Es gibt immer noch viel zu viele Muslime in der Westlichen Welt, die glauben, dass man sie in Ruhe beten und fasten lassen würde. Aber sobald sie Gerechtigkeit einfordern, ist es vorbei mit dem ruhigen Beten und Fasten.
Schon lange sind Muslime in der Westlichen Welt nicht nur “Orientalen“. Es gibt zunehmend einheimische Muslime, die sich – im Fall von Deutschland – z.B. als deutsche Muslime fühlen, mit Rechten und Pflichten in Deutschland, mit Verantwortungsgefühl für ihre Heimat Deutschland. Sie sind hier geboren, haben deutsche Eltern, machen hier ihren Zivildienst und Ausbildung und werden auch hier begraben. Sie fühlen sich verantwortlich für ihre Familie und Nachbarschaft. Zur Wahrnehmung dieses Verantwortungsgefühls gehört auch die religiöse Pflicht, dass er sich stets auf die Seite der Schwachen stellt und sich stets für Gerechtigkeit einsetzt. Die Gutmütigkeit vieler Muslime, die zuweilen an Naivität grenzen mag, lässt sie immer wieder einen sehr entscheidenden Vers aus dem Heiligen Qur´an übersehen oder zumindest nicht mit Nachdruck lesen:
„Weder die Juden noch die Nazarener werden mit dir zufrieden sein, bis du ihrer Ideologie folgst (Heiliger Qur’an 2:120).“
Eine besondere Feinheit dieses Heiligen Verses wird aus den meisten Übersetzungen ins Deutsche nicht deutlich. Tatsächlich steht in jenem Vers nicht: „... bis du ihrer Glaubensrichtung folgst“, wie es in vielen Übersetzungen heißt. Denn das dort verwendete Wort ist “Milla“. Es wird alleinstehend oft mit “Nation“ übersetzt, aber auch das trifft den Sinngehalt nur unzureichend, denn damals gab es die Nation im heutigen Sinn noch nicht. Tatsächlich geht es um eine Ideologie, um eine Wertvorstellung. Und die Tatsache, dass in jenem Vers bezogen auf Juden und Nazarener nicht auf deren Glauben, sondern auf deren Ideologie verwiesen wird, verdeutlicht auch, dass der Heiligen Qur´an davon ausgeht, dass jene beiden Gruppen ihre eigenen Werte nicht befolgen, sondern eine vom Judentum und Christentum abweichende Ideologie.
Das Ergebnis jener Ideologie ist in der Volksabstimmung in der Schweiz zu erkennen. Eine Mehrheit von 57 % – so heißt es in den Medien – hat sich gegen weitere Minarette in der Schweiz ausgesprochen, und jenes Gesetz hat jetzt sogar Verfassungscharakter. Damit ist die Schweiz das erste Land der Erde, in dem faktisch der Bau einer Moschee verboten worden ist, selbst wenn die Schweizer das Gegenteil behaupten. Und jenes Verbot ist nicht etwas im Baurecht verankert, sondern in der Verfassung!
Das mag den einen oder anderen Muslim – insbesondere in der Schweiz – schockiert haben, aber wer die Vorstellung hat, eine vergleichbare Abstimmung in Deutschland würde anders ausgehen, der muss in einer Traumwelt leben. Die Schweiz hat mit ca. eine Zehntel der Bevölkerung Deutschlands und entsprechend einem Zehntel der Muslime Deutschlands ganze vier Minarette gehabt, was in etwa auch dem Zehntel der heute in Deutschland bestehenden Minarette entsprechen dürfte (die mit Abstand meisten Moscheen in Deutschland haben kein Minarett). Und die Abneigung der Bevölkerung gegen den Islam und die Muslime dürfte ebenfalls vergleichbar sein. Dabei spielt es wirklich keine Rolle, ob 49% oder 57% einer Bevölkerung Moscheen verbieten wollen. Das Votum in der Schweiz hat aber einen umfassenden Segen für Muslime, der manchem Muslim bisher noch nicht hinreichend bewusst sein dürfte.
Obwohl sicherlich kein Muslim in Deutschland, der Schweiz oder Österreich dafür verantwortlich ist, was in irgendwelchen orientalischen Ländern geschieht, sahen sie sich stets dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie zunächst dafür sorgen sollten, den Kirchenbau im Orient zu ermöglichen, bevor sie sich für den Moscheebau in ihrer eigenen Heimat Deutschland, Österreich oder Schweiz einsetzen. Die Beteuerungen der Muslime, dass sie weder Einfluss darauf haben, was im Orient geschieht, noch eine Verantwortung dafür tragen, was andere Staaten entscheiden, wurde nie ernst genommen. Jetzt aber haben alle Muslime ein neues Argument in der Hand, gegen das selbst westliches Kraut nicht gewachsen ist: Natürlich dürfen Christen in allen muslimischen Ländern Kirchen bauen, die dürfen nur keinen Turm haben, keine Glocke, keinen auffälligen als Machtdemonstration zu missverstehenden Eingang, kein als Schlachtschiff umzudeutendes Dach und keine charakteristischen Fenster. Wenn aber irgendwelche Christen sich in einem Hinterhof treffen, wer sollte etwas dagegen haben?
