Plädoyer für Vernunft statt hilfloser Abwehrreflexe gegen Iran
Wenn deutsche Flaggen im Iran und Ägypten brennen und in der muslimischen Welt tausendfach der Ruf “nieder mit Deutschland“ zu vernehmen ist, dann schmerzt das auch deutsche Muslime. Wenn dann auch noch der Vorwurf des Mordes an die Bundesregierung laut wird, wird es Zeit eine Gegenstimme zu erheben.
Nur ein toter Fisch schwimmt stets mit dem Strom sagt ein indisches Sprichwort. Wie tote Fische schwimmen viel zu viele Politiker in diesem Land zusammen mit ihren Hofjournalisten stets mit dem Strom, völlig unabhängig davon, wohin er fließt. Sie vertreten keine eigene Meinung, keine eigene Überzeugung, keine eigenen Wertevorstellung. Ihre einzige Wertevorstellung ist Kapital gepaart an Macht und umgekehrt. Als der Mord im Dresdener Landgericht geschah, haben Politiker und Journalisten demonstrativ geschwiegen! Der Fluss floss in Richtung Verharmlosung, und sämtliche toten Fische sind mitgeschwommen. Es waren die Muslime in diesem Land, die das Thema auf die Tagesordnung gebracht haben, gegen den Strom, es auch über die Landesgrenzen hinaus publik gemacht haben und darauf bestanden haben, dass darüber gesprochen und vor allem darüber nachgedacht wird! Dennoch haben Hofjournalisten und Machtpolitiker nahezu zwei Wochen gebraucht, bis sie endlich auf die zunehmenden Proteste aus der muslimischen Welt reagiert haben. Jetzt floss der Storm in eine andere Richtung, und alle toten Fische schwammen wieder mit. Es wurde sogar laut darüber nachgedacht, warum so lange geschwiegen wurde, wobei merkwürdigerweise niemand sich selbst gefragt hat, sondern jeder nur den anderen.
Die Ereignisse führten zu Protesten in verschiedenen muslimischen Ländern. Deutsche Botschaften wurden mit faulen Eiern beworfen, deutsche Flaggen verbrannt, tausendfach erschallte der Ruf “nieder mit Deutschland“, und zuletzt gab es sogar die Auftragsmordvermutung gegen die Bundesregierung. Und wie reagieren die Verantwortlichen? Sie reagieren exakt so, wie man es vorherberechnen kann! Die Propagandaspirale verläuft exakt so, wie es jeder berechnen kann. Es scheint in der gesamte Bundesrepublik keine einzige deutlich vernehmbare Stimme unter Politikern und Journalisten zu geben, die ausbricht aus dem hilflosen Marionettendasein, einen Dasein, das wie ein toter Fisch in jede nur erdenkliche Richtung zu lenken ist und dessen Reaktionen ebenfalls exakt vorherzusehen sind.
Der bisherige Höhepunkt der gegenseitigen Propagandaeskalation kam aus dem Iran. Es wurde die Vermutung geäußert, dass der Mörder an der Muslima im Landtag im Auftrag der Bundesregierung gehandelt haben könnte. Und was war die Reaktion? Ein Dementi "mit aller Schärfe": Welch eine Glanzleistung diplomatischer und journalistischer Innovation! Dabei gäbe es an diesem Punkt die Gelegenheit “auszusteigen“ aus dieser Propagandaspirale. Es gäbe die Gelegenheit nachzudenken und vernünftige Schlüsse zu ziehen, die sowohl Deutschland als auch dem Weltfrieden dienlich sein könnten.
Eine der Vizepräsidentinnen der Islamischen Republik Iran namens Sahra Sadschadi soll gemäß Medienberichten gesagt haben: „Der Mörder hat ohne Weiteres den Gerichtssaal mit einer Waffe betreten, daher sollten wir davon ausgehen, dass er im Auftrag der Bundesregierung gehandelt hat.“ Huch! Ahmedinedschad eine Frau als Vize? Woher kommt die denn? Warum haben wir denn in den letzten vier Jahren von ihr nie gehört in Deutschland? Trägt die auch Kopftuch? Seit wann gibt es andere Frauen im Iran, die etwas zu sagen haben, außer Frau Ebadi? Läuft die auch in Europa umher, um von der Springer-Presse zu Wallstreet-Zeitungen zu tingeln, um ihre befreit-geschminkten Lippen vorzuführen? Wäre das nicht eine Gelegenheit, darüber nachzudenken, warum der Bürger in Deutschland stets ausschließlich jene Iranerinnen zu Gesicht bekommt, die ein westliches Schminkmodell vorführe und nie die Gelegenheit erhält, eine andere Sichtwiese von Frauenemanzipation, wie sie im Iran existiert, zu sehen?
Aber die Aussage jener Frau wäre nicht minder schlimm gegen Deutschland, wenn sie ein Mann geäußert hätte. Und die Aussage ist definitiv absurd! Praktizierende Muslime schwimmen nicht wie tote Fische mit dem Strom und brechen aus, wenn der Strom auf einen Wasserfall zusteuert, selbst wenn die Äußerung von einer angesehen Muslima erfolgt. Aber dieser Ausbruch muss stets mit einer Nachdenklichkeit verbunden sein, die sämtliche Seile der Marionettenführer durchtrennt.
