Oft wird das Vorurteil verbreitet, dass der Islam eine Religion von Kaufleuten sei und daher dem Kapitalismus durchaus nahe stehender als dem Kommunismus. Aber der Islam ist viel “revolutionärer“ als es der ebenfalls materialistische Kommunismus jemals sein kann.
Ein Aspekt der sehr frühen islamischen Geschichte wird oft übersehen, während ein anderer oft verdreht dargestellt wird. Ziel jener Ignoranz durch die damalige Hofberichterstattung bestand darin, das Feudalsystem, welches sich bereits kurze Zeit nach dem Ableben des Propheten Muhammad im missbrauchten Namen des Islams etabliert hatte, religiös zu rechtfertigen.
Der eine Aspekt ist die Heirat des Propheten Muhammad mit der “reichen“ Kauffrau Chadidscha. In sehr vielen Umschreibungen dieser Tatsache soll der Eindruck erweckt werden, als wenn der Islam vor allem eine Religion der Kaufleute sei. Tatsächlich aber hatte sich Prophet Muhammad als Karawanenführer etabliert (was damals ein Knochenjob als “Arbeiter“ war). Und nach jener besagten heiligen Ehe hatte Chadidscha ihr gesamtes Vermögen dem Propheten zur Verfügung gestellt und dieser wiederum alles für die Armen und Bedürftigen eingesetzt, so dass sie selbst in Armut in der Verbannung durch die Mekkaner leben mussten.
Ja, die Mekkaner waren reiche Kaufleute, die selbst mehr oder weniger nichts produzierten! Ihr Reichtum rührte daher, dass sie eine Pilgerstätte mit lauter Götzen betrieben, und dort viel Handel betrieben. Diese Herrschaften besaßen massenweise Sklaven und missbrauchten die meisten Frauen als “Sexobjekte“. Am Auftreten einer Religion, welche den Dienst am Menschen höher wertete als die Herrschaft, waren sie überhaupt nicht interessiert. Und an einem Propheten, der die Sklaven befreite, sein Geld für die Bedürftigen einsetzte und die Menschen dazu aufrief – je nach Möglichkeit – zu arbeiten im Dienst an der Menschheit, waren sie noch weniger interessiert. Sie machten Geld durch Geld und noch mehr Geld durch Geld. Jetzt aber kam ein Prophet, der auch noch die Zinsen abgeschafft hat. Die logische Konsequenz war, dass sie ihn verbannen und später sogar ermorden wollten! Dafür stand Mekka in der Anfangszeit des Islam.
Ganz anders die Stadt Yathrib (das spätere Medina), der andere Aspekt des frühen Islam, der nicht hinreichend berücksichtigt wird: Yathrib war eine Stadt von Dattelbauern und des Handwerks. Heute würde man sagen, von Arbeitern und Bauern. Zwar gab es auch dort Feudalstrukturen, die waren aber nicht halb so ausgeprägt, wie in Mekka. Einziges Problem Yathribs war, dass die Menschen in ständigem Zwist miteinander waren und daher nach einem Menschen gesucht haben, der einen gerechten “Ausgleich“ schaffte. Dafür waren sie bereit (obwohl zunächst viel weniger vermögend als die Mekkaner), viel aufzuopfern! Sie luden Prophet Muhammad ein und waren bereit, seine Bedingungen zu akzeptieren.
Sie schlossen in Aqaba einen historischen Vertrag mit dem Propheten Muhammad, damit er nach Medina übersiedelt, in dem folgende Bedingungen festgelegt waren:
• Gott nichts zur Seite zu stellen, • nicht zu stehlen, • nicht Unzucht zu treiben, • ihre Kinder nicht zu töten, • Unrecht zu vermeiden, und • dem Propheten gegenüber nicht ungehorsam zu sein, wenn er ihnen das Gute gebietet.
Dieser an die Zehn Gebote erinnernde Grundlagenvertrag wurde später ausgeweitet u.a. mit folgender Bedingung, nämlich:
• dass sie, falls erforderlich, bereits sind, für seine Sache Geld aufzuwenden und zwar in allen Fällen, sei es, das sie viel oder wenig haben sollten, • dass sie Gutes gebieten und Schlechtes verwehren, • dass sie von Gott sprechen, ohne Furcht vor jemandem – außer vor Gott selbst – zu haben...
Aus den vollständigen Texten lassen sich einige Aspekte für die heutige Zeit ableiten, die einerseits den Kapitalismus verdammen aber auch dem Kommunismus seine Schwächen aufzeigen.
Tatsächlich verlangt der Islam von jedem Bürger den Dienst am Menschen. Das kann in Form von “Arbeiter und Bauer“ sein, es kann aber auch in Form der Mutter, die ihr Kind erzieht, Verantwortungsträger in Unternehmen, Ärzte, Gelehrte, Wissenschaftler, Sozialbedienstete, Krankenschwester usw. usf. sein.. Entscheidend ist, dass alle sich – je nach Fähigkeit – in die Gesellschaft einbringen und zudem stets bemüht sind, ihre Fähigkeit zu erhöhen. Der Dienst am Menschen ist der wertvollste Gottesdienst. Die Überlieferung, dass Gott seinen Diener fragt, warum er ihn nicht besucht hat, als er krank war, und dieser verwundert zurück fragt, wie denn Gott krank sein könne, um zu erfahren, dass der kranke Mensche gemeint war, ist sowohl im Islam als auch im Christentum bekannt.
