Wirklich merkwürdige Dinge geschehen in dem Land, das noch vor kurzem damit prahlte, dass wir alle Papst seien. Und Muslime müssen aufpassen, hier nicht instrumentalisiert zu werden.
Die gleichen öffentlich-rechtlichen Medien, die es fertig gebracht haben, in drei Wochen Gaza-Massaker nicht eine einzige Sondersendung zu senden, nicht einen einzigen “Brennpunkt“, nicht eine einzige Talkshow zu organisieren, überschlagen sich jetzt regelrecht mit Sondersendungen und Talkshows, wenn es darum geht, dem Papst religiöse Vorschriften zu machen. Was aber steckt dahinter?
Inzwischen dürften es alle mitbekommen haben: Ein britischer Staatsbürger hat auf deutschem Boden einem norwegischen Sender ein Interview gegeben, in dem er die Existenz der Gaskammern in den Konzentrationslagern der Nazis und die Zahl von sechs Millionen ermordeten Juden angezweifelt hat. Kurze Zeit später wurde u.a. auch seine Exkommunikation durch den Papst aufgehoben. Bei jenem Briten handelt es sich um einen Geistlichen der sogenannten Pius-Bruderschaft. Es gibt nachweislich keinen inhaltlichen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen.
Zunächst sei darauf verwiesen, dass jene Pius-Bruderschaft nicht nur extreme Judenhasser sind, sondern im gleichen Maß auch Muslime hassen. Man braucht dazu nur auf deren offizielle Internetseite in Deutschland zu gehen http://www.fsspx.info und dort nach dem Begriff “Islam“ zu suchen, um den hasserfüllten Charakter jenes Ordens zu erkennen. Ein wirklich unverschämtes Video gegen den Islam und die Muslime, welches bis gestern noch auf der Seite anzuschauen war, ist heute scheinbar nicht mehr abrufbar. Die Art der Darstellung erinnert aus muslimischer Sicht etwas an die wahabitisch-salafitische Hetze gegen alle mögliche Religionen (inklusive einiger Muslime).
Ein Geistlicher jener Bruderschaft hat also die Existenz der Gaskammern geleugnet. Das Internet ist geradezu überfüllt mit Übersetzungen jenes Interviews in alle Sprachen der Welt. Normalerweise – so denkt es sich der Bürger angesichts der Medienhysterie – müsste die zuständige deutsche Staatsanwaltschaft schon längst Anklage erhoben haben. Doch der Gegner dürfte über die besten Anwälte Deutschland verfügen, und da gibt es einige Unwägbarkeiten, die dem Bürger durch die gleichen Medien vorenthalten werden. Jener Geistlicher ist ja nicht der erste, der ungestraft auf deutschem Boden solch eine “ungeheuerliche“ Behauptung aufstellt: Kein geringerer als der berühmte Daniel J. Goldhagen schreibt in seinem genau so berühmten Buch “Hitlers willige Vollstrecker“ folgenden Satz: „Der Einsatz von Gas bei der Vernichtung von Juden durch die Deutschen war daher – anders als weithin angenommen – ein nebensächliches Phänomen!“ (Fußnote 81 auf Seite 603). Und jenes Buch ist seit 2004 in deutscher Übersetzung auf deutschem Boden problemlos erhältlich und kein Staatsanwalt der Welt hat gegen Herrn Goldhagen oder den herausgebenden Verlag in Deutschland ermittelt. Daher wird es sich ein deutscher Staatsanwalt gut überlegen, ob er in dieser Angelegenheit den Weg durch die Instanzen geht, denn das Ergebnis könnte auch sein, dass man die Gaskammern höchstrichterlich anzweifeln darf (zumindest besteht bei der vorliegenden Konstellation die Gefahr). Und darauf will man es sicherlich nicht ankommen lassen.
