in diesem Thread soll das Thema Studiengebühren aufgegriffen und diskutiert werden. Vielleicht können wir gemeinsam die wichtigsten Punkte erörtern.
Aber was bei dieser Diskussion wichtig sein soll: Niemand soll aus seiner eigenen persönlichen Situation heraus argumentieren. Das heisst, niemand soll pro oder contra Studiengebühr sein, weil es ihm persönlich schadet bzw. nicht schadet. Weiter soll bei dieser Diskussion die weiteren Änderungen durch den Bologna-Prozess außen vor gelassen werden, also nicht beachtet werden.
Für Studiengebühren sprechen:
-Oft ist es so, dass was nichts kostet, nicht gut ist. Durch die höheren Einnahmen könnten die Hochschulen eventuell ihr Niveau steigern.
- Durch die Studiengebühren wird das Studium zu einer Dienstleistung und die Universitäten mehr zu Dienstleistern, die dadurch von ihrem "Kunden" Student abgestraft werden können, dass sie nicht mehr besucht werden und somit weniger Studiengebühren erhalten
- In Deutschland hindern die Studiengebühren nicht unbedingt am Studium, da die Studenten Bafög erhalten.
Gegen Studiengebphren sprechen:
- In einem wohlhabenden Land wie Deutschland könnte der Staat problemlos díe Hochschulen/Universitäten finanzieren, auch ohne das Studiengebühren notwendig wären.
- "Ärmere" Studenten haben nicht die selben Studienvoraussetzungen wie wohlhabendere Studenten.
Vielleicht könnt ihr weitere Punkte nennen, bzw. ein Plädoyer abgeben.
Also im Ergebnis bin ich gegen die Einführung von Studiengebühren.
Ich finde, das Problem Studiengebühren kann man nicht so einfach in einem pro/contra Verfahren abhandeln. Die Frage nach dem Für und Wider von Studiengebühren kann nun mal nicht isoliert von einer viel größeren Fragestellung behandelt werden. Das klingt jetzt so nach großem Gelaber, aber so ist es nicht. Auch wenn ich mich längst nicht in der Lage sehe, diesen Komplex in all seinen Weiten hier darzustellen und zu erläutern, so sind einige Aspekte doch für alle offensichtlich, und deshalb bleibt es auch nur bei einem sehr kurzen und oberflächlichen Beitrag. Im Großen geht es darum, wo die deutsche Gesellschaft mit ihren Studenten hin will, und wozu sie diese braucht. Will sie Studenten und Absolventen die ein Blitzstudium ablegen, sich ein bisschen in ihrem Fach auskennen, aber sonst nicht viel nachdenken, also nicht "über ihren eigenen Tellerrand hinausschauen" können, oder will sie Studenten und Absolventen, die das Gegenteil vollbringen können? Die Frage der Ausrichtung der Gesellschaft ist sehr eng verknüpft mit der Frage des Haushaltsplanes der Regierung- denn man setzt politische Schwerpunkte normalerweise dort, wo auch das meiste Geld hinfließt. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern hat Deutschland meiner Ansicht nach nur eine Wahl: Es muss sich so stark wie möglich darum bemühen seine Bürger zu gebildeten und nachdenkenden Menschen, und wenn das mit dem "gebildeten" nicht klappt (denn nicht alle machen Abitur, und längst nicht alle gehen auch studieren), dann aber zumindest zu nachdenkenden Menschen ausbilden. Die Frage ist, ob die Politik das überhaupt will. Dies ist längst keine Frage des Geldes- wer innerhalb von Tagen ein sog. Paket zur Rettung der Wirtschaft und des Finanzmarktes in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Euro beschließen kann, der muss genug Geld für seine Kinder und Jugendlichen haben um diese mehr als nur angemessen auszubilden. Also im Großen und Ganzen ist es zunächst eine Frage der Ausrichtung der Politik und dann eine Frage der Geldverteilung.