Tut es nicht weh, solch einen absurden Vorwurf gegen Deutschland von einer Vizepräsidentin eines anderen Landes zu hören, noch dazu aus einem Land, mit dessen Bevölkerung man historisch eigentlich befreundet war? Schmerzt es nicht, solch einen absurden Vorwurf in den Medien aller Ländern lesen zu müssen und die Argumentation dazu – zumindest oberflächlich betrachtet – auch noch plausibel klingt? Welcher Leser im Iran war schon einmal in einem deutschen Gerichtssaal, um die Ereignisse vernünftig einstufen zu können? Wer hat davon gehört, dass es der Staatsanwalt war, der eine Revision des ursprünglichen Verfahrens angestrebt hatte, um den späteren Täter härter zu betrafen. Wer hat davon gehört, wie eine Gerichtssprecherin, die selbst Richterin ist, von einem “Super-Gau“ gesprochen hat, einmal abgesehen davon, dass man den Begriff ohnehin kaum ins Persische übersetzen kann. Und passt die Tat nicht exakt in das Verhalten der Bundesrepublik Deutschland in den letzten acht Jahren, insbesondere seit die aktuelle Bundesregierung jegliche Verbrechen gegen Muslime durch die USA und Israel teils schweigsam und teils aktiv mitträgt? „Ja“ denken viele Bürger in der muslimischen Welt, und da ist ein Dementi eines Regierungssprechers "mit aller Schärfe" nur eine Bestätigung der Vorwürfe. Müsste die Bundesregierung bei solch einem absurden Vorwurf nicht eher schweigen, und zeigt die prompte und scharfe Reaktion nicht, dass man sich schuldig fühlt? Es sind die Stufen einer Eskalation die exakt vorhersehbar sind! Und fast alle schwimmen in dem Strom mit auf den Wasserfall zu. Heute füllen sofort die Kommentare der Hofberichterstattung die Blätter, welche der Bundesregierung zur Hilfe eilen. Tausendfach wird die Aussage des Regierungssprechers Thomas Steg wiederholt: „Wer solcherlei Rede führt, disqualifiziert sich selbst.“ Wenn dem so wäre, dann bräuchte man ja nicht zu reagieren!
Die Vizepräsidentin des Iran hat Deutschland mit einem sehr geschickten Vorwurf den Spiegel vorgehalten. Das einzig dumme ist, die im Strom mitschwimmenden toten Fische merken es nicht einmal.
Wird nicht aus Deutschland heraus seit nunmehr acht Jahren mit solcherlei absurden Anschuldigungen Innen- und Weltpolitik betrieben? Ist der Vorwurf an die Kopftuchtragende Frau, sie sei eine “Islamistin“ und würde für die Unfreiheit der Frau eintreten, weshalb man sie durch Kopftuchverbot zwangsbefreien müsste, nicht genau so absurd? Und sind die seit nunmehr fast 10 Jahren im Monatsrhythmus erfolgenden Vorwürfe gegen den Iran, er würde Atomwaffen anstreben, nicht nur absurd, sondern auch verbrecherisch und kriegstreiberisch?
Viele deutsche Muslime haben sich wirklich äußerst “unwohl“ gefühlt, als sie erstmalig den Vorwurf der Mordbeteiligung an die Bundesregierung lasen. Aber wie fühlt sich ein Iraner, wenn sie 10 Jahre lang Woche für Woche dem Vorwurf ausgesetzt sind, in einem halben Jahr die Atomwaffe zu besitzen, wenn gleichzeitig die oberste religiöse Instanz des Landes Atomwaffen für verboten erklärt hat? Inzwischen weiß doch jeder, der sich etwas in die Materie vertieft hat, dass jener Dauervorwurf an den Iran von Israel gelenkt wird! Warum übernehmen Politiker und Hofberichterstattung jene absurden Vorwürfe so unkritisch und fordernd darauf aufbauend sogar UN-Sanktionen? Schmerzt es da so sehr, wenn plötzlich ein anderes Land UN-Sanktionen gegen Deutschland verlangt? Ist nicht die Beteiligung der Bundesregierung an dem Mord in Dresden für den ausschließlich von Außen betrachtenden wahrscheinlicher, als Atomwaffen im Iran gegen die oberste religiöse Führung; selbst wenn beide Vorwürfe absurd sind?
