Die islamische Prophezeiung besagt, dass wenn der Erlöser kommt, er ein Wirtschaftssystem errichtet, in dem man mit einer verbalen Grußformel an den Propheten bezahlt, oder anders ausgedrückt, das Geld abgeschafft wird. Ist das aber überhaupt denkbar?
Selbstverständlich schreiben sämtliche Religionen ihren vergangenen Propheten und ihren erwarteten Erlösern außerordentliche und wundersame Qualitäten zu, so dass ihnen auch Wunder im Wirtschaftsbereich zugetraut werden, aber ein Blick in den real existierenden Kapitalismus kann verdeutlichen, dass es gar nicht so außergewöhnlicher Wunder im Wirtschaftssystem bedarf, um ein geldloses Wirtschaftssystem zumindest anzudenken.
Um Missverständnisse von vornherein auszuschließen sei darauf verwiesen, dass es nicht darum geht, das Bargeld abzuschaffen und sozusagen Bargeldlos nur noch mit Kreditkarte zu bezahlen; das wäre heute schon denkbar. Nein, es geht tatsächlich darum, eine Wirtschaft ohne Geld aufzubauen. Es erscheint heute wie eine absolute Utopie, ein Hirngespinst, aber das liegt daran, dass man derart in den Fesseln der kapitalistisch-materialistischen Denkweise gefangen ist, dass man sich ohnehin keine wirkliche Alternative vorstellen kann. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass auch das kommunistisch-materialistische Wirtschaftssystem in dem hier beschriebenen Zusammenhang nur als abgewandelte Form des kapitalistischen System erscheint, bei dem zwar die “Besitztümer“ anders verteilt sind, aber der materialistische Grundbau ebenfalls existiert. Nicht zuletzt sei darauf verwiesen, dass die hier vorgestellte idealistische Idee in solch eine, kurzen Text nur bruchstück- und lückenhaft möglich ist.
Um ein wenig in die Thematik einzusteigen, sei zunächst ein vereinfachter Blick auf den real existierenden Kapitalismus mit globaler Tragweite gerichtet: Die heutige Welt produziert so viele Lebensmittel, dass viel mehr Menschen sehr einfach versorgt werden könnten, als es auf der Erde Menschen gibt. Überproduktionen gibt es auch in der Pharmaindustrie und allen anderen für die Erfüllung der Grundbedürfnisse notwendigen Bereichen. Die Wasser- und Energieversorgung der Menschheit könnte leicht gesichert werden, wenn einige extreme Verschwender genau so leben würden, wie andere der durchaus gut situierten Länder. Und würde man sich vorstellen, dass der Energieaufwand und Materialverlust durch Kriege (und die daran gekoppelte Waffenproduktion) abschaffbar wäre und zudem die Sonnenenergie erheblich besser genutzt worden wäre, hätten wir sogar eine Überproduktion an Energie, wie wir eigentlich Überproduktionen so ziemlich an allem haben, was die Menschheit benötigt. Die Tatsache, dass es dennoch so viel Armut und sogar Hunger gibt, liegt nicht daran, dass nicht hinreichend produziert wird, sondern dass es sehr ungerecht verteilt wird. Das wiederum hängt mit dem Unterdrückungssystem zusammen, das derzeit die Welt beherrscht, aber hier sollen jetzt nur die wirtschaftlichen Aspekte behandelt werden.
Obwohl die Angelegenheit die gesamte Menschheit betrifft und nur global lösbar ist, stellen wir uns einfach einmal anschaulich die Situation für Deutschland vor, weil es einfacher ist, in kleinren für uns überschaubaren Dimensionen zu denken. Stellen wir uns vor, dass das heutige Deutschland hinreichend eigene Energie erzeugt (was durchaus denkbar ist), über hinreichend eigene Landwirtschaft verfügt (was ohnehin gegeben ist) und auch sonst seine Bürger mit allen Gütern versorgen kann (was ebenfalls nicht fern ist anzunehmen). Nehmen wir jetzt auch einmal an, dass unsere Exporte in die Welt mehr wert sind, als die Rohstoffe, die wir benötigen, so dass auch dieser Teil der Geschichte geklärt wäre. Kurz und gut: Deutschland lebt mehr oder minder quasi autark. Die innere Armut lassen wir jetzt auch einmal unberücksichtigt, weil die 1% Superreichen sich in einer konzertierten Aktion dazu entschlossen haben, ihren 25% Besitz aller Güter des Landes auf 10% zu reduzieren, um den Rest Bedürftigen zur Verfügung zu stellen, so dass es keine Armut mehr gibt. Wir leben aber ansonsten allesamt mehr oder weniger so wie heute. Wir sind geringfügig bescheidener (wozu uns die aktuelle Krise ja ohnehin erzieht), etwas umgänglicher zu unseren Nachbarn, engagieren uns etwas mehr in sozialen Projekten, aber ansonsten ist alles wie gehabt: Wir gehen einkaufen, bauen an unseren Eigenheimen, pflegen unseren Wagen usw. usf. was eben der Deutsche so tut, wenn er es sich leisten kann.
