Warum Sarrazins Kapitalismus das Feindbild Muslim zum Überleben braucht
Von Yavuz Özoguz am 08. Oktober 2009 10:16:02:
Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazins Hasspredigt wird landauf landab diskutiert. Manche sehen in ihm einen verkappten Rassisten und andere freuen sich, dass er endlich Einiges ausgesprochen hat. Dass jene "Diskussion" aber ausschließlich dazu dient, den Kapitalismus zu retten, das bedenken die Wenigsten.
Nach den Bundestagswahlen komm es, wie es viele erwartet haben. Die Unternehmen entledigen sich ihres "Kostenfaktors" namens "Mitarbeiter". Dem nunmehr Arbeitssuchenden wird auch noch sein Harz IV gekürzt aber mit einem schöneren Namen wie "Bürgergeld" versehen, und mit diesem wenigeren Geld darf er dann bei den Krankenkassen zuzahlen. Obwohl der Bürger zunehmend geschröpft wird, muss der Staat einmal mehr eine Rekordverschuldung einkalkulieren. Und wer bekommt all das Geld? Es ist der unersättliche Kapitalismus, es ist das System, dass jenes Geld geradezu "auffrisst". Es ist die Zinsenszinswirtschaft, die in unmenschlicher Weise die Ressourcen der eigenen wie auch zukünftiger Generationen in dunklen Kanälen der Banken verschwinden lässt.
Würde man das gesamte System - wenn es denn nicht das eigene wäre - mit einem neutralen sachlich-wissenschaftlichen Blick analysieren, müsste man zu dem Schluss kommen, dass es ein höchst verbrecherisches System geleitet von einer organisierten Kriminalität ist. Wie anders sollte man den Raub aller Ressourcen sowohl von der derzeitigen und noch mehr von zukünftigen Generationen, die noch nicht einmal geboren sind, nennen? Berücksichtigt man auch noch die Zusammenhänge mit der Armut in der Welt, den an Hunger und Durst Sterbenden, den Ressourcenkriegen und massenhaften Tötungen von unschuldigen Menschen, dann müsste man von einem Raubmord ungeahnten Ausmaßes sprechen. Sämtliche "normalen" Verbrechen im Lande würden daneben verblassen, selbst wenn man sie zusammen zählen würde!
Spitzenfunktionen in jenem System der Unterdrückung und Ausbeutung der Menschheit haben Bankmanager. Und das konnten sie sehr lange kaschieren. Allerdings ist ihr System in den letzten Jahren - vorsichtig ausgedrückt - etwas in die Schieflage geraten. Und die Abneigung gegen jene Parallelgesellschaft von Bankmanagern zusammen mit ihren Duzfreunden unter Politikern und Hofjournalisten hat in der gesamten Bevölkerung drastisch zugenommen. Manch ein Politiker wähnte die Bankmanager mit einem Gehalt von 100 EUR in der Stunde (selbst wenn er schläft oder Freizeit hat) als "Verfolgte" im Land. Was gibt es da besseres, als das Feindbild wieder in die "richtigen" Kanäle zu leiten? Und fast alle spielen wieder mit.
Zunächst einmal war der Harz IV-Empfänger Angriffsziel jenes SPD-Millionär-Bankers (und da wundern sich einige, dass die SPD bald nicht mehr existieren wird). Mit 4 EUR sollte der Bürger am Tag auskommen, war der Vorschlag eines Menschen, der gar nicht wissen dürfte, wie so wenig Geld aussieht. Aber das reichte nicht aus, um das Feindbild hinreichend zu kanalisieren. Zu viele im Land hatten Bekannte und Verwandte, die Betroffen waren. Also musste das altbewährte Feindbild her: Der Muslim. Natürlich heißt der Muslim bei solch einer Hasspredigt nicht Muslim, sondern er heißt "Araber" und "Türke".
Um die Methode dieser Abneigungsumleitung vom reichen Bankmanager, der mit verantwortlich daran ist, das gesamte System zu zerstören, zum kleinen "Ausländer" zu verstehen, muss man die Worte von Sarrazin nicht allein aus dem Blickwinkel der Volksverhetzung betrachten, sondern aus dem Blickwinkel des eiskalten unmenschlichen Goldene-Kalb-Ritters des Kapitalismus.
