Immer wieder “treffen“ uns Ereignisse unvorbereitete, so dass wir davon überrascht sind, dabei müsste es nicht so sein.
Der 11. September 2001 hat nicht nur die Westliche Welt getroffen, sondern vor allem die Muslime der Welt “kalt“ erwischt. Erstaunlicherweise war die “Westliche Welt“ offenbar recht gut vorbereitet auf den erstmaligen Zusammensturz selbst von einem Gebäude, das nur ein wenig brannte. Innerhalb unvorstellbar kurzer Zeit wurden gleich zwei Länder überfallen und mehr oder weniger Großteile der muslimischen Welt mit Krieg überzogen oder aber zumindest bedroht. Muslime waren unvorbereitet.
Es war aber nicht das erste Mal, dass sie unvorbereitet waren. Als z.B. in Algerien Anfang der 90er Jahre bei Wahlen muslimische Organisationen drauf und dran waren zu gewinnen, gab es einen vom Westen unterstützten Putsch und alle Bestrebungen waren innerhalb kürzester Zeit vernichtet. Muslime waren unvorbereitet.
Als der Libanon von Israel überfallen und ein Großteil der Infrastruktur vernichtet wurde, als über 1000 Zivilisten ermordet wurden, waren die Widerstandsgruppen im Libanon zwar vorbereitet und haben den zionistischen Aggressoren gegenüber erfolgreich Widerstand geleistet, aber die meisten Muslime in Welt waren unvorbereitet. Schlimmer war das Dilemma beim Massaker gegen die Bevölkerung des Gaza. Zwar sind überall in der Welt Muslime auf die Straßen gegangen – auch in Deutschland – aber es war alles sehr unkoordiniert, mehr spontan, eben unvorbereitet. Viele haben erstmalig in ihrem Leben demonstriert. Viele konnten sich gar nicht vorstellen, welche “Hetzer“ in den Reihen mitlaufen, viele wussten nicht, wie unvernünftig manche Unsinniges von sich geben – selbst wenn die absolut überwiegende Mehrheit der Demonstranten sehr vernünftig demonstriert hat.
Doch deutlicher ist die Lage bei der aktuellen Finanzkrise, die eigentlich den kompletten Zusammenbruch des kapitalistischen Systems eingeläutet hat. Obwohl der Islam durchaus sinnvolle und sachlich nachvollziehbare Alternativen anbieten könnte, die selbst für das westliche System interessant sein könnten, schauen die meisten Muslime nur hilflos zu.
Als die Kopftuchverbote in Deutschland für Lehrerinnen eingeführt wurden, waren Muslime im Land überrascht. Es gab keine einzige private Grundschule für Muslime in Deutschland, wo man für jene betroffenen Lehrerinnen ein Alternativangebot bereit stellen konnte (von wegen Parallelgesellschaft). Muslime waren nicht vorbereitet.
Und so zieht sich ein roter Faden durch viele Ereignisse der Neuzeit, insbesondere bei uns Muslimen, dass wir nicht hinreichend vorbereitet waren und sind. Dabei war z.B. die Finanzkrise seit Jahren angekündigt und für jeden, der halbwegs rechnen kann, ohnehin abzusehen! Aber wer wollte das schon wahrhaben? Noch immer glauben die Meisten, dass die Krise irgendwie abgewandt werden kann, selbst wenn es schmerzhaft wird. Die Anzeichen vom Zusammenbrechenden kleineren Volkswirtschaften, Armeen, die sich auf innere Kriege vorbereiten, all das lesen wir, aber wir wollen es nicht wahrhaben!