Und jetzt stellen sie sich vor, es heißt von einem Tag auf den anderen: Es gibt kein Geld mehr! Alle Konten der Republik werden aufgelöst, alle Kassen verschrottet, alle Papiergelder zu Toilettepapier umfunktioniert, alle Münzen in Metallrohstoffe umgewandelt usw.
Was ist nun? Jeder halbwegs normale Denker wird jetzt sagen, dass das genannte fiktive System von einem Tag auf den anderen zusammenbrechen müsste. Aber die Frage ist doch: Warum?
Denken wir doch diese absurd erscheinende System weiter: Jeder geht weiterhin arbeiten an seinen Arbeitsplatz. Jeder vollzieht die gleichen Arbeiten, die er gestern auch vollzogen hat. Jeder “kauft“ genau so viel ein, wie er vorher eingekauft hat, nur dass er nicht mehr an der Kasse warten muss. Die vielen frei gewordenen Kassiererinnen bei Aldi oder Lidl können ihm jetzt endlich zeigen, wo die Waren liegen, die er sonst immer stundenlang sucht.
Warum sollte also irgendetwas zusammen brechen? Die Produktion bleibt gleich, der Verbrauch bleibt zunächst gleich, die Entwicklung bleibt zunächst gleich. Alles, was vorher mit irgendwelchen Papierscheinen und Münzen funktioniert hat, kann jetzt genau so ohne jene Scheine funktionieren.
Jetzt wird der Einwand kommen, dass man eben nicht mehr das Gleiche kaufen wird, wenn man dafür nicht bezahlen muss; jeder wird mehr kaufen wollen. Aber ist das wirklich so? Werden wir mehr Reis konsumieren und mehr Nudeln essen, wenn wir nicht mehr bezahlen müssen? Werden wir mehr Fleisch konsumieren als wir es ohnehin schon tun? Auf die Konsumgüter ist jene Behauptung mittelfristig nicht anwendbar. Wir können auch ohne Geld nicht mehr Seife verbrauchen, falls wir vorher schon sauber gelebt haben. Aber wird nicht jeder die qualitativ teurere Ware kaufen? Prima, dann ersparen wir uns das dumme Umetikettieren der Konserven, die ohnehin in der billigen wie teuren Variante allein aus Kostengründen meist den glichen Inhalt haben.
Ein weiterer Einwand wird die Luxusgüter betreffen. Wir des nicht so sein, dass wir dann alle einen Flachbildschirmfernseher haben wollen und im Nu sämtliche Flachbildschirme vergriffen sein werden? Und wird dann nicht jeder einen Porsche fahren wollen oder einen 9-Sitzer VW neuester Bauart und es keine Neuwagen mehr gibt? Wird nicht genau das eintreffen, was die DDR so viele Jahre praktiziert hat, dass zwar jeder hinreichend Geld hatte, sich alles zu kaufen, aber es nichts zu kaufen gab, nur mit dem Unterschied, dass hier nicht bezahlt wird? Aber muss das so sein? Könnten die Fahrzeugproduzenten nicht durch hochfahren der Produktion den dann steigenden Bedarf doch decken? Und will wirklich jeder Porsche fahren? Will jeder jedes Jahr ein neues Fahrzeug, oder würden nach einer kurzen Zeit der Euphorie sich die Menschen nicht auch mit einem gewissen Maß an Luxus begnügen lernen? Wollte wirklich jeder einen goldenen Wasserhahn, wie ihn Honecker gehabt haben soll, oder sind das nicht die Auswüchse einer Dekadenz, die nur wenige geistig kranke Menschen betrifft?