Und wann endlich wird man die zionistische Propaganda in dieser “Stop-the-Bomb“-Kampagne offen legen und entlarven? Hat denn noch niemand gemerkt, dass jener Vorwurf stets mit der Holocaust-Keule verbreitet wird? Hat sich eigentlich jemals jemand Gedanken darüber gemacht, wie eine rein theoretische Atombombe in der Region wirken würde? Ist irgendjemanden jemals der Gedanke gekommen, dass bei einem Atomwaffenunfall (es braucht nicht einmal ein Einsatz zu sein) in jedem Fall mehr Muslime und Christen Opfer werden würden als Juden? Und es ist nicht der Iran, sondern Israel, welches über die Atomwaffe verfügt? Warum wird bei jener “Stop-the-Bomb“ Propaganda nicht auch darauf verwiesen, dass man Christen und Muslime schützen möchte? Tut man es deshalb nicht, weil dann jemand auf die Idee kommen könnte, die Absurdität des Vorwurfs zu hinterfragen? Oder tut man es deshalb nicht, weil bestimmte propagandistische Opferstatusexklusivitäten durchkreuzt werden würden?
Und was ist das für eine merkwürdige Meldung über den BND gestern in einer Zeitschrift in Deutschland, welche namensgleich mit einer ehemaligen zionistischen Terrororganisation ist? Da soll der BND behauptet haben, dass der Iran in einem halben Jahr die Bombe haben könnte und der BND dementiert umgehend? Woher kommen solche Meldunge? Warum dürfen derart klare Lügen so unkritisch weitergegeben werden, womit man dem Ansehen des BND und Deutschlands langfristig viel mehr Schaden zufügt, als mit einem Mord. Hat sich irgendein Politiker oder Hofjournalist jemals die Frage gestellt, wie das alles auf die Bürger im Iran wirkt?
Ja, die iranische Regierung hat der Bundesregierung den Spiegel vorgehalten, aber manche in der Bundesregierung und ihrer Hofjournalisten sind kaum noch in der Lage, zwischen dem Bild im eigenen Spiegel (gemeint ist nicht die Zeitschrift) und dem Bild eines Feindes zu unterscheiden! Es scheint fast so, als wenn man selbst zum eigenen Feind mutiert ist, ohne es zu merken und daher im Spiegel sich selbst nicht erkennt.
Dabei gäbe es auch Ansätze zu Deeskalation, zur Vernunft, zu echtem Friedenswillen. Ein anderer tragischer Unglücksfall könnte den Weg weisen. Gestern hat Bundespräsident Horst Köhler dem Präsidenten der Islamischen Republik Iran, Herrn Dr. Mahmud Ahmadinedschad, folgendes Kondolenztelegramm gesandt: „Herr Präsident, mit großer Betroffenheit habe ich die Nachricht vom tragischen Flugzeugabsturz im Iran erhalten, der das Leben so vieler Menschen gefordert hat. Ich möchte Ihnen und dem iranischen Volk, auch im Namen meiner Landsleute, meine tief empfundene Anteilnahme aussprechen. Wir denken an die Angehörigen der Opfer. Ihnen gilt in dieser für sie so schweren Zeit unser ganzes Mitgefühl. Mit stillem Gruß. Ihr Horst Köhler, Präsident der Bundesrepublik Deutschland“.
Auch wenn er ihn nicht mit “Sehr geehrter“ anspricht, so beinhaltet der Brief doch Ansätze für Vernunft in einer Zeit von so viel Unvernunft. Sollte der deutsche Präsident hier eine Vernunft haben walten lassen, die man sonst so sehr vermisst; selbst wenn es “nur“ eine diplomatische Geste war?
Iranischen Politikern wäre zu empfehlen, dass sie nicht nur versuchen durch absurde Vorwürfe an die Bundesrepublik sich zu wehren gegen die Dauerbeschallung mit noch absurderen Vorwürfen und Hetz-Vorwürfen seitens arroganter Imperialisten, sondern jene realistischen Vorwürfe erheben, die für alle Beteiligten hilfreich sein könnten. Wie wäre es den mit dem Vorwurf von Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden, die den Iran erreichen können, über die Deutschland aber keinerlei Befehlgewalt hat? Das wäre doch einmal ein berechtigter und vollständig zutreffender Vorwurf, der auch der Bevölkerung Deutschlands helfen könnte, nachzudenken, um sich eines Tages zu befreien und Souveränität zu erlangen.
Deutschen Politikern und Ihren Hofjournalisten ist anzuraten, darüber nachzudenken, ob sie nach dem Irak-Desaster mit über einer Millionen ermordeten Zivilisten und dem Gaza-Massaker mit allein über 400 ermordeten Kindern, weiterhin wie tote Fische in dem Strom mitschwimmen wollen, der ein noch viel größeres Massaker anstrebt! Irgendwann kommt der Zeitpunkt bei so viel Unmenschlichkeit, bei dem die Menschen sich selbst nicht mehr ertragen können, wie man es dieser Tage bei israelischen Soldaten miterleben kann. Wollen deutsche Politiker und Journalisten es wirklich so weit kommen lassen, bis auch Deutsche noch klarer als bisher Mitschuld an Massakern sind, und zwar nicht an vergangenen, an denen heutigen Generationen unschuldig sind, sondern an heutigen?
Der Mord in Dresden gibt die Gelegenheit, über all das nachzudenken. Töricht ist, wer solche Gelegenheiten verstreichen lässt.