Was aber ist der Grund für diese Situation bei Muslimen? Eines der Hauptgründe ist der Bildungsnotstand! Das muss eines Tages einmal klipp und klar und ohne Scheu angesprochen werden! Der Bildungsstand der Anhänger einer Religion, deren erstes Gebot “lies“ ist, ist zumindest in diesem Land als jämmerlich zu bezeichnen! Und noch schlimmer ist, dass wir genau diesen Punkt so sehr missachten, auch in der Schwerpunktsetzung für spätere Generationen! Keiner möge jetzt mit positiven Beispielen aus dem Ausland kommen und die 50% Studentinnen an iranischen Ingenieursfakultäten nennen. Denn deutsche und deutschsprachige Muslime sind zunächst verantwortlich für den Bildungsstand der nächsten Generation in diesem Land! Alles, was hier mit Muslimen geschieht, ist auch die Folge des niedrigen Bildungsstandes von uns Muslimen selbst! Und wir tun bedauerlicherweise sehr wenig dagegen!
Dabei ist jetzt mehr denn je die Grundlagenarbeit gefragt. Muslime und Muslimas müssen Muslime und Muslimas ausbilden aber auch befreunde Nichtmuslime! Die Bildung ist die Grundlage für jeden vernünftigen Weg. Ob Grundlagenkurse, Grundlagenbücher, Grundlagenseminare, Grundlagenausbildung in jeglicher Form, all diese Dinge sind mehr gefragt als je zuvor. Wir müssen Sprachen lehren und lernen, Erdkunde, Geschichte, Naturwissenschaften, Mathematik, Sport und vieles andere mehr! Muslime müssen in allen Lebensbereichen aufgeklärt werden. Vor allem müssen wir Muslime aber lernen, mehr in die Bildung, die eigene, die Bildung der eigenen Kinder, die der Ehepartner und Eltern wie auch der Gesellschaft zu investieren; Geld und Zeit!
Die Vorbereitung muss derart sein, dass eine Generation den Baum pflanzt in dem Wissen, dass er die Früchte nie zu Lebzeiten sehen wird, aber im Wissen, dass die nächste oder übernächste Generation die Früchte ernten kann, wenn der Baum gepflegt wird.
Jede Zeit hat seine Aufgaben: Als der Libanon bombardiert wurde, als Gaza massakriert wurde, da ward es an der Zeit auf die Straße zu gehen und zu protestieren. Aber neben all den kurzfristigen Aktivitäten muss es auch mittel- und langfristige Pläne geben, aus diesem Dilemma herauszukommen, in dem sich Muslime befinden.
Sicherlich sind viele Muslime Opfer überall in der Welt – auch in Deutschland (schon bald kommt Inschaallah ein Buch heraus, das Beispiele dokumentiert). Aber Opfer kann nur der sein, der auf den Angriff eines Unterdrückers nicht vorbereitet ist. Und wenn man nicht vorbereitet ist, obwohl man es sein könnte, dann wird man Mitschuld.
Dabei gibt es ein Ereignis, dem wir heute noch nie so nahe waren, wie je zuvor; und das ist unser eigenes Ableben. Wie vorbereitet sind wir darauf? Haben wir den Baum gepflanzt vor unserem Ableben?
Einem weiteren sehr wichtigen und hoffnungsvollen Ereignis sind wir näher als je zuvor; dem Erscheinen des erwarteten Erlösers. Und auch dafür bedarf es einer Vorbereitung. Kommt ein Gast in eine Wohnung, in dem das Chaos ausgebrochen ist und keine Süßigkeiten vorhanden und nicht einmal Tee existiert, dann ist es sehr peinlich, den Gast zu empfangen. Wenn aber die Wohnung aufgeräumt, der Tee bereit liegt zum Aufguss und jeder Gast als Gast Gottes willkommen ist, dann fühlt man sich wohl, selbst wenn der Gast nicht kommt.
Unser aller Vorbereitung heißt “Lies“! Dieses muss mäßig aber regelmäßig erfolgen. Und wenn wir unsere Bildung gemeinschaftlich ausbauen, dann – so Gott will – werden wir einen aktiven Teil dazu beitragen können, die Menschen aus all den Sackgassen hinausführen zu helfen, in die wir uns hineinmanövriert haben.