Gut, aber selbst wenn wir uns vorstellen, dass die Wirtschaft in der Lage wäre, all das zu erfüllen, hinreichend Flachbildschirmfernsehen, hinreichend gute Fahrzeuge, hinreichend Eigentumswohnungen oder Häuser usw. zu produzieren, wer sollte denn noch arbeiten gehen? Wenn es ohnehin kein Geld mehr gibt und der eine, der mehr arbeitet, nicht besser belohnt wird als der andere, warum sollte man dann überhaupt noch arbeiten, wenn man es nicht muss? Doch ist das wirklich die Denkweise des gesamten Volkes? Oder betrifft es vor allem die, die an menschenunwürdigen Arbeitsstellen arbeiten? Wie ist es z.B. mit den vielen Hausfrauen und Mütter, die durch ihre Partner hinreichend versorgt sind, arbeiten sie wirklich alle nur deshalb, wie sie sich selbst verwirklichen wollen oder um finanziell unabhängig zu sein oder weil sie das Geld benötigen? Oder hängt ihre extreme Doppelbelastung auch etwas mit “Ansehen“ zusammen? Sicher, für viele gilt, dass sie aus Not arbeiten! Aber gibt es nicht auch viele, die arbeiten, obwohl sie es eben nicht nötig haben? Wie ist es denn mit z.B. den Hochschullehrern in Deutschland, wenn sie nach ihren jahrelangen 60-70 Stunden Wochen endlich den Ruhestand antreten könnten, hören sie dann auf zu arbeiten? Warum haben sie überhaupt so viele Stunden geschuftet, wofür es keinen Zusatzlohn gab? Und wie ist es mit all den Arbeitslosen, wollen die wirklich alle nicht arbeiten, wenn sie nicht müssten? Wie ist es mit einem echten deutschen Meister, der eine schwierige Aufgabe in seinem Fachgebiet lösen soll, arbeitet der wirklich in Form von Dienst nach Vorschrift? Und wie ist es mit dem Ingenieur. Arbeitet der wirklich nur so innovativ, weil er Geld dafür bekommt, oder versucht er ein Problem zu lösen, weil es ihm auch eine gewisse Freude bereitet? Und die Krankenschwester, die sich förmlich zerreißt, übt die ihren Beruf nur aus, weil sie so gut verdient, wo doch viele Putzfrauen heute mehr verdienen? Und wie ist es mit den Putzfrauen in den Nachschichten der Betriebe? Ja, hier muss man zugeben, dass die wohl wirklich aufhören würden zu arbeiten, wenn sie es nicht müssten, wie auch an manch anderer Stelle, aber wäre das nicht dennoch innovativ lösbar?
Ein gewisses Maß an Arbeit muss sicherlich in einem Land geleistet werden, damit der Lebensstand gehalten und ausgebaut werden kann. Wird aber auf Überproduktion, Verschwendung, Lebensmittelvernichtung und künstlichen Konsumbedarf verzichtet und werden allen Menschen (auch den vier Millionen Arbeitslosen) die Chance gegeben, sich einzubringen, dann lastet die Arbeit auf viel weniger Schultern und so muss man viel seltener z.B. Toiletten putzen. Zudem bedeutet Geldlosigkeit nicht “Gleichmacherei“! Alle Menschen erhalten den gleichen Zugang zum Grundbedarf, aber das darüber hinaus gehende richtet sich nach dem Ansehen in der Gesellschaft ausschließlich abhängig vom Dienst an der Gesellschaft. Wer wollte einem Arzt verwehren, einen besseren Wagen zu fahren, als einem einfachen Arbeiter?
Die vereinfachte Frage zu dem gesamten oben sicherlich viel zu sehr vereinfacht dargestellten Komplex ist doch die Folgende: Kann man ohne Geldsystem mindestens das Gleiche erreichen, wie mit einem Geldsystem, dass uns nur betrügt? Derzeit werden in der Welt fünf bis zehn Mal so viele Gelder “gehandelt“ als es Güter und Dienstleistungen gibt. Faktisch heißt das nichts anderes, als dass das Geld, mit dem wir “bezahlen“ eigentlich kaum etwas wert ist! Der “Wert“ beruht auf einer einzigen Manipulation und unserem “Glauben“ an die Manipulation bzw. der Tatsache, dass wir “mitspielen“. Warum sollte ein Betrug aber besser funktionieren als die Aufrichtigkeit?
Wie wäre es, wenn wir die Menschen dann – da es ja kein Geld mehr gibt – nicht danach beurteilen, wie viel Geld sie haben, sondern welchen Dienst sie für die Gesellschaft leisten? Dann wäre z.B. jede Krankenschwester erheblich höher angesehen, als irgendwelche Frauen, die sich vor Kameras ausziehen, um im Geldsystem berühmt zu werden. Und wenn man dafür kein Geld mehr bekommt, wer würde sich dann noch öffentlich ausziehen?
Ansätze für das hier vorgestellte Ideal gibt es bereits in den Regionalgeldsystemen wie auch dem Einsatz für ein Grundgehalt für alle. Sie wirken bisher aber noch sehr partiell.
Obige Utopie der Geldlosigkeit erscheint zugegebenermaßen in der ersten Betrachtung aberwitzig und wahnsinnig! Aber ist das, was wir derzeit in der Welt praktizieren, nicht noch viel wahnsinniger?
Wenn man obigen Traum einmal richtig durchdenkt, wird man feststellen, dass es gar nicht so außergewöhnlicher Wunder im Wirtschaftssystem bedarf, um ein geldloses Wirtschaftssystem aufzubauen, es bedarf lediglich der Läuterung der Menschheit. Wir müssen allesamt die Bereitschaft entwickeln, auch Toiletten zu putzen, selbst wenn wir Regierungspolitiker wären!
Aber dafür bedarf es wohl eines Wunders und nicht nur bei den Regierungspolitikern, sondern bei jedem von uns selbst.