Wenn Glaube und Wissen im Widerspruch zueinander stehen
Die politische Elite der westlichen Welt leidet offenbar unter einer Krankheit, die als Persönlichkeitsspaltung bekannt ist. Dabei ist eine ihrer Persönlichkeiten vom Glauben und die andere vom Wissen geprägt. Da beides nicht bei ihnen miteinander vereinbar ist, steigert sich die Krankheit u.U. bis hin zum Wahn.
Papst Benedikt XVI. hatte einstmals einen Frontalangriff gegen den Islam – ganz im westlichen Sinn und ganz im Sinn von Bush, der beim Papst als Ehrengast empfangen wurde – gestartet. Angeblich wollte er damit einen Dialog der Religionen ankurbeln, in dem über die Vereinbarkeit von Glauben und Wissen (bzw. Wissenschaft) hätte diskutiert werden sollen. Bedauerlicherweise ist es nie ernsthaft dazu gekommen, denn es wäre sicherlich für viele Gläubige der Welt von Interesse gewesen, ob ein Konzept eines enthnisch bevorzugenden Gottes, das Konzept eines dreieinigen Gottes, oder das Konzept eines einheitlichen Gottes der gesamten Menschheit eher mit dem Wissen vereinbar ist.
Die Frage nach der Vereinbarkeit von Glaube und Wissen wird aber oft viel zu begrenzt auf das bezogen, was man allgemein als Religion bezeichnet. Dabei bilden die wirklich praktizierenden und glaubenden Anhänger der monotheistischen Religion in Deutschland inzwischen eine verschwindende Minderheit, selbst wenn man alle drei monotheistischen Religionen zusammen zählen würde. Andere Glaubensformen dominieren das Leben, ohne dass es dem Einzelnen unbedingt bewusst ist, dass jener Glaube, seiner eigentlichen Religion, zu der er glaubt dazu zu gehören, widerspricht.
Zu solchen Glaubensformen gehören nicht nur banale Aberglaubensformeln wie “Daumen Drücken“ und auf Holz klopfen. Vielmehr gehören dazu Glaubensformen wie der Glaube an den Kapitalismus, der Glaube an den Liberalismus bzw. Neoliberalismus, der Glaube an den Sozialismus, der Glaube an die Überlegenheit der Westlichen Welt, der Glaube an die Stärke von Waffen und Kriegen usw. usf., alles Glaubensformen, die sicherlich in vielen wesentlichen Aspekten den monotheistischen Religionen widersprechen.
Aber selbst wenn es keine explizite monotheistische Religion gäbe, haben jene Glaubensformen eine enorme Schwäche: Sie widersprechen dem Verstand, der Vernunft und dem Wissen des Menschen. Es liegt also ein eklatanter Bruch zwischen dem Glauben und dem Wissen in dem Menschen vor, der solch einen Glauben pflegt.
Betrachten wir dazu beispielhaft die Mitglieder der Bundesregierung (es muss nicht die heutige sein) stellvertretend für andere westliche Regierungen.
Sie wissen, dass man mit noch mehr Schulden nicht ein Schuldenproblem lösen kann, aber sie glauben, dass es doch geht. Sie wissen, dass sie die höchste Verschuldung der Bundesrepublik Deutschland bewirkt haben, die höchste Steuererhöhung, den größten Sozialabbau, die größte Umverteilung zu den Reichen hin, die höchste Zahl an Soldaten der Bundesrepublik ins Ausland geschickt haben, und den größten Ansehensverlust für Deutschland außerhalb der westlichen Welt bewirkt haben, aber sie glauben, das war gut so (das gilt übrigens auch für frühere Regierungen, die damals die bestehenden Rekorde gebrochen haben). Sie wissen, dass Israel den Waffenstillstand gebrochen hat (nicht nur dieses Mal), aber sie glauben, dass es die Hamas war (oder früher andere Organisationen). Sie wissen, dass Israel Verbrechen in einem Maß ausführt, die nur dazu führen können, dass die gesamte israelische Elite vor einem Tribunal abgeurteilt werden müsste und mit ihnen all jene Regierungschefs, die sie unterstützt haben, aber sie glauben nicht, dass das jemals geschieht. Sie wissen, dass das Zinssystem einen Systemfehler hat, aber sie glauben, dass es das beste System ist. Sie wissen, dass nicht das Volk sondern die Wirtschaft und Medien die Macht im Land haben, aber sie glauben an Demokratie. Sie wissen, dass man den Freiheitswillen der Völker nicht mit Waffen für immer abtöten kann, aber sie glauben, es gelingt doch. Sie wissen, dass das UN-Sicherheitssystem die manifestierte Ungerechtigkeit ist, aber sie glauben, dass daraus doch Gerechtigkeit entstehen kann. Sie wissen, dass es ohne ein Minimum an Gerechtigkeit weder Frieden noch Freiheit gibt, aber sie glauben, auch ohne Gerechtigkeit auskommen zu können.
