Inspiriert von einer Überlieferung des größten aller Propheten und seines Stellvertreters schaute ich dieser Tage den Vollmond an. Ja, manchmal erlaubte die aufgerissene Wolkendecke einen Blick auf dieses wunderschöne Licht. Manche glauben, in den Flecken des Mondes einen arabischen Schriftzug erkennen zu wollen. Aber ich glaube, der Mond hat keine arabische Schrift auf seine Brust. Dennoch, das Licht ist wunderbar! Es erleuchtet die dunkle Nacht des nächtlichen Diesseits. Es ist so hell, dass es das Dunkel der Nacht überwindet. Aber es ist nicht zu hell. Ich kann mit bloßem Auge hinein schauen.
Das Licht des Mondes kommt nicht von ihm selbst. Er ist der Spiegel eines Lichtes, das viel heller erstrahlt, als es der Mond jemals könnte. Die Sonne strahlt so hell, dass ich nicht hinein sehen kann. Sie erhellt den Tag des Aufstehens aus dem Schlaf, an jedem Morgen auf ein Neues. Wollte ich in die Sonne schauen, müsste ich dicke Schleier vor meine Augen ziehen, denn meine irdischen Augen vertragen so viel Licht nicht. Am Abend verschwindet sie wieder, und meine Augen können sich ausruhen. Doch wenn ich darüber nachdenke, dann ist es ja nicht die Sonne, die untergeht. Vielmehr sind wir es, die sich wegdrehen. Die Sonne strahlt unaufhörlich weiter. Und doch, auch jenes Licht ist nicht von der Sonne selbst. Die Sonne ist ein Spiegel des Lichtes aus einer Quelle, die noch viel heller strahlt.
Doch wo ist jene Quelle? Manchmal wird es einem sehr warm im Herzen bei all diesen so faszinierenden Gedanken. Diese Wärme im Herzen scheint wärmer zu sein, als die Strahlen der Sonne. Hängen Licht und Wärme nicht irgendwie zusammen? Und doch kann ich das Licht aus jenem Herzen nicht sehen. Was verhindert, dass ich jenes Licht sehe? Verwende ich vielleicht die falschen Augen? Schon für das Sonnenlicht genügen doch meine irdischen Augen nicht, um es ansehen zu können. Ich musste so viele Schleier davor errichten, damit ich es sehen kann. Wie könnten meine irdischen Augen dann reichen, die Quelle des Lichtes jener Sonne zu sehen, falls es in meinem Herzen und im Herzen eines jeden Menschen strahlen sollte. Vielleicht muss ich meine Augen schließen, um jenes Licht sehen zu können.
Ich schließe meine Augen und lasse den Gedanken freien Lauf; über die Welt, über die Probleme der Welt, über die Krisen, über das, was der Mensch den Menschen antut, über das, woran ich möglicherweise beteiligt bin. Was haben wir nur aus dieser Welt gemacht? Welcher Wahnsinn treibt uns da an? Was sind das für unvorstellbar grausame Waffen, die aus den Gehirnen von Menschen entsprungen sind? Wie kann man sie gegen Menschen einsetzen, gegen Zivilisten, gegen Frauen und Kinder. Da massakriert eine Armee eine ganze eingesperrte Stadt, ermordet über 1000 Zivilisten, hat dabei selbst keine 10 eigene zivile Opfer und beschreibt sich selbst als Opfer und den Gegner als Täter. Was ist nur los mit einem Teil der Menschheit, die das glaubt? Welche Krankheit treibt sie an? Wie ist es möglich, dass ein Mensch das Leid von Frauen und Kindern so herzlos übersieht und ein Massaker vor seinen eigenen Augen rechtfertigt? Da werden ganze Länder überfallen, besetzt, die Bevölkerung ausgehungert, und manche glauben ernsthaft, dass jene, die sich dagegen wehren "Terroristen" seien. Derjenige, der in seiner völligen Verzweiflung und Hilflosigkeit sich selbst und wahllos einige andere in den Tod reißt, wird öffentlich zu einem Monster hochstilisiert, aber diejenigen, die durch den Mord Tausender seiner Verwandten seine Hilflosigkeit und Verzweiflung bewirkt haben, werden übersehen. Was sind das für Menschen, die im Namen irgendeiner Religion dieser Welt, den Hilflosen und Verzweifelten verurteilen, nicht aber diejenigen, die ihn zu dieser Verzweiflungstat gebracht haben, obwohl die wahren Verbrecher tausendfach mehr Blut an ihren Händen kleben haben und es nie mehr abzuwischen ist? Was ist das für eine Welt, in der Millionen von Menschen verhungern, während Milliarden von Lebensmitteln in einem Wahn an Überfluss vernichtet werden, und kaum jemand spricht mehr darüber? Warum tun wir das alles? Woher kommen Billionen von Geldern, um Banken zu retten, aber viel geringere Summen, um Menschen zu retten, gibt es nicht? Warum zerstören wir die Umwelt, die Tiere, die Menschen und rechtfertigen es auch immer irgendwie? Warum sind die größten Verbrecher dieser Welt gleichzeitig die Herrscher?