Der Islam verurteilt den Kapitalismus, indem der Islam Zinsen verbietet und das Geldvermehren durch den bloßen Besitz von Geld ablehnt. Der Handel hingegen ist – unter bestimmten Grenzen – etwas Nützliches. Er beinhaltet Risiko, er beinhaltet Transport, er beinhaltet Umverpackung in kleinere Einheiten usw... Hingegen darf ein muslimischer Kaufmann seine Preis nicht beliebig festlegen. Ein zu hoher Gewinn gilt als Wucher und ist genau so verboten, wie z.B. das Horten, um Preise heraufzusetzen. Auch lehnt der Islam die Privatisierung in jenen Breichen ab, in denen sie zum Schaden an der Menschheit führen (wie z.B. im Gesundheitssektor, Energiesektor oder Wasserversorgung). Beispielsweise wird ein privatisierter Energiesektor stets am Mehrerbrauch von Energie interessiert sein, während die Menschheit der Einsparung von Energie bedarf.
Entscheidend aber ist die Frage, wie der Status der Menschen in der Gesellschaft ist, und wie dieser erlangt wird. Im Kapitalismus ist der Reichste der Einflussreichste! Er kann sogar die Herrschaftsstrukturen und Gesetzgebung beeinflussen (in der Bundesrepublik heißen die Werkzeuge dazu Parteispenden und Lobbyismus). Im Kommunismus sind – vereinfacht ausgedrückt – alle gleich! Aber im Islam ist derjenige am meisten angesehen, der am meisten für die Menschheit tut! Maßstab dabei ist seine Möglichkeit. Ein Armer, der sein wenig Geld gibt, um zu helfen, erhält das höchste Ansehen und die größte Achtung in der Gesellschaft. Hingegen ein Reicher, der Millionen spendet, wird evtl. dennoch verachtet, weil er in Saus und Braus lebt.
Der Kapitalismus verlangt die Freiheit des Kapitals. Der Kommunismus verlangt die gleichmäßige Verteilung des Kapitals. Der Islam verlangt, dass das Kapital dem Dienst am Menschen unterstellt wird.
Im Kapitalismus ist derjenige am Reichsten, der am meisten Kapital hat. Im Kommunismus soll es keine Reichsten geben. Im Islam ist derjenige am Reichsten, der aus Dankbarkeit über das, was er besitzt, möglichst viel davon für die Menschheit einsetzt.
Im Kapitalismus leben die Herrschenden (unabhängig davon, wie sie an die Macht kamen) in einem gewissen Wohlstand (oberhalb des Mittelstandes). Im Kommunismus leben die Herrschenden (bzw. Hauptverantwortungsträger) idealerweise im Stand des Volkes. Im Islam leben die vom Volk mit der höchsten Verantwortung bedachten idaelerweise, wie die Armen im Land!
Der Kapitalismus kennt nur den Obergott Mammon. Der Kommunismus kennt gar keinen Gott. Im Islam gibt es nur den einen Gott, Schöpfer aller Geschöpfe.
Im Kapitalismus erhält der Mensch Freiheit durch Kapital. Im Kommunismus folgt Freiheit aus dem Volkseigentum. Im Islam wird der Mensch als freies Geschöpf geboren und niemand kann ihm diese göttliche Freiheit in seinem Herzen nehmen!
Will man heutzutage verstehen, warum der weltumspannende Kapitalismus dem Islam gegenüber so extrem feindlich gesonnen ist und die Kommunisten auch nicht so richtig den Zugang zum Islam finden, so muss man sich mit dem Gerechtigkeitsbegriff im Islam beschäftigen und wird feststellen, dass der Islam die Umsetzung des Paradieses auf Erden anstrebt, und zwar nicht für wenige auf Kosten vieler, sondern für alle! Das wollen Kommunisten auch, wäre hier ein Einwand, der aber nicht zutrifft, da das kommunistische Paradies nur ein materielles Paradies ist. Es ist abhängig von äußeren Aspekten, die außerhalb der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen stehen. Der Islam hingegen schenkt dem Individuum die wahre Freiheit, da er ihm erklärt, dass Gottes Thron im Herzen eines jeden Menschen errichtet wird, der sich Ihm zuwendet.
Und um das zu erreichen, muss man das “Ich“ verlassen. Auch Prophet Muhammad musste Mekka verlassen, um eines Tages triumphal zurück zu kehren. Jenes “Verlassen“ des “Ich“ wird in wenige Tagen bei den Riten der Pilgerfahrt symbolisch praktiziert werden als Übung für ein Leben der Selbsterziehung. Der Pilger kommt im Mekka an, um es wieder zu verlassen und am Ende zurück zu kehren. Und für die Bürger der westlichen Gesellschaft, die in ihrer Angst vor Schweinegrippe über Kriege bis hin zur Depression in ein Gefängnis der Angst eingekerkert werden, gilt mehr denn je das Wort Jesu: „Fürchtet euch nicht!“
Im Kapitalismus fürchtet man den Verlust von Kapital. Im Kommunismus fürchtet man den Einfluss des Kapitalismus. Im Islam gibt es nur eine einzige Furcht: Die Gottesehrfurcht. Jeder entscheide selbst, welche Ideologie die Menschen wirklich befreit. In einer christlich geprägten Gesellschaft kann man auch Jesus diesbezüglich fragen.