diese Selbsterziehung sollten wir zur Verbesserung der Gesellschaft (Amal as-salihaat) einsetzen.
So heißt es im Quran (Sure Wal-Asr):
Bei der Zeit, der Mensch befindet sich im Zustand des Verlustes! Außer jene, die überzeugt sind und Werke der Verbesserung (der Gesellschaft) tun und sich gegenseitig zur Wahrheit und Standhaftigkeit (darin) aufrufen!
Die islamischen Riten dienen dazu, worüber die Sure im ersten Teil spricht, nämlich, um Überzeugung (Imaan) zu erlangen. Und erst die Umsetzung des Imaans in faire Politik in allen Lebensbereichen führt zur Verbesserung der Gesellschaft, dem zweiten Punkt in der Sure. Wenn nur die Riten praktiziert werden, befinden wir uns trotzdem im Zustand des Verlustes. Und auch wenn nur Politik betrieben wird, befinden wir uns im Zustand des Verlustes. Erst wenn beides stattfindet, die Erhöhung des Imaans (durch Praxis der Riten) und Werke der Verbesserung, dann kann man sich gegenseitig immer wieder zur Wahrheit und Standhaftigkeit in der Wahrheit aufrufen, denn auf diesem Weg gab es im Laufe der Geschichte stets satanische Kräfte, die die Wahrheit zum straucheln bringen wollten. Und dann - ja, erst dann wird sich dieser praktizierende Mensch nicht mehr im Zustand des Verlustes befinden. So wie Imam Khomeini (qs). Einerseits war er ein Überzeugter und praktizierte die Riten zu ihrer Zeit immer pünktlich (z. B. das Gebet, etc.), andererseits tat er durch seine Politik Werke der Verbesserung und rief seine Mitmenschen stets zur Wahrheit und Standhaftigkeit darin auf. Und dazu war er auch ein Mystiker. Das eine schließt das andere nicht aus - im Gegenteil, die Mystik resultiert aus gelebtem Ritus (fairer Politik). Erst durch seine gelebten Riten erlangte Imam Khomeini (qs) tiefergehende Gotteserkenntnis und wurde zu einem 'Arif, einem Mystiker.