Bliebe noch das zweite Problem der Aussagen jenes Geistlichen. Er behauptete dass einige Hunderttausend Juden ermordet wurden. Das deutsche Gesetzt geht aber faktisch von sechs Millionen ermordeten Juden aus und droht jedem Strafe an, der diese Zahl vermindert. In wie weit historische Ereignisse durch Gesetze zu regeln sind, ist eine sehr spezifische innerdeutsche Angelegenheit. Denn in anderen Ländern ist es keine Straftat (nicht einmal in Israel), von weniger ermordeten Juden auszugehen. Eigentlich gibt es nur Deutschland und Österreich, in denen das eine Straftat darstellt. Und auch hier haben höchste Verfassungsrichter – allerdings erst nach Ausscheiden aus dem Amt – Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des entsprechenden Gesetzes bzw. zumindest deren aktuelle Umsetzung geäußert. Daher ist die Behauptung der öffentlich-rechtlichen Medien, es hätte “weltweit“ eine Empörung gegen den Papst gegeben, eine wirklich selbstverherrlichende Überschätzung des eigenen Daseins. In China und Indien hat man von dem Ereignis noch gar keine Kenntnis genommen, und auch in anderen Ländern wird die Suppe nicht einmal halb so heiß gekocht, wie in Deutschland. Afrika und Südamerika haben wahrlich andere Probleme. Es ist aber nicht das erste Mal, dass deutsche Medien den Glauben verbreiten, dass sie Sprecher der Weltgemeinschaft seien.
Fakt ist also, dass ein britischer Staatsbürger in seinen Aussagen etwas über die deutsche Geschichte von sich gegeben hat, das in Deutschland und Österreich strafbar ist bzw. sein könnte – aber sonst nirgendwo in der Welt (nicht einmal in Europa), und der Papst dessen Exkommunikation aufgehoben hat, wobei das eine mit dem anderen gar nicht zu tun hat. Es sei daran erinnert, dass selbst Mörder nicht unbedingt exkommuniziert werden. Vom Papst wird nunmehr aber verlangt, dass er jenen Geistlichen wieder exkommuniziert. Die Hauptfront der Papstkritiker bilden dabei der Zentralrat der Juden in Deutschland und die evangelische Bundeskanzlerin. Es sei ebenfalls daran erinnert, dass der Papst ein Christ, katholisch und zudem Staatsoberhaupt eines Staates ist, das nicht Deutschland heißt.
Was aber bedeutet Exkommunikation im katholischen Sinn eigentlich. Und wie kommen die sich atheistisch gebärdenden Medien zusammen mit einer Interessenvertretung, die behauptet, für Juden in Deutschland zu sprechen und eine evangelische Bundeskanzlerin dazu, den Papst wegen der Aufhebung einer katholischen Exkommunikation in Bedrängnis zu bringen? Der Papst hat doch nie Zweifel am Holocaust geschürt; ganz im Gegenteil. Der Papst hat doch die Gaskammern nie angezweifelt; ganz im Gegenteil. Der Papst ist doch stets auf Juden zugegangen, mehr als auf irgendeine andere Religionsgemeinschaft. Wer also gibt jenen Gruppen und Personen heute das Recht, über das innerkirchliche Handeln des Papstes bestimmen zu sollen? Wenn nicht die Inquisition eng mit der katholischen Kirche verbunden wäre, könnte man von einer westlich-materialistischen Inquisition gegen den Papst sprechen oder gar einer Art Exkommunikation von der “westlichen Wertegemeinschaft“.