Doch ich öffne die Augen wieder sehr schnell. Wollte ich nicht versuchen, in das Herz hinein zu schauen? Wo bin ich gelandet? Meine Gedanken schwirrten in der Welt herum, in einer Welt, die von der Sonne immer wieder aufs neues erstrahlt wird und die gleichzeitig versucht das Licht zu verdunkeln. Ich bin gelandet in fernen Ländern auf fernen Finanzsystemen ferner Banken und ferner Verbrechen auf allen Ebenen. So werde ich sicherlich keinen Zugang zum Licht im Herzen finden.
Ich versuche es erneut und schließe die Augen. Ich muss mich dazu zwingen, nicht in die große weite Welt abzudriften. Bleiben wir doch erst einmal in unserer kleinen beschaulichen Region, in der Stadt, in der Nachbarschaft. Wie ist es denn hier? Ja, hier gibt es nicht jene wahnsinnigen Kriegstreiber und Massenmörder. Hier gibt es auch keine so extrem Verzweifelten, jedenfalls nicht so viele. Aber herrscht hier nicht auch der nackte Wahnsinn? Ist hier nicht auch die Menschlichkeit auf den Kopf gestellt? Da ist der Fußballspieler eines Bundesligavereins, der in einem Jahr so viel verdient, wie fast alle seine Zuschauer nicht in ihrem gesamten Laben. Zu ihren Zuschauern gehören auch der Krankenpfleger und die Krankenschwester, die mit ihrem Gehalt keine eigene Familie versorgen könnten. Ist denn die Arbeit einer Krankenschwester in einem Hospiz so viel weniger Wert als das Herumgekicke eines Fußballspielers? Und da sind die vielen "Stars" in den Medien. Manche wohnen bei uns in der Nähe. So viele wollen sie sehen, ein Autogramm von ihnen haben. Was hat sie denn so berühmt gemacht? Sie haben sich ausgezogen, alle Schleier der Schönheit des Weiblichen Körpers gelüftet, so dass die Männer, die kein Recht hatten, sie anzusehen, daran erblindet sind. Und so wollen sie ein Autogramm von jener Ikone, jener Götzin, aber nicht von der Krankenschwester, die im Hospiz arbeitet und unsere Eltern und Großelter in den letzten Tagen ihres Lebens pflegt. Was ist nur los mit uns? Welcher Wahnsinn treibt uns da an, dass wir so unmenschlich werten. Was haben wir aus der Gesellschaft gemacht? Wo sind die Kinder geblieben? Warum suchen wir den Kontakt zu den Reichen und nicht zu den Armen? Warum wollen wir, dass man uns hilft und nicht, dass wir anderen helfen? Da laufen lauter Hunde auf der Straße aber kaum Kinder. Bestimmte Begriffe, wie Solidarität, Rechtleitung, Seele, Geist finden wir nur noch schwer im Duden aber kaum in den Gesprächen. Dafür können wir jetzt abchillen, weil das megacool ist. Was haben wir mit unserer Sprache gemacht?