Das Schweizer Signal ist nicht auf die Schweiz begrenzt. Die als Hassprediger gegen den Islam in Deutschland bekannten Politiker haben keinen Tag gewartet, um die Stimmungsmache nach Deutschland zu übertragen und in Österreich haben “Abstimmungen“ im Internet bereits begonnen. Naiv, wenn Muslime glauben, dabei mitmachen zu müssen, um dagegen zu stimmen. Sämtliche Beteuerungen der Menschenrechte, welche die Westlichen Staaten stets einfordern, sind doch nur dazu gedacht, die Welt zu unterdrücken, um die Westliche Dominanz zu zementieren. Sobald aber eines jener von der Westlichen Welt selbst festgelegten “Menschenrechte“ von Muslimen eingefordert werden, haben sie keinen Wert mehr. Das sieht man tagtäglich in Guantanamo, und das sieht man jetzt im faktischen Moscheebauverbot in der Schweiz.
Aus muslimischer Sicht ist ein Minarett in der heutigen technischen Zeit ohnehin nur noch eine Schmuckstück bzw. Touristenattraktion einer Moschee. Für den Bestand und den Betrieb einer Moschee ist das Minarett nicht von entscheidender Bedeutung. Aber aus den Äußerungen der Schweizer Politiker wird klar, dass es bei der Abstimmung gar nicht um ein Gebäudeteil ging, sonder um ein Symbol. Und jenes Symbol steht für Moschee. Wer jenes Symbol verbietet, will in Wirklichkeit die Moschee verbieten. Nach wie vor lassen sich Muslime in den Westlichen Ländern spalten, in Sunniten und Schiiten, in Araber und Türken, in deutschsprachige und sonstige, in “moderne“ und praktizierende Muslime. Aber die Feindschaft richtet sich nicht gegen irgendeine dieser Gruppen, sondern gegen alle gemeinsam.
Obiger Vers aus dem Heiligen Qur´an verdeutlicht noch einen weiteren Aspekt. Es geht nicht um das Beten und Fasten! Es geht darum, dass Muslime religionsbedingt stets auf der Seite der Schwachen und Hilfsbedürftigen der Welt stehen müssen. Es geht darum, dass Muslime Gerechtigkeit in der Politik einfordern. Aber die Westliche Politik – und hier gibt es keinen Unterschied zwischen der Schweiz, Österreich oder Deutschland – steht auf der Seite der Mächtigen, auf der Seite der Guantanamowärter, auf der Seite derjenigen, die die schlimmsten Waffen auf Erden besitzen und einsetzen, auf der Seite der Banken und Besatzer, auf der Seite der Vertreiber und Offensivkriege führenden Mächte dieser Welt! Und da ist es äußerst lästig, wenn jemand ständig Gerechtigkeit einfordert. Politik und Hofberichterstattung tun ihr Bestes, um das Volk gegen jenen neuen Sündenbock aufzuhetzen. Wenn dann – wie im aktuellen Fall – kurz vor einer Wahl die Politiker, die jahrelang gegen Muslime gehetzt haben, die Notbremse ziehen, und darauf verweisen, dass die aktuelle Initiative zu weit gehe, dann können sie den Zug nicht mehr aufhalten, den sie selbst ins Rollen gebracht haben.
Doch der Segen für Muslime ist ein Erwachen und eine Erkenntnis, die ihnen bisher gefehlt hat. Viele Muslime haben allein der tagtäglichen Hetze der Politiker und Verantwortungsträger und deren Hofberichterstattung die Schuld gegeben. Aber man darf auch nicht übersehen, dass jene Hassprediger auf ein Volk stoßen, dass zumindest in nicht unerheblichen Teilen offenbar empfänglich ist für eine derartige Hetze.
Die Schweiz hatte bisher unter Muslimen stets das Image eines “Saubermanns“. Schweizer Messer, Schweizer Uhren und Schweizer Käse galten als gerne unter Muslimen verbreitete Produkte. Und die Schweizer Neutralität als vorbildhaft. Aber warum sollen Muslime ihr Geld an eine Wirtschaft schicken, die Muslimen ihre Gebetshäuser verbietet. Und warum sollen Muslime ihr Geld in solch einem Land anlegen? Und warum sollen Muslime solch ein Landes Vermittler akzeptieren. Es mag zu weit gedacht sein, aber müssen jetzt nicht alle Sitze von Internationalen Organisationen in der Schweiz auf den Prüfstand gestellt werden, bis hin zur UNO? Immerhin ist die Schweiz das weltweite erste Land, das Minarette verbietet! Wie würde die Westliche Welt reagieren, wenn die Schweiz irgendein Bauteil einer Synagoge verboten hätte?
Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass zwar der Inhalt der Volksabstimmung allein von den Initiatoren zu verantworten ist, aber beim Wahltermin durchaus gewisse staatliche Spielräume existieren. Und jene Wahl ist ausgerechnet auf exakt das Opferfest der Muslime gelegt worden, dem größten Fest – worüber die Hofberichterstattung überhaupt nicht berichtet hat! Stellen sie sich vor, irgendwo in der muslimischen Welt würde darüber abgestimmte werden, ob Christen ein Kreuz am Hals sichtbar tragen dürfen oder nicht und jene Abstimmung würde ausgerechnet auf den zweiten Weichnachtsfeiertag gelegt werden, wäre es da nicht naiv, davon auszugehen, dass der Termin ein Zufall und nicht eine bewusste Feindschaftserklärung ist?
Als angeblichen Grund für jene Volksbefragung wurde auch angegeben, dass man die “Parallelgesellschaft“ verhindern wolle. An dieser Stelle sei nachdrücklich darauf verwiesen, dass es sehr viele durch Muslime bedingte Probleme in europäischen Ländern gibt; zweifelsohne! Und jene Probleme entstehen zwar durch Muslime, nicht aber durch den Islam, sondern ganz im Gegenteil dadurch, dass Muslime den Islam vernachlässigen. Um die Probleme einer Parallelgesellschaft zu verhindern, wäre die Kooperation von Muslimen mit Nichtmuslimen von großer Bedeutung, auch im Hinblick auf die zukünftige demographische Entwicklung. Der Wahlausgang – und die unmittelbaren Reaktionen von islamophoben Politikern in Deutschland und Österreich – verdeutlichen aber jedem Muslime, der seinen Verstand noch nicht völlig ausgeschaltet hat, dass ihm gar nichts andere übrig bleibt, als in einer Parallelgesellschaft zu leben. Und das Ergebnis in der Schweiz wird zwangläufig die Parallelgesellschaft in Deutschland vergrößern!
Welchen Ausweg aber gibt es? Den Ausweg zeigt der eingangs dargelegte Vers des Heiligen Qur´an, denn der Vers geht weite mit: „Sprich: Die Rechtleitung Gottes ist doch die wahre Rechtleitung.“ Der Ausweg hat also auch mit dem Islam oder dem Christentum in Deutschland zu tun, die sich gegen die vorherrschende Ideologie des Kapitalismus richten muss. Der Ausweg hat damit zu tun, dass Menschen verdinglicht, Dinge vergöttert und das Kapital zum obersten Götzen erklärt wird. So lange ein derart ungerechtes und unchristliches System herrscht, in dem die grausamsten Verbrechen von Verbündeten mitgetragen werden, weil es Verbündete sind, so lange wird es keinen Frieden in der Gesellschaft geben. Selbst wenn man sämtliche Muslime vertreiben würde, selbst wenn man sämtliche Moscheen schließen würde, jene Ideologie bräuchte ein neues Feinbild und würde es finden, und dann wären anderen “dran“. Oder glaubt irgendjemand, dass die Wahl in der Schweiz mit christlicher Nächstenliebe irgendetwas zu tun hätte?
Der sich hilflos wähnende Leser am Ende eines solchen Artikels fragt sich, was er persönlich zum Frieden beitragen kann. Die Antwort darauf ist immer dieselbe! Er muss sich selbst erziehen zum Frieden, sich und seine Familie und dabei als unerschütterliches Fundament verstehen lernen, warum er erschaffen wurde, nämlich als Empfänger der Liebe Gottes. Nur wer diese Selbsterziehung tagtäglich in sich fortsetzt und zunehmend mehr Liebe empfängt und sie weiter geben kann, dem kann man kein Minarett verbieten. Denn sein Minarett ist sein Ruf nach Gerechtigkeit. Wenn er seinen Ruf nach Gerechtigkeit nicht mehr mit friedlichen Taten umsetzen kann, dann tut er es mit friedlichen Worten. Wenn ihm das auch verboten wird, dann tut er es mit seinem Herzen und in seinen Gebeten. Und jeder wird eines Tages sehen, – mit den Augen der Wahrheit sehen – welchen Unfrieden seine Taten bewirkt haben, und dann wird sich herausstellen, wer sich wirklich für Frieden eingesetzt hat. Es schadet aber nicht, eine Parallelgesellschaft der Friedliebenden zu gründen und zu leben und sich von denen zu trennen, die eine Machtgesellschaft wollen. Liebe drückt sich im Dienst am Menschen aus, nicht in Macht. Christen müssten jene letzten Ausführungen gut verstehen, aber wo gibt es sie noch in Deutschland, Österreich oder der Schweiz? Und auch das zu erkennen ist ein Segen.