Zunächst einmal ist festzustellen, dass Sarrazin in keinster Weise für das "Christentum" oder gegen Einwanderung spricht. So erzählt er von der Vertreibung der Juden aus Berlin mit folgenden Worten: ". Westberlin war von dynamischer Wirtschaft weitgehend entleert, es gab Ausnahmen wie Schering und den Siemens-Turbinenbau, doch die Schicht der Spitzenmanager war verschwunden, die Topentwickler der Unternehmen waren weg, es gab vor allem verlängerte Werkbänke, die von üppigen Subventionen lebten. Das hatte Folgen für die Bevölkerungsstruktur. (...) Auch der immense jüdische Aderlass konnte nie kompensiert werden. Die Vernichtung und Vertreibung der Juden aus dem deutschsprachigen Raum insgesamt betraf zu sechzig bis siebzig Prozent Berlin und Wien. ."
Würde man jene Sätze in einem sachlichen und vorurteilsfreien Kontext bewerten, müsste man zu dem Schluss kommen, dass Sarrazin möglicherweise ein Antisemit ist. Denn er erweckt den Eindruck, dass Juden zumeist zu der Schicht der Spitzenmanager und Topentwickler der Unternehmen gehören würden und Berlin und Wien mehr oder weniger beherrscht hätten. Jene Behauptung aber wird genau den Antisemiten zu Recht als undifferenzierte Weltverschwörungstheorie gegen Juden vorgeworfen! Merkwürdig nur, dass wenn jene Behauptungen in dem Sinn aufgestellt werden, dass ein "Bedarf" danach existiere, niemand auf die Idee kommt, dem Bankmanager Antisemitismus vorzuwerfen!
Sarrazin stellt hier zudem ein sehr allgemeines Menschenbild vor, dass vom Herrenmenschendenken geprägt ist: Wichtig für das Volk sind die Spitzenmanager, wie er einer ist. Dass aber gerade die Spitzenmanager dieser Republik und der ganzen Welt das Finanzsystem des Kapitalismus ruiniert haben und bis heute nicht in der Lage sind, den Systemfehler zu erkennen, verdeutlicht genau das Gegenteil: Jene Spitzenverdiener sind der Ruin des Landes!
Als er von Berlin spricht sagt er: "Die Stadt hat einen produktiven Kreislauf von Menschen, die Arbeit haben und gebraucht werden, ob es Verwaltungsbeamte sind oder Ministerialbeamte. Daneben hat sie einen Teil von Menschen, etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung, die nicht ökonomisch gebraucht werden, zwanzig Prozent leben von Hartz IV und Transfereinkommen; bundesweit sind es nur acht bis zehn Prozent."
Wiederum sagt Sarrazin etwas Unglaubliches! Und es richtet sich nicht allein gegen Muslime! Er spricht von 20% der Bevölkerung, "die nicht ökonomisch gebraucht werden"! Das Menschenbild dieses Herrenmenschenmillionärs ist demnach offenbar aufgebaut nach der "ökonomischen Brauchbarkeit" eines Menschen. Rentner, Schwache, Kranke, Behinderte und viele andere sind demnach nur nach ihrer "Produktivität" zu beurteilen! Zudem zeigt er durch seinen unredlichen Vergleich, dass es ihm gar nicht um Sachlichkeit, sondern um Hetze geht! Denn er vergleicht einen Stadtstaat im Osten der Republik mit dem bundesdeutschen Durchschnitt! Aber er geht gleich einen Schritt weiter und versucht dann seine Hasspredigt auf das neue Feindbild zu kanalisieren:
"Eine große Zahl an Arabern und Türken in dieser Stadt, deren Anzahl durch falsche Politik zugenommen hat, hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel, und es wird sich vermutlich auch keine Perspektive entwickeln. Das gilt auch für einen Teil der deutschen Unterschicht, die einmal in den subventionierten Betrieben Spulen gedreht oder Zigarettenmaschinen bedient hat."
Und warum entwickelt sich keine Perspektive? Weil Milliarden und Abermilliarden genau in jene Unternehmen fließen, die Leute wie Sarrazin ruiniert haben, und keine Gelder für Bildung und Entwicklung vorhanden ist! Leute wie Sarrazin unterscheiden sich von Harz IV Empfänger nur durch ihr Gehalt und ihre daran gekoppelte unvorstellbare Unverschämtheit. Denn beide werden vom Steuerzahler finanziert! Wäre der Steuerzahler nicht mit mehrstelligen Milliardensummen eingesprungen, gäbe es all jene Banken nicht mehr, die den Sarrazins so viel Geld geben, dass ein Normalsterblicher es gar nicht ausgeben könnte.
