Ich heiße Sakina. Heute ist der 10.Muharram, Aschura, und wir sind in Karbala.
Ich vermute, es ist eine Stunde nach Mittag, ich weiß es nicht genau, aber es kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Vor allem,als mein geliebter Vater in den Kampf gezogen ist. Es ist sehr schwer für mich, hier untätig zu sitzen und die Schreie der Feinde zu hören. Der unerträgliche Lärm der Kämpfe und das Schreien der bestialischen Feinde lassen uns erzittern. Wo das Auge hinschaut: Blut, Staub und der heiße Boden -zu vergleichen mit einem Ofen- unter unseren Füßen. Durst... Durst... wir alle haben einen großen Durst. Unsere Lippen sind so trocken und sehnen sich nur nach Wasser. Durch den Durst kleben unsere Zungen an unseren Gaumen fest. Der Durst hat uns alle erblassen lassen.
Seit gestern werden wir von den Feinden belagert. Yazid hat Zehntausende von Kämpfern, mein Vater Imam Husayn hingegen nur 72 Kämpfer. Seit heute Morgen gehen die Kämpfer meines Vaters nach und nach in die Schlacht, sie kämpfen mit einer beispiellosen Tapferkeit -alleine- gegen die vielen Gegner. Jeder einzelne von ihnen kämpft so tapfer und voller Mut. Sie töten auch viele der Feinde. Aber sie fallen auch alle nacheinander als Märtyrer .
Nun ist mein Vater allein, allein gegen so viele Feinde.
Wenn unsere Zelte doch bloß nicht so weit vom Schlachtfeld entfernt wären. Wenn ich meinem Vater beim Kämpfen doch bloß zusehen könnte. Würde er mir doch bloß die Erlaubnis geben, immer bei ihm zu sein. Ist es denn möglich, dass ein kleines Mädchen, wie ich es bin, die Kämpfe ihres Vaters gegen so viele Feinde mit ansehen kann, ohne sich zu grämen? Das Einzige, was ich von hier mitbekomme, ist die dicke Staubwolke, welche entstanden ist. Fürchterliches Geschrei und Lärm betäuben unsere Ohren. Es ist unmöglich zu erfahren, was dort geschieht. Gestern sah ich meinem Vater seine Erschöpfung an. Tausende Menschen aus Kufa und anderen Städten haben meinem Vater geschrieben, ihn gebeten, sie von Yazid zu befreien und ihre Hilfe beim Kampf versprochen. Doch nur 72 Männer standen meinem Vater zur Seite. Diese 72 Kämpfer sind so wertvoll. Mein Vater sprach zu ihnen: “Ihr seit die besten in der Umgebung. Ihr seit die besten Gefährten, die ich habe, ich habe nie solche opferbereite Menschen gesehen. Keinem wurden solche Freunde zuteil.” Als diese wertvollen Menschen Märtyrer wurden, haben wir alle geweint, mit Ausnahme von meinem Vater, er war nicht erschüttert. Als mein Bruder Ali Akbar getroffen wurde und von seinem Pferd stürzte, stach es in unseren Herzen, doch mein Vater war wieder felsenfest überzeugt und nicht erschüttert. Und auch als mein kleiner Bruder Ali Asghar in den armen meines Vaters von einem Pfeil in sein Hals getroffen wurde, weinten wir alle bitterlich, doch mein Vater blieb standhaft. Doch als unser Fahnenträger, der Beschützer unserer Zelte, der Wasserträger von Karbala, mein geliebter Onkel Abal Fazl Abbas vom Pferd fiel und die Feinde seinen Körper zerstückelten, verstand mein Vater erneut seine Geduld zu bewahren, doch wir alle spürten diesmal seine tiefe Betroffenheit. Sein Gang war vor Trauer nicht mehr aufrecht. Seine Augen waren voller Tränen. Er führte seine Hand zu seinem Kreuz und sprach: “Mein Abbas, mein geliebter Bruder, durch dein Gehen bricht mein Rückrat.” Nach und nach fielen alle 72 Gefährten meines Vater vor seinen Augen, so bereitete sich mein Vater auf den Kampf vor. Kurz bevor er ging, ließ er die Frauen und Kinder versammeln und sprach mit einer gefassten Stimme: “Nun bereitet euch auf das Unheil und die Katastrophe vor. Ihr sollt wissen, dass Allahu Ta´ala euch beschützen wird. In Kürze wird Er euch vor der Boshaftigkeit der Feinde befreien, euer Ende wird erfreulich sein. Allahu Ta´ala wird euren Unterdrückern unterschiedliche Strafen zukommen lassen. “Allah wird euch für euer ertragenes Leid Segen und Wunder geben. Deshalb hütet euch davor auch zu beschweren, saget nichts, was eure Würde und euren Wert verminden wird, habt Geduld!”
