Das “Tal der Ahnungslosen“ war zu DDR-Zeiten eine satirische Bezeichnung für eine Region im Südosten der DDR, in der Fernsehempfang aus dem damaligen “Westfernsehen“ auch mit großem Aufwand nicht möglich war. Die Bewohner jenes Gebietes hatten keine Schuld daran, von den Informationen der restlichen Welt abgeschnitten zu sein. Aber die heutigen Bundesbürger können dieses Privileg der Unschuld nicht für sich in Anspruch nehmen, da sie selbst einen erheblichen Anteil daran, haben, dass sie im neuen Tal der wirklich Ahnungslosen über Gaza und Israel leben.
Bei Konflikten in der Welt – selbst wenn sie gegen die westliche Welt gerichtet sind – ist es üblich, dass neben der üblichen westlichen Propaganda auch ab und zu die Gegenstimme zu Wort kommt, allein schon damit man die Überlegenheit des nichtzensierten Westfernsehen behaupten kann. Teilweise brüsten sich die Fernsehanstalten dabei sogar damit, dass ihr Reporten auf lebensgefährlichen Wegen als Erster jenen “Gegner“ interviewen konnte.
Bei dem aktuellen Konflikt kann man sich daher die Frage stellen, wie oft man Vertreter der Hamas im Fernsehen hat reden hören, bzw. wie oft ein westlicher Journalist die Anführer der Hamas interviewt hat. Eine Lebensgefahr für den Journalisten besteht nicht, da einige im Exil in Syrien leben und in den Gaza lässt Israel ohnehin keine Journalisten hinein. Weder hat man jemals die Stimme der Hamas gehört, noch hat man dagegen protestiert, dass Israel die Menschen im Gaza ohne Beobachtung durch deutsche Journalisten abschlachten will.
Bei der “radikalislamischen“ Hamas könnte man sich noch mit dem Argument herausreden, dass das ja aus westlicher Sicht alles Terroristen seien, aber wie ist es dann mit der “gemäßigten“ Fatah? Wie oft hat man denn Sprecher der Fatah zu Wort kommen lassen in den Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten, in denen die israelische Führung nach belieben Propaganda betreiben kann? Die sollen doch angeblich unterstützt werden. Aber auch die durften nicht reden.
Bei der Fatah könnte man sich noch mit dem Argument herausreden, dass sie immerhin Muslime sind, und ohnehin jeder Muslim ein potentieller Terrorist aus westlicher Sicht ist, aber wie ist es dann mit christlichen Palästinensern? Wie oft sind denn christliche Palästinenser in den öffentlich-rechtlichen Anstalten zu Wort gekommen? Für heute Abend war im Fernsehprogramm des Ersten im Rahmen der Talkshow von Anne Will eine Sendung vorgesehen, die sich hauptsächlich mit dem Thema “Gaza“ beschäftigen sollte. Als Gäste eingeladen waren die palästinensische Professorin Sumaya Farhat Naser (eine Christin), der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer, der frühere israelische Botschafter in Deutschland Avi Primor und der Pianist und Dirigent Daniel Barenboim, der sich aktiv für eine israelisch-palästinensische Aussöhnung einsetzt. Die Sendung wurde kurzerhand abgesetzt und Experten haben nicht den geringsten Zweifel, dass jene Absage durch Direktive “von oben“ erfolgte.
Bei christlichen Palästinenserinnen könnte man sich noch mit dem Argument herausreden, dass sie immerhin in Frieden mit Muslimen zusammen leben, und das schon seit Jahrzehnten, so dass auch sie als Sympathisanten potentieller Terroristen einzustufen wären, aber wie ist es dann mit Juden? Gestern hat z.B. der englische Sender BBC den ehemaligen israelischen Hauptmann Schapira live interviewt, und jener Offizier der israelischen Armee hatte das israelische Vorgehen als Verbrechen, Massenmord und Blutbad gebrandmarkt und behauptet, dass die israelische Armee die Palästinenser schlimmer als Tiere behandelt. Warum hören wir im deutschen Fernsehen nie solch eine Stimme? In Deutschland sind zahlreiche Juden unermüdlich damit beschäftigt, dem extrem einseitigen Bild, das der Zentralrat der Juden vermitteln will, entgegen zu wirken. Warum hören wir kein Sterbenswörtchen von jenen antizionistischen Juden?
Bei antizionistischen Juden könnte man sich noch mit dem Argument herausreden, dass sie immerhin gegen die faktische Staatsräson der Bundeskanzlerin agieren, jedes Verbrechen Israels mitzutragen, aber was ist dann mit …. Ja dann bleiben eigentlich nur noch die radikalzionistischen Israelis. Und die kommen wirklich hinreichend zu Wort, daran gibt es keinen Zweifel.
Neben dieser extremen Manipulation ist es aber auch als Tatsache zu werten, dass sich weder Journalisten noch die Bevölkerung ernsthaft dagegen wehren! Will man wieder und wieder und immer wieder auf der Seite des vermeintlich Stärkeren stehen, um am Ende zu erkennen, dass man doch verloren hat, weil man Verbrecher unterstützt hat, die stark schienen? Aber die militärische Stärke geht einher mit einem moralischen Niedergang, der seinesgleichen suchen dürfte.
Probleme durch Schuldenberge sollen durch noch mehr Schulden gelöst werden. Probleme des Werteverlustes sollen durch Doppelzüngigkeit und doppelte Standards behoben werden. Probleme des Friedens sollen mit noch mehr Krieg bekämpft werden. Weltweit ansteigende Wut auf die westliche Welt aufgrund der Brutalität ihrer Soldaten soll durch noch mehr Brutalität niedergeschlagen werden. Probleme der freien Berichterstattung sollen durch extrem einseitige Propaganda behoben werden. Probleme der Besatzung sollen durch noch mehr Besatzung gelöst werden.
Es müssen schon Wahnsinnige sein, die glauben, dass so etwas mittelfristig auch nur den Ansatz von Erfolg versprechen könnte. Während man sich selbst die größtmögliche Inkompetenz in der Politik vorstellen kann, ist die Vorstellung von Wahnsinn an der Spitze der Politik so erschreckend, dass man es weder denken noch hören möchte.
Und so fristet die Bevölkerung in Deutschland deutlicher als je zuvor schweigend im Tal der Ahnungslosen. Und eines Tages wird dann fast jeder behaupten, dass er “eigentlich“ solch ein System weder gewollt noch unterstützt hat. Mag sein, dass er die zukünftigen Generationen betrügen kann, aber sich selber kann man nicht ewig betrügen.