Meiner Ansicht nach, kann man dies und sollte man dies auch alles ohne Studiengebühren hinbekommen. Studiengebühren stellen nur die vermeintliche Heilung eines Symptomps dar- die Unis haben offenbar zu wenig Geld, oder wissen mit dem vorhanden Geld nicht richtig umzugehen, also muss man es den Studenten auflasten. Nicht zu vergessen auch die Frage der Gerechtigkeit. Das deutsche Bildungssystem zeigt ja im internationalen Vergleich erhebliche Schwächen und Ungerechtigkeiten auf. Schule ist teuer, Uni ist noch teurer und die Armut in Deutschland wächst weiter. Die Arbeitslosigkeit auch- wo will man eigentlich hin?
Und nicht nur das, sondern mit diesem Komplex hängt doch auch die Frage zusammen, was eigentlich das letztendliche Ziel der Gesellschaft ist. Glauben die Menschen wirklich noch daran, dass man geboren wird, zur Schule geht, eine Ausbildung ablegt, dann sein Leben lang arbeitet bis man so um die 60 ist und dann in den Ruhestand geht und irgendwann stirbt? Zumindest das Arbeitsleben und die Zeit danach, so wie es in der jetztigen Form noch üblich ist, können in einer hochtechnisierten und extrem industrialisierten Gesellschaft doch gar nicht mehr für alle ermöglicht werden. Muss man das überhaupt? Und braucht man überhaupt noch Arbeit für "alle"? Die Politik gaukelt den Menschen jedenfalls noch das Märchen von der Vollbeschäftigung vor anstatt ihnen die Wahrheit zu sagen. Sie können ihnen nicht die Wahrheit sagen, weil sie selbst nicht wissen, wo es mit der Gesellschaft hingehen soll.
Nun, eine sehr komplexe Thematik, rein oberflächlich betrachtet sehr weit weg von der Frage nach Studiengebühren, aber tatsächlich mehr damit verbunden, als man glauben mag.
Vielen Dank für deine detailierte Analyse und dein Plädoyer. Du hast Recht, man kann das Thema schwierig mit einer Pro-Contra Auflistung diskutieren. Dafür ist das Thema tatsächlich viel zu komplex.
Die Frage, die sich nun stellt, ist in wie fern die Aussagen eher eine Kritik am Bologna-Prozess waren als zu den Studiengebühren. Oder kann man beide Punkte ohne einander nicht betrachten?
Wie ist es eigentlich in anderen Ländern? Gibt es dort Studiengebühren, wenn Nein, bekommen die Studenten Unterstützung vom Staat (vergleichbar mit Bafög?)
Und die Frage, in wiefern ein Studium tatsächlich eine Blitzaffäre ist, um die Wirtschaft schnellstmöglich mit neuen Kapazitäten zu befriedigen ist hochinteressant. Denn die Frage wird aufgeworfen in wiefern das Land von Goethe und Schiller Denker benötigt anstatt menschliche Funktioniermaschinen, die keinen anderen Sinn mehr haben, als zu arbeiten.
Findet heute beispielsweise jemand, der Geisteswissenschaften studiert Arbeit? Wird das ganze von der Gesellschaft honoriert?
Oder inwiefern wird das Studium dann doch zu einem Selbstfindungsprozess? Und wenn das Studium zu dem wird, muss die Gesellschaft die Kosten für diesen Selbstfindungsprozess finanzieren?
Europa hat ein Problem, Europa wird immer älter. Längst deckt sich der Bevölkerungsanteil an Erwerbstätigen mit der Nicht-Erbstätigebevölkerung, nicht mehr. Die Menschen in Europa leben länger, sie bekommen keinen Nachschub und so muss ein kleiner Teil an Erwerbsfähige den großen Teil der Nicht-Erberbsfähigen Versorgen.