Sarrazin belässt es aber dann nicht allein bei den Muslimen. Die "Unterschicht" - und wer wollt schon freiwillig dazu gezählt werden - eignet sich immer für eine Hasspredigt (zumal mit "Unterschicht" oft auch der Muslim gemeint ist:
"Es gibt auch das Problem, dass vierzig Prozent aller Geburten in der Unterschicht stattfinden. (...) So dass das Niveau an den Schulen kontinuierlich sinkt, anstatt zu steigen. (...)"
In einer Gesellschaft, in der die Fürsorge und Opfer für den Nachwuchs eine Überlebensnotwendigkeit ist, und nur noch die "Unterschicht" zu diesen Opfern bereit ist, aber die Oberschicht lieber die "Ich"-Gesellschaft bevorzugt, sind nicht etwa die "Reichen" und "Mächtigen" Schuld dran, dass sie weniger Kinder bekommen, sondern die Armen, weil sie überhaupt noch welche bekommen (was aber nicht reicht, um den Bestand des Wachstumswahns des Kapitalismus zu sichern). Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass Sarrazin nicht nur Spitzenbankmanager ist, sondern auch Jahre lang Finanzsenator der Stadt war und durch seine desaströse Politik maßgeblich mitverantwortlich ist für das Finanzdesaster der Bundeshauptstadt! Er wurde aber für sein Versagen hochgelobt, während die Opfer seiner Politik jetzt die Schuldinge seiner Hasspredigt sein sollen.
Ein Höhepunkt seiner pauschalen Hasspredigt mündet in die Aussage: "Unsere Bildungspopulation wird von Generation zu Generation dümmer." Es besteht bei diesem Satz die Gefahr, dass er übersieht, dass man jenen Satz auch auf ihn beziehen könnte.
Zwischendurch kommt ein Rundumschlag gegen "Deutsche", ohne dass die Angesprochenen es merken: "Die Vietnamesen der zweiten Generation haben dann durchweg bessere Schulnoten und höhere Abiturientenquoten als die Deutschen. Die Osteuropäer, Ukrainer, Weißrussen, Polen, Russen weisen tendenziell dasselbe Ergebnis auf." Warum aber sollten all jene besser sein als "Deutsche"? In Fällen von Fragen, die den Herrenmenschencharakter des Autor entlarven würden, springt die Presse ein und thematisiert jene Passagen gar nicht, sondern konzentriert sich auf jene Passagen, die das beabsichtige Feindbild schüren sollen. Manche bestätigen sie, andere kritisieren sie, und alle schauen nur auf sie.
Nebenbei wird dann auch noch das gesamte bundesdeutsche Grundgesetz ausgehebelt: "Die Lösung dieses Problems kann nur heißen: Kein Zuzug mehr, und wer heiraten will, sollte dies im Ausland tun. Ständig werden Bräute nachgeliefert: Das türkische Mädchen hier wird mit einem Anatolen verheiratet, der türkische Junge hier bekommt eine Braut aus einem anatolischen Dorf. Bei den Arabern ist es noch schlimmer." Wie jene Schilderung noch "schlimmer" sein kann, bleibt aber unklar. Gilt das auch für den Deutschstämmigen, der seine Braut aus Thailand holt? Der Mann ruft zur Verfassungsfeindlichkeit auf, aber als Bankmanager darf man das offenbar.
Der ganze rassistische Charakter seiner Denkweise mündet dann in den Satz: "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. . Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate."
In wie weit die Kosovaren den Kosovo durch eine höhere Geburtenrate "erobert" haben, sei einmal dahin gestellt. Aber das Feindbild, dass hier bedient werden soll, ist die Muslima, die Kopftuch trägt; selbst wenn sie studieren sollte! Es ist zu berücksichtigen, dass er von zumeist deutschen Staatsbürgern spricht, was angesichts seines Namens und dem daraus ableitbaren "Migrationshintergrund" skurril wirkt.
Es folgt wieder eine neue rassistische Äußerung mit Pauschalbeleidigung gegen das gesamte deutsche Volk bei seiner Wunschvorstellung der zukünftigen Einwanderer: "Das würde mir gefallen, wenn es osteuropäische Juden wären mit einem um 15 Prozent höheren IQ als dem der deutschen Bevölkerung." Erneut bedient Sarrazin antisemitische Klischees (selbst wenn es hier im Positiven erfolgt). Da seine Hasspredigt sich aber gegen Muslime richtet, wird dieser teil seine skandalösen Interviews gar nicht thematisiert. Die dahinter stehende Methode ist aber ganz einfach: Teile und Herrsche. In diesem Fall kann man das ausweiten in folgende These: Nur wenn die Bevölkerung mit sich selbst und dem jeweiligen Feindbild beschäftigt wird, wird sie solche Bankmanager widerspruchslos ertragen!