Wieder öffne ich die Augen. Dieses Mal bin ich nicht in die weite Welt abgeschweift, aber der Misserfolg war genau so vorprogrammiert. Wieder gab es kein Licht. Der Blick ins Herz war dunkler, als der Schatten eines Baumes, der von dem Mond angestrahlt wird. Was aber mache ich falsch? Warum komme ich nicht an dieses Licht heran, dessen Licht sogar die Sonne speist? Kann es sein, dass ich an der falschen Stelle suche?
Was mache ich denn? Ich glaube, dass das Dunkel der Nacht durch den wunderschönen Mond erleuchtet wird, der mir den Weg weisen kann. Ich glaube, dass der Mond durch die Sonne erstahlt wird, die mir die Helligkeit des ewigen Tages beschert. Ich kann zwar nicht hineinschauen, und doch sehe ich das Licht in jedem angestrahlten Objekt. Und jetzt will ich zur Quelle jenes Lichtes vordringen und schaue dafür in mein Herz. Ich schließe die Augen. Ich denke nach. Ich suche. Aber ich finde nicht. Warum?
Kann es sein, dass der Fehler in meiner Suchmethode liegt? Gibt es nicht viel zu viele "Ich" in meiner Suche? Und strahlt nicht das Licht durch das "Du"? Ist es nicht der nach Hilfe rufende Hungrige, der mich ruft, und in diesem Ruf ist das Licht? Ist nicht der verzweifelte Unterdrückte, der selbst hilflos ist, aber dessen Hilflosigkeit ich zumindest mit meinem Herzen und meiner Stimme beantworten und dadurch lindern könnte, ein Ruf des Lichtes? Ist nicht das Mitleid, dass ich mit jedem Schwachen empfinde, auf dessen Seite ich mich gegen das "Starke" stelle ein Lichtstrahl der Quelle jenes Sonnenlichtes? Ist das nicht der Schleier des unendlich hellen Lichtes, das nichts und niemanden braucht und sich gerade deshalb im Bedürftigen wiederfindet, da wir sonst das Licht noch nicht ertragen könnten?
Im Gebet würde ich mich so gerne jenem Licht zuwenden. Es soll meine Himmelfahrt werden, aber ich habe nicht einmal bis zu den Zehenspitzen ab. Kann es sein, dass ich mich nicht hinreichend von den falschen Gedanken gereinigt habe, bevor ich mich der Wahrheit zuwenden? Kann es sein, dass meine Gebetsrichtung nicht stimmt? Wer wohnt denn im Haus Gottes, dem ich mich zuwenden sollte? Ist nicht jeder Hilferufende eines Bedürftigen ein Lichtstrahl jenes Lichtes im Herzen eines jeden Menschen, wenn wir sie nicht überhören und übersehen würden?
Gibt es nicht einige Menschen, die uns genau jene Nächstenliebe in vorbildlicher Form vorgelebt haben? Auch zu ihrer Zeit gab es all den Wahnsinn, den es heute gibt. Aber das Beste aller Geschöpfe, das strahlende Licht auf Erden, der heller strahlte als alle Sonnen aller Welten, hat sich vor allem zu den Bedürftigsten aller Bedürftigen gesellt. Seine lichterfüllte Tochter, sein lichterfüllter Schwiegersohn, ihre lichterfüllten Söhne, sie alle standen stets an der Seite der Ärmsten der Welt, an der Seite der Unterdrückten. Nie hat irgendein Unterdrücker ihnen Angst machen können. Und an der Seite der Schwächsten im Land konnte sich ihr Licht so weit entfalten, dass so viele andere Menschen es gesehen haben und noch heute sehen. Dabei war auch ihr Licht "nur" der Spiegel des ewigen Lichtes.
Ist es wirklich so schwer in dieser Welt, sich an die Seite der Armen, der Schwachen, der Bedürftigen, der Unterdrückten, der nach Hilfe rufenden zu stellen? Zumindest für sie zu beten, ist doch jedem Herzen möglich. Und dann, ja dann fangen wir Stück für Stück an, die Quelle des Lichtes der Sonne zu erkennen, die uns erlauben wird, mehr zu sehen, als es die irdischen Augen können, noch bevor sie sich endgültig schließen.