Als wir dieses hörten, wussten wir, das mein Vater ein Märtyrer wird.
Ich sprach: “ Oh Vater, hast du dich dem Tod ergeben?” so fing ich an zu weinen. Eine tiefe Trauer überwältigte mich von Kopf bis Fuß. Ich wollte meine Ungeduld, Trauer und Tränen nicht zeigen; doch es gelang mir nicht, es war ja nicht in meiner Hand. Zumal doch jeder mindestens so trauerte und litt, wie ich es tat. Obwohl Tante Zaynab gelassener war, versuchte sie diesmal uns zu trösten und andererseits wischte sie still ihre Tränen weg.
Während mein Vater mich fest umarmte und mich an seine Brust drückte, sprach er: “Mein Kindchen, wie soll sich jemand der keine Helfer mehr hat, sich nicht dem Tod ergeben?” Nun hatte ich mein Schluchzen nicht mehr unter Kontrolle und weinte bitterlich. “Oh geliebter Vater”, ich umarmte ihn mit meiner ganzen Kraft,“wem vertraust du uns an, wenn du jetzt gehst?” Mit seinen Händen und Lippen wischte er meine Tränen, nach dem er meine feuchten Wimpern küsste “ALLAH... ich vertraue euch alle Allah an. Seiner Gnade und Barmherzigkeit. Vergesst nicht, Allahu Ta'ala ist im Diesseits und Jenseits immer mit euch." Ich habe den Worten meines Vaters zugehört, mich nicht beschwert und mich davor gehütet Allah gegenüber undankbar zu sein. Trotzdessen habe ich geweint, ich schaffte es nicht, meine Tränen zurückzuhalten. Ist es denn möglich, nicht zu weinen? Mein Vater ist der beste Vater der Welt, wenn mein geliebter einzigartiger Vater in den Kampf zieht -ohne Helfer- und gegen zehntausende Feinde alleine kämpft, wie soll ich da nicht weinen?
Mein Vater hat sich von jedem verabschiedet und auch von den Kindern. Auch Tante Zaynab hat er etwas gesagt, doch wir haben das nicht verstanden. Dann bat er meine Tante, ihm ein altes Hemd zu bringen. Wir alle waren sehr erstaunt darüber und fragten nach. “Meine Feinde sind feige Schufte, nach meinem Tod werden sie sogar meine Kleidung ausziehen und zerfetzen, damit nach meinem Märtyrum mein Körper bedeckt bleiben soll, ziehe ich unter meiner Kleidung etwas altes an.
Mein Vater bereitete sich wie für einen ganz besonderen Anlass vor, wie zu einem sehr wichtigen Besuch. Er hat die lockere Stelle seiner Rüstung befestigt, sich sein Schwert umgehangen und seinen Gürtel gut befestigt. Sein Schweiß in seinem Gesicht hat er mit der Spitze seines Turbans getrocknet. Seinen Bart, welches nahezu ergraut, überstrich er mit sorgfalt.
Und... er machte den ersten Schritt, um zu gehen. Um einen noch nie dagewesenen Sturm loszureißen, ging er mit schnellen Schritten zu seinem Pferd, seine Erhabenheit und sein Wille ließen die Berge erneiden. Er war auf dem Weg zu seinen Feinden, die mit einem unerträglichen Lärm auf ihn warteten.
Niemand und keine Kraft hätten ihn von seiner festen Entschlossenheit abbringen können. Würde er nicht losgehen, würden Yazids Truppen hierherkommen und die Zelte angreifen. Also ist es das Beste, er zieht mit Ehre und Entschlossenheit, in einer mutigen Art und Weise los. Ihn von dieser festen Entschlossenheit abzubringen wäre unmöglich. Denn er persönlich sagte uns, dass er schon viel früher wusste, dass er den Märtyrertod erleiden würde. Nur durch seinen Tod wird der wahre Islam fortbestehen. “Vater gehe nicht!” “Onkel gehe nicht!” “Bruder gehe nicht!”, keine konnte ihm diese Worte sagen.
Denn er war der Imam, jeder wusste dass der Imam alles nach Allahs Zufriedenheit tat. Trotzdessen wollte jeder, auch wenn es nur einen Augenblick lang war, ihn ein wenig mehr ansehen, zuhören... Wir alle fühlten uns, als ob wir uns seit langer Zeit nach ein bisschen mehr Reden sehnten.