Unter Exkommunikation versteht die römisch-katholischen Kirche den Verlust der Kirchengemeinschaft und damit gewisser Rechte innerhalb der Kirche. Der Exkommunizierte ist nicht berechtigt, die Sakramente zu empfangen, außerdem darf er kein kirchliches Amt ausüben. So würde ihm z.B. bei einer Eheschließung der kirchliche Segen verwehrt, was einen katholischen Geistlichen wohl nicht so sehr stören wird. Aber die Pius-Bruderschaft hat ohnehin auch der Ausschluss von den restlichen Sakramenten nicht weiter gestört, denn sie haben das zweite Vatikanische Konzil komplett abgelehnt. Darin wurde die immerhin über ein Jahrtausend festgeschriebene Lehre des Gottesmordes durch Juden abgeschafft. Jene Lehre war eine der Ursachen für den Antisemitismus in der Westlichen Welt. Die Piusbruderschaft, aber auch manche andere katholische Minderheit, vertreten heute noch die These vom Gottesmord. In wie weit man Gott ermorden kann, müssen Katholiken unter sich ausmachen. Und das ist eher eine religiöse Frage, über die Muslime eher ratlos den Kopf schütteln können, was für ein merkwürdiges Gottesbild man haben muss. Da die katholische Exkommunikation keinen Ausschluss aus der Kirche bewirkt, behandelt auch das staatliche Recht den Exkommunizierten weiter als Kirchenmitglied und kassiert die Kirchensteuer, zumindest von den in Deutschland ansässigen Pius-Brüdern. Der Papst wollte wohl der offensichtlichen Spaltung der katholischen Kirche entgegen wirken, und hat daher die Exkommunikation von einigen Geistlichen der Pius-Bruderschaft aufgehoben.
Unverständlich erscheint die aktuelle Medienschelte auch deshalb, weil westliche Medien sich sonst in religiösen Fragen nicht unbedingt als Verteidiger von Wahrheit und Würde hervortun. Unter dem Vorwand der Freiheit von Kunst darf man Gott verächtlich machen, den Namen Gottes missbrauchen, sämtliche Propheten verächtlich machen, über alle praktizierende Gläubige und ihre Riten herziehen, insbesondere über den Islam und die Muslime. Auch der Papst als Person und in seiner Funktion darf in den Medien im missbrauchten Namen der Freiheit durch alle mögliche Drecksbrühen gezogen werden, ohne dass irgendjemand sich ernsthaft darüber aufregen würde.
Jetzt aber treten die “Papstkritiker“ (wieder eine neue Berufsklasse ohne Ausbildungsgang) in den deutschen Medien lautstark hervor und behaupten gar, der Papst hätte einstmals den Islam und die Medien beleidigt! Jene Schreiber gleichen einer Geschichte im Heiligen Qur´an, in der manche Menschen vor den Propheten des Islam treten und schwören, dass er der Gesandte Gottes sei. Darauf kommt eine Offenbarung, dass Muhammad tatsächlich der Gesandte Gottes ist, aber jene Schwörenden dennoch Lügner sind! Vergleichbar verhalten sich viele Schreiber heute. Als der Islam tatsächlich vom Papst beleidigt und die Muslime diskreditiert wurden, haben die gleichen Medien 150% die Position des Papstes vertreten und die Muslime für ihre Sturheit und Intoleranz gescholten. Heute treten die gleichen Medien auf und missbrauchen die Muslime gegen den Papst. Gemäß den Wertmaßstäben des Heiligen Qur´an ist Heuchelei um Stufen schlimmer als offen Feindschaft.
Zweifelsohne gibt es religiöse Unterschiede zwischen Katholiken und Muslimen, aber die können wir unter uns ausdiskutieren und benötigen nicht jene Medien dazu, welche am liebsten jeden Glauben an Gott abschaffen wollen. Insofern sollte kein Muslim sich in dieser Situation von den öffentlich-rechtlichen Medien gegen den Papst oder die katholische Kirche missbrauchen lassen, selbst wenn die Pius-Bruderschaft ein offen islamhassender Orden ist; es sei daran erinnert, dass es auch unter Muslimen einige gibt, die weniger Toleranz besitzen.