Die Multiple Persönlichkeitsstörung (oft verwechselt mit Schizophrenie) ist eine Störung, bei der Wahrnehmung, Erinnerung, und das Erleben der Identität betroffen ist. Sie gilt als die schwerste Form des Defekts der mentalen Integration. Die Patienten bilden zahlreiche unterschiedliche Persönlichkeiten, die abwechselnd die Kontrolle über ihr Verhalten übernehmen. Das Handeln der jeweils “anderen“ Personen wird entweder nicht – oder nur schemenhaft – erinnert oder als das Handeln einer fremden Person erlebt. So ist die Beschreibung der Krankheit.
Hat man bei manchen Politikern nicht genau dieses Gefühl? Entwickeln Politiker nicht mehrere “Persönlichkeiten“, die je nach Situation und Lage mal das eine, dann das andere behaupten, selbst wenn es sich total widerspricht und sich an das frühere Versprechen nie erinnern können? Ein typisches Merkmal dieser Art des Handelns besteht darin, dass man fast alles, was man tut, für ideal geradezu unfehlbar erachtet. Das dürfte eines der Gründe dafür sein, warum Politiker zu der Gruppe von Menschen gehören, die sich am seltensten für begangene Fehler entschuldigen.
So ist es z.B. sehr herzergreifend, wenn eine Dalai-Lama empfangen wird, in dessen Volk angeblich Anhänger schikaniert werden, aber man sich kurze Zeit später mit denen uneingeschränkt verbündet, die mal eben 500 Zivilsten ermorden. Beides wird von physisch gleichen Personen ausgeführt (manchmal sogar von ganzen Räten, die eine Tibet-Flagge während der Olympischen Spiele gehisst haben). Wären sie nicht Politiker bzw. sogar die mächtigsten Personen des Staates, würden solch einer Person wohl Ärzte eine krankhafte Persönlichkeitsspaltung attestieren und ihnen helfen wollen, die Krankheit zu überwinden. Und in den westlichen Regierungen wimmelt es nur von Menschen, die glauben, dass der Gaza-Krieg Frieden bringen könnte. Wohlgemerkt, sie wissen, dass genau das Gegenteil eintreten wird, aber sie glauben an etwas, was ihrem Wissen widerspricht.
Gemäß Experten sind die Folgen von Persönlichkeitsspaltung Depressionen, Angst, psychosomatische Körperbeschwerden, Essstörungen, Suchterkrankungen (wie z.B. erhöhter Alkoholkonsum) und Beziehungsprobleme. Wer käme bei der Aufzählung nicht auf die Idee, dass westliche Politiker hier besonders betroffen zu sein scheinen?
Das Problem eines solchen politischen Wirkens besteht aber nicht “nur“ darin, dass der Glaube und das Wissen dieser Menschen nicht übereinstimmt; das Problem besteht darin, dass solche Art von Menschen bereits den ersten Weltkrieg angezettelt haben, den zweiten Weltkrieg angezettelt haben, Atomwaffen gegen Zivilisten eingesetzt haben, Konzentrationslager gebaut haben, Vietnam angezündet haben, den Jugoslawienkrieg angezettelt haben, Saddam bei seinen Giftgaskriegen unterstützt haben, danach den Irakkrieg angezettelt haben, die Libanonkriege geführt haben, das Gaza-Massaker ausführen und derzeit weitere Kriege vorbereiten bzw. bereits eingeleitet haben, wie z.B. über die Ukraine. Für solche Menschen ist das Drucken von Tausenden von Milliarden an Geldern genau so “nur“ eine bloße Entscheidung, wie das Ermorden von Tausenden. Sie glauben, dass jene Entscheidungen gut seien. Das jeweils anschließende Wissen aller Völker bescheinigt ihnen, dass es ein Verbrechen war; leider ist es dann meist viel zu spät!
Ja, sie glauben dass ein heutiger Waffenstillstand in Gaza das Leid der Menschen vermindern würde, auch wenn kein einziger Verbrecher für alle jene Verbrechen der letzten Wochen zur Rechenschaft gezogen wird. Sie wissen aber, dass das zukünftige Leid nicht nur in Gaza noch viel größer sein wird, so lange jene Verbrecher freie Hand haben!
All jenes Verhalten – mit welcher Persönlichkeit auch immer – ist nur verständlich, wenn man daran glaubt, ewig auf Erden zu leben. Aber jeder weiß, dass das nicht möglich ist. Deswegen müssen sie glauben, dass es keinen Gott, keine Gerechtigkeit und kein ewiges Leben im Jenseits gibt. Denn sollte es Gott doch geben, so wissen sie, werden sie zu den schlimmsten Verbrechern aller Zeiten gesellst werden, aber sie glauben dennoch zu den Guten zu gehören.
Will man Glauben und Wissen vereinbaren, dann muss man an die Wahrheit glauben, an Gerechtigkeit, man muss Frieden und Freiheit in Gerechtigkeit anstreben mit all seinem Wesen und Wissen! Denn man weiß, dass das Streben nach Frieden und Freiheit in Gerechtigkeit das Streben eines jeden gesunden Menschen ist. Bliebe nur noch die Frage, warum man sich von persönlichkeitsgespaltenen Menschen beherrschen lässt?! Es wird Zeit, dass die Menschen, die ihr Herz noch halbwegs gesund gehalten haben, sich verbünden (z.B. morgen auf der Straße gegen die Kriegstreiber und übermorgen bei der Wahl in Hessen durch Abwahl von Kriegstreibern).