In diesem Moment versuchte meine Tante Zaynab ihr Schluchzen zu unterbrechen. “Bruder!... Sei nicht so eilig, ja?” Mein Vater drehte sich langsam um, er schaute noch einmal mit Güte zu den Frauen und Kindern hin, die voller Tränen, leidvoll, beunruhigt, durstig und ängstlich ihn beobachteten. Jeder an seiner Stelle würde seine Schritte verlangsamen und zweifeln, bei dem Anblick der kleinen Kinder, deren Schluchzen einem das Herz zerbricht. Jeder an seiner Stelle würde bei diesem Anblick verzweifeln, jeder würde halten. Doch beim Imam meines Vaters, bei seinen willensstarken und entschlossenen Schritten war keine Schwäche zu sehen. Er zweifelte nicht mal für einen Moment. Mit einer liebevollen und gütigen Handbewegung hat er uns gewunken und schritt mit der gleichen Entschlossenenheit zu seinem Pferd.
Diesen Vater würde ich einigen Minuten verlieren und dann werde ich fortan immer eine Waise sein, mir reichte dieser Abschied nicht aus. Ich konnte mich nicht zurückhalten, ich lief ohne das Wissen meines Vaters zum Pferd. Mein Vater sprang mit einem festen Willen auf das Pferd. Er wollte los... doch das Pferd rührte sich nicht von der Stelle... denn ich umarmte die Hinterbeine mit meiner ganzen Kraft, innerlich flehte ich ihn an “Bitte gehe nicht”. Das Pferd schaute in meine Augen, als es sah wie ich weinte, weinte es leise mit mir. Das Stehen des Pferdes erstaunte meinen Vater sehr. Als er dann sah wie fest ich die Beine des Pferdes umarmte, nahm seine Verwunderung erneut zu.
Er stieg von seinem Pferd ab und drückte mich an seine Brust, er wischte meine Tränen: “Mein Töchterlein! Mein Liebling! Mein Schatz!” Während ich mein Schluchzen nicht halten konnte: “Vater! Als Onkel Muslim ein Märtyrer wurde, hast du seine verwaiste Tochter mit Güte an dich gedrückt und ihre Haare gestreichelt... Wenn du gehst.. und ich verwaise... wer wird dann mich umarmen und mir meine Haare streicheln?” Die Augen meines Vaters liefen mit Tränen voll, als ob er weinen wolle, ich zerbrach ihm sein Herz, mit Güte schaute er mir in die Augen: “Meine Sakina, meine liebe Tochter, weine nicht, wenn ich ein Märtyrer werde, wirst du sowieso weinen. Doch jetzt bin ich am Leben, meine Seele ist in meinem Körper, so zerbrich mir mit deinen Worten nicht das Herz, ja? Oh ja mein Kindlein, oh süßeste Sakina der Welt, mein Schatz, mit meinem Gehen, mit meinem Märtyrum, hast du das meiste Recht zu weinen!”
Es wäre unmöglich, ich weiß... Doch ich weiß nicht weshalb ich das sagte. “Geliebter Vater, bring mich nach Madina, neben den Grab meines Großvaters (saa)!”
Mein Vater blickte zu den Feinden: “Du siehst, das ist unmöglich!”
Das wilde Gebrüll der Feinde, ihr Durst nach Blut wurde immer lauter. Mein Vater musste zum Kampf aufbrechen.
Ich spürte noch immer die Wärme der vor Durst getrockneten Lippen meines Vaters an meinen Wangen, in dem Moment sah ich, dass mein Vater blitzschnell mit seinem Pferd davon ritt.
Vom Schlachtfeld aus erreichten und angsteinjagende Schreie, das Wiehern der Pferde und das Klirren der Schwerter unsere Ohren. Wir stehen mit angehaltenem Atem vor unseren Zelten, nicht nur ich, sondern alle Frauen und Kinder zittern vor Angst, wir alle haben Angst.
Oh nein, gehört dieses Pferd mit blutüberströmter Mähne ohne Reiter, das blitzschnell zu uns kommt, wirklich meinem Vater?
Oh ALLAH!
Mein Vater ?
Wem gehören die rotangelaufenen weinenden Augen? Und das Stöhnen? Mir? Rukaya? Oder Fatima? Ich weiß es nicht.
MashaAllah! Man stelle sich vor, heute haben wir auch tausende solche Geschichten und seid Samstag leider noch mehr!! geht es uns gut. Lasst uns nicht tatanlos zusehen.
danke, ich möchte noch sagen es gibt ein türkisches Buch vom gleichen Autor, in diesem erzählt das Pferd von Ali Akbar seiner Mutter die Geschichte von Kerbela, auch sehr schön geschrieben. Das Buch heißt: "Kerbela'da Peygamberin Ati" (zu Deutsch: Das Pferd vom Propheten in Kerbala) hier als onlinenuch zu lesen: http://www.caferilik.com/kutupha...ati/0-2.htm