Der rassistische Gedanke geht weiter in der Aussage: "Wenn 1,3 Milliarden Chinesen genauso intelligent sind wie die Deutschen, aber fleißiger und in absehbarer Zeit besser ausgebildet, während wir Deutschen immer mehr eine türkische Mentalität annehmen, bekommen wir ein größeres Problem. (...)" Aha: Türken haben also eine von Natur aus - möglicherweise genbedingte - Faulheit, die ansteckend auf Deutsche wirkt und der Chinese überholt uns. Würde man hingegen den Fleiß eines Menschen an der Bereitschaft, Arbeitsleistung für wenig Gehalt zu erbringen, messen, würde Sarrazin wohl zu den Faulsten im Land gehören. Sarrazins Forderung ist "Berlin müsste Stadt der Intellektuellen und der Elite sein". Wie aber soll das möglich sein, so lange Leute wie er dort leben und das Sagen haben?
Sarrazin selbst hat sich heute für seine Äußerungen entschuldigt. Aus den Worten seiner Entschuldigung ist herauszulesen, dass er mehr den eigenen Jobverlust fürchtet als dass er die Inhalte seiner Äußerungen korrigieren wollte.
Eine Gesellschaft aber, die sich von solchen Leuten gegeneinander und gegen die Schwachen im Land aufhetzen lässt, hat es nicht besser verdient, als unterdrückt zu werden. Zweifelsohne gibt es sehr viele Probleme mit Migranten! Zweifelsohne ist die Integrationswilligkeit unter Muslimen in den letzten Jahren gesunken! Zweifelsohne stellen Muslime einen viel zu hohen Anteil an Ungebildeten im Land! Und zweifelsohne gibt es weitere wachsende Probleme. Doch eine der Hauptursachen all jener Probleme ist genau das Gedankengut eines Sarrazin; dieses so zerstörerische und hasserfüllte Herrenmenschendenken.
Es wird Zeit, die wachsenden Probleme im Land sachlich und ernsthaft anzugehen, und das wird nicht mit, sondern nur gegen Bankmanager jenes Kalibers möglich sein. So lange die Bevölkerung aber nicht die Hauptursache im System des Raubtierkapitalismus erkennt und dagegen vorgeht, so lange wird sie die Folgen tragen müssen.
Und einmal mehr gilt: Jeder fange bei sich selbst an! Wer dem Harz IV- Empfänger Geld wegnehmen will, der zeige die Bereitschaft, sein eigenes Gehalt für Bildung im Land zu stiften und selbst ernsthafte Opfer auf sich zu nehmen, damit das Land voran kommt. Was wäre das für ein schönes Land ohne Bankmanager aber mit Menschlichkeit und ohne eine Bewertung der Menschen nach IQ und ökonomischer Brauchbarkeit? Jenes Land können gottesehrfürchtige Juden, Christen und Muslime gemeinsam erreichen.
mittlerweile hat sich ja der ZDJ gemeldet und ein gewisser Herr Kolat von der "Türkischen Gemeinde in Deutschland", beide haben gefordert, dass Sarrazin von seinem Posten als Vorstand der Bundesbank zurücktreten soll.
Kolat ist der Meinung, dass Sarrazin wegen Volksverhetzung zur Verantwortung gezogen werden soll.
es gab schon mal eine Zeit in Deutschland, in der eine bestimmte Gruppe von Menschen zum Sündenbock für alles Schlechte gemacht wurde und die Hetzer trotzdem weiterhin hofiert wurden.
Die Presse hat sich gegen die Äußerungen von Sarrazin zwar zu Wort gemeldet, aber das reicht nicht. Dieser Mann gehört angeklagt.
Allah möge Deutschland davor bewahren, dass es vergangene Fehler wiederholt.
Das Sarrazin wohlmöglich seine Ämter verliert und in den letzten Tagen so sehr unter Druck steht, verdanken wir auch den Muslimen, die seine Aussagen nicht ignoriert haben. Das Thematisieren von Problemen ist wichtig und trägt Früchte. Wir werden auch in Zukunft "die Leute" soviel reden lassen, wie sie wollen, aber wir müssen nicht inaktive Zuhörer sein. Dort wo es die Wahrheit zu verteidigen gibt, dort müssen wir präsent sein.
geredet wurde zwar viel, aber irgendwie sieht es leider nicht danach aus, als müsste Sarrazin irgendein Amt niederlegen - ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum moralischen Niedergang Deutschlands.