Deswegen auch der Bologna-Prozess. Studenten sollen schneller als bisher in den Arbeitsmarkt einsteigen oder Europa muss ihre Bürokratische Mauer öffnen und die oft sehr jüngeren Migranten ins Land lassen. Es ist so...hätte Deutschland in den 60er bis zu den 90er Jahren nicht 20 Millionen Migranten,Aussiedler (ca. 200.000 pro Jahr) wäre die anzahl der Deutschebevölkerung längst um die Hälfte der heutigen Bevölkerungsanzahl geschrumpft.
Und da man möchte das Studenten in 3 Jahren soviel "wissen" wie in 5-6 Jahren müssen neue Wissenschaftliche Mitarbeiter,Dozenten,Profs....etc. her und die kosten Geld und dafür benötigen die Universitäten und Fachhochschulen die Studiengebüren.
Wenn wir das Politisch angehen wollen dann müssen wir der Europäischenbevölkerung klar machen das Egoismus, Selbstverwirklichung und Eigennutz nur der Gemeinschaft schadet. Die Europäischebevölkerung wollte mit weniger Kinder weniger Verantwortung übernehmen und mehr Zeit für sich haben-doch wer hat jetzt hat für sie? Wie oft mahnt der heilige Koran Egoistische Völker mit Vernichtung? Und wie oft mahnt der heilige Koran, dass das Volk sich selbst vernichtet wenn es in Eigennutzt verfällt? Auch Europa wird es nicht anders ergehen. Die Europäer sterben aus. Und alles hat mit dem Bologna-Prozess zu tun. Die Sozialleistungsbeitragserhöhungen, Rentenverkürzung, Rente erst mit 97 (kommt bestimmt bald wenn die Menschen solange am leben bleiben), weniger Sozialleistungen und und und.
Aber wie Bruder Murtadha schon meinte, dieses Thema ist sehr Umfangreich aber auch sehr Interessant weil es aus mehreren Warten aus beleuchten werden kann.
ZitatUnd da man möchte das Studenten in 3 Jahren soviel "wissen" wie in 5-6 Jahren müssen
Das ist nicht ganz richtig. Der Bachelor ist in etwa dem Vordiplom gleichzusetzen und nicht dem Diplom. Das Problem scheint eher zu sein, dass zuviel abgeprüft wird und tatsächlich die Studiengänge nur noch den Bedingungen des wirtschaftlichen Nutzens angepasst wurden. Beispielsweise soll ein BWLer mit seinem Bachelor bereits ins Arbeitsleben, so wird es auch von den Professoren suggeriert.
Aber faktisch gesehen ist es so, dass die Arbeitgeber immer mehr verlangen und der Bewerber möglichst alles schon können soll. Einarbeitung soll so kurz wie möglich gehalten werden, der Mitarbeiter wie ein Roboter funktionieren.
Insgesamt kann man alle gesellschaftlichen Prozesse (Weltwirtschaftskrise, Sozialleistungserhöhungen, Studiengebühren) in eine Gesamtzusammenhang betrachten.
Früher haben sich die Menschen gerade durch das Studium ihre Persönlichkeit entfaltet und sind zu aktiven und kritischen Gesellschaftsangehörigen geworden. Heute soll der Mensch nur noch passiv sein, viel Nintendo Wii spielen, ins Fussballstadion und vor allem perfekt für den Beruf funktionieren. Denken soll er den anderen überlassen, Politik den Reichen und Mächtigen. Der Mensch wird Fachidiot in vielen Gebieten aber entfaltet keine Menschlichkeit, wird zum modernen Sklaven.
Es wird klar, dass das Problem nicht die ca. 120 Euro Studiengebühr (Monat) sind, sondern die Gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Denn zu bezahlen ist das ganze, das ist möglich. Man bekommt hier Bafög etc..
ZitatDas ist nicht ganz richtig. Der Bachelor ist in etwa dem Vordiplom gleichzusetzen und nicht dem Diplom.