Erstaunlich aber bleibt der Einsatz der Bundeskanzlerin und in ihrem Schlepptau auch andere Politiker. Normalerweise mischt sie sich nicht in religiöse Angelegenheiten ein. So darf der Papst problemlos die Abtreibung als Mord bezeichnen (womit rund 200.000 deutsche Frauen jährlich zu Mörderinnen würden), ohne dass die Bundeskanzlerin direkt dazu Stellung nimmt. Und auch bei des Papstes Äußerungen gegen den Islam und die Muslime hat sich kein deutscher Politiker gemüßigt gefühlt, den Papst anzugreifen bzw. Muslime zu schützen. Jetzt aber sieht sich der Papst – der nie einen Zweifel am Leid der Juden unter Nazis hat aufkommen lassen – der geballten Macht von Politikern aller Richtungen zusammen mit ihrer Hofberichterstattung ausgesetzt.
Was hat er denn getan? Das, was er getan hat, muss ja sozusagen “überreligiös“ sein, also noch wichtiger als sämtliche Religionen der Welt, so dass sogar die Bundeskanzlerin sich dazu äußert. Das ganze erfolgt zu einer Zeit, da das Gaza-Massaker selbst die engsten Israel-Freunde aufgeschreckt hat und Israel – abgesehen von karrierelüsternen Politikern und ihren Hofberichterstattern – kaum noch Fürsprecher findet. Vor wenigen Tagen hat die orthodox-jüdische und antizionistische Gruppe von Geistlichen, die sich unter dem Dach “Naturei Karta“ zusammen geschlossen hat, in einer englischen Verlautbarung die Behauptung aufgestellt und herausgegeben, dass der Zionismus ohne Antisemitismus nicht überleben könne. In wie weit jene Behauptung der Wahrheit nahe kommt, müssen Experten des Themas studieren und analysieren.
Tatsache ist, dass die gesamte aktuelle Angelegenheit dazu förderlich ist, die Menschen zu spalten! Katholiken sollen gegen Juden aufgebracht werden, Muslime gegen Juden und Katholiken und Juden gegen alle, die gegen Israel sind (selbst wenn es Juden sind), denn die heutige Anti-Papst-Front ist identisch mit der Pro-Israel-Front beim Gaza-Krieg, was kaum zu übersehen ist. Und lachende Dritte sind diejenigen, die die Menschheit an den Abgrund geführt haben und weiterhin knechten und ausbeuten wollen. Man findet sie in allen Religionen! Nicht das Massaker von Gaza und die weiterhin anhaltende Strangulierung der Bevölkerung, nicht die weltweit zusammenbrechende Wirtschaft und das kollabierende Geldsystem stehen seit Tagen an erster Stelle der Nachrichten, sondern ein Papst, der die Exkommunikation eines Briten aufgehoben hat der einem norwegischen Sender ein Interview gegeben hat, dessen Inhalt mit dem Deutschen Gesetz nicht vereinbar ist.
Muslime sollten sich aus jenem Konflikt wahrlich heraushalten und auch nicht auf den Zug der Papstkritik aufspringen, der jetzt vorgibt, auch den Islam gegen den Papst schützen zu wollen. Alles hat seine Zeit und seinen Ort. Wenn Muslime überhaupt Stellung dazu beziehen wollen, dann ist jetzt der Papst zu schützen vor den Angriffen derjenigen, die eine Gesellschaft ohne Gott im Mittelpunkt wünschen; und die treten im missbrauchten Namen aller Religionen auf.
Bei aller Kritik an der Bundeskanzlerin kann man ihr eines nicht vorwerfen: Zu sehr versteckte Heuchelei! In einer an Klarheit kaum zu überbietenden Offenheit tritt sie seit Amtsantritt sowohl außenpolitisch als auch innenpolitisch für Interessen ein, die jeder erkennen kann; wirklich jeder. Und es liegt in der Hand der Wähler in Deutschland, wie lange sie das noch können wird, so dass alle Wähler eine gewisse Mitverantwortung tragen.
Schlusswort: Die Angelegenheit gibt allen aufrichtigen Juden, Christen und Muslimen die Gelegenheit, darüber nachzudenken, wofür sie eigentlich eintreten wollen und wer diejenigen sind, die ein gemeinsames Eintreten verhindern wollen. Auch darin liegt eine Chance für zukünftigen Frieden in der Welt