Also ich kann vom Fach "Informatik" sprechen und dieses ist auch ein repräsentatives Fach und auch ein zentrales Fach in einem sogenannten Industrieland. Tatsächlich schreibt ein Professor in Bonn, dass im Semester vom Studenten ein Workload vom 960 Stunden erwartet wird!
Ein Semester erstreckt sich über 6 Monate. Wenn wir annehmen, dass ein Roboter-Student in jedem Monat gleich viel lernen kann, dann müsste er 160 Stunden im Monat lernen. D.h. 5 Stunden und 20 Minuten pro Tag, 7 Tage die Woche, 30 Tage im Monat.
Nun ist es so, dass viele Studenten nicht in der Lage sind, ohne Arbeit ihre Studiengebühren und Lebensunterhalt zu finanzieren. Stellen wir uns z.B. vor, dass Jemand in eine andere Stadt ziehen muss um dort zu studieren. Er darf aber wegen dem Finanzstand seiner Eltern nur 300 Euro (und das ist nicht selten) Bafög erhalten.
Diese reichen gerade mal für die Miete, Strom und alles drum und dran. Er muss also arbeiten. 1-2 Tage in der Woche kann er dann nicht mehr lernen. Das Wochenende muss somit aus unserer obigen Rechnung ausgeschlossen werden. Für einen Ausländer sowieso.
Also haben wir nur noch ca. 20 Tage im Monat zum Lernen. Man muss somit 8 Stunden am Tag lernen, wenn wir den Job dazu rechnen, heißt das, dass man 6 Monate lang praktisch jeden Tag, 7 Tag die Woche, 4 Wochen im Monat und jeden Monat, 8 Stunden arbeiten muss und das bis zum Ende des Studiums.
Wohnt man gemessen an den öffentlichen Verkehrtmitteln insgesamt 1 Stunde von seiner Uni entfernt, dann steigt die Zahl in der Woche auf 10 Stunden.
Wenn man nicht vom Anfang an bisschen Grundkenntnisse in seinem Fach hat, muss man vielleicht auch Extra Stunden investieren. Ich habe auch hypotethisch angenommen, dass ein Semester 6 Monate ist. Das stimmt aber nicht.
Zumindest im ersten Semester fängt man erst später in Oktober an. Außerdem es wurde angenommen, dass der Student nie krank wird. Immer eine Arbeit findet. Kein Probleme hat, die ihn daran hindern jeden Tag ohne Unterbrechung zu lernen und dass er nie das Bedürfnis hat sich frische Luft zu holen. Dass er andere außeruniversitäre Aktivitäten gerne nachgehen würde und auch Verwandte haben könnte, die er gerne besuchen würde, haben wir auch ausgeschlossen.
Will ein Ausländer es sich leisten einmal im Jahr in seine Heimat zu fliegen, muss er in der Regel in den Semesterferien arbeiten, was sein Workload an der Uni wieder stark beeinflussen würde und das Studium nochmal in die Länge ziehen würde.
Der Durchschnittsstudent und die ausländischen Stundenten, die keine ausreichenden FInanzierungsmöglichkeit haben, sind deswegen stark betroffen. Und das was, erwartet wird ist für sie einfach zu viel und nicht zumutbar.
Die Verantwortliche haben eigentlich eine Wunschvorstellung und versuchen diese zu erzwingen. Das geht dann schief. Zumindest auf langer Sicht. Ich bin überzeugt, dass man in den meisten Unis feststellen wird, dass die durchschnittliche Studienzeit die Regelstudienzeit bei weitem übersteigt.
Vielleicht ist meine Darstellung in einigen Punkte vom schlechtesten Fall ausgegangen aber im grossen und ganzen ist das was Bruder Minbar geschildert hat und zwar, dass man in 3 Jahren so viel erledigen muss, wie normalerweise wegen den zwingenden Umständen in 5 Jahren möglich ist, ist gar nicht übertrieben.