Nur ein sachlicher Einsatz kann den Terror besiegen
Es ist schwer in solch einer Stunde klaren Kopf zu bewahren und sachlich zu argumentieren, in der mindestens 100 Menschen Opfer eines brutalen Terroranschlages in Indien geworden sind und 250 Menschen verletzt wurden, wie es die Medien bisher berichten. Und alle friedliebenden Menschen dieser unserer Erde haben Mitgefühl mit den Familien der Opfer. Möge der allmächtige Schöpfer aller Menschen ihnen beistehen.
Es ist zwar nicht das erste Mal, dass Terroristen Indien heimsuchen, aber es dürfte eines der verheerendsten Anschläge sein, zumal die Opferzahlen erfahrungsgemäß noch steigen und die Lage noch gar nicht unter Kontrolle ist. Gleich mehrere Gruppen schwer bewaffneter Terroristen sollen gemäß Medienberichten am Mittwochabend wild um sich schießend unter anderem zwei Luxushotels, ein beliebtes Restaurant, mindestens ein Krankenhaus und einen Bahnhof in Mumbai gestürmt haben. Allein die Kombination der gewählten mindestens zehn verschiedenen Anschlagsziele verdeutlicht, dass hier eine größtmögliche Brutalität angewandt wurde. Bewaffnete auf einem Pick-up sollen auch während der Fahrt durch das Stadtzentrum in Menschenmengen geschossen haben. Eine bislang unbekannte Gruppe namens “Deccan Mujahideen“ soll sich in E-Mails an indische Medien zu den Terroranschlägen bekannt haben. Unter den über 100 Opfern sollen drei ranghohe Polizisten, darunter der Chef einer Antiterroreinheit, sein. Unter den Opfern sind Hindus, Muslime, Christen. Unter den Opfern sind Inder und Ausländer. In einem der angegriffenen Hotels soll eine europäische Parlamentariergruppe gewohnt haben. Auch ein jüdischer Rabbi und seine Familie sollen von den Angreifern als Geiseln genommen worden sein, wobei unklar blieb, ob es sich um einen indischen Juden handelt oder einen Ausländer. Die Familie werde nach Angaben eines Sprechers des jüdischen Verbandes von Indien in einem Wohngebäude im Süden der Stadt als Geiseln festgehalten. In Telefongesprächen mit indischen Fernsehsendern sollen die Terroristen laut Medienberichten pauschal die Freilassung aller in Indien inhaftierten “Islamisten“ gefordert haben, wobei kaum vorstellbar ist, dass sie jenen Begriff verwendeten.
So weit das Szenario, dass bisher vorliegt, und es dürfte – Gott bewahre – am Ende noch viel schlimmer kommen. Will man wirklich einen Weg raus aus dieser Terrorbedrohung finden, müssen die Verbrecher wie auch ihre potentiellen Hintermänner sachlich analysiert und mit aller staatlicher Gewalt bekämpft werden, daran gibt es keinen Zweifel! Doch wenn man aufgrund von Unsachlichkeit die Falschen bekämpfen sollte, dann würde man dem Terror Vorschub leisten und die Lage nur noch verschlimmern. Ansätze zu Letztgenanntem sind aber aus der Medienberichterstattung deutlich zu erkennen. So wird zwar die muslimische Identität der Terroristen immer wieder hervorgehoben, nicht aber diejenige der Opfer, unter denen sich ebenfalls Muslime befinden.
Tatsache dürfte sein, dass die Terroristen extrem fanatisierte Muslime waren bzw. sind. Kein bezahlter Geheimdienstagent der Welt würde sich in solch ein Szenario wagen, bei dem von vornherein feststeht, dass man kaum lebend herauskommt. Der eine oder andere gläubige und praktizierende Muslim wird jetzt möglicherweise widersprochen und behaupten, dass man solche Leute nicht zu Muslimen zählen darf, aber das sind theologische Feinheiten, die an dieser Stelle nicht weiterhelfen. Es sind fanatisierte Menschen aus einem muslimischen Umfeld, und es gilt die Ursachen zu ergründen, wie es dazu kommen konnte, dass jene Menschen solche Verbrechen begehen und was man dagegen tun kann.
Immerhin hat nunmehr fast acht Jahre massiver Antiterrorkampf nicht zu einer Eindämmung geführt, so dass Tausende von weltweit hoch bezahlten Analysten und Experten offenbar nicht die richtigen Mittel finden. Wer aber auch nur ein einziges Mal ein indisches Slumgebiet mit eigenen Augen gesehen hat (als Tourist übersieht man so etwas viel zu gerne), der kann sich gut vorstellen, dass in jenen Slums sehr leicht völlig ungebildete Menschen zu finden sind, die für jede denkbare und undenkbare Ideologie der Welt zu fanatisieren sind. In diesem Fall waren es also Muslime, und sie erhielten eine Reihe von mörderischen Waffen und einen Auftrag zu einer bestimmten Zeit an bestimmen Orten bestimmte Verbrechen zu verüben.
Wir wissen nicht, womit sie geködert wurden und was die Beweggründe der einzelnen Verbrecher waren, aber wir wissen, dass solche eine koordinierte Aktion mit so vielen Waffen ohne “Hintermänner“ nicht zu realisieren ist. Allein für das Versenden von E-Mails im Namen einer Neuen Organisation, die zuvor nie in Erscheinung getreten ist, bedarf Personen, die nicht an den Anschlägen teilnahmen. Das Phänomen der “neuen Organisation“ bei jedem Anschlag erschwert ohnehin die Zuordnung.
In der westlichen Mehrheitsmeinung ist sofort klar, dass hier fanatisierte “Islamisten“, welche die Weltherrschaft anstreben, einen weiteren Anschlag in ihrem blutrünstigen Weg verübt haben, und für so genannte Verschwörungstheoretikern ist sofort klar, dass der CIA oder Mossad dahinter steckt. Beide Seiten haben verständlicherweise bei der vorliegenden Nachrichtenlage keinerlei Beweise. Warum aber gibt es keine sachliche Betrachtung von vernünftigen Menschen, die alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen und Maßnahmen ergreifen, die beide Szenarien verhindern?
Nehmen wir also einmal an, dass es sich bei den Hintermännern (und nur um die geht es hier, da sie die größere Gefahr darstellen) um “Islamisten“ handelt. Dann wäre es von großer Bedeutung, jene Verbrecher mit dem Islam zu besiegen! Keine noch so antiislamisch orientierte Argumentation hätte ähnliche Erfolgsaussichten wie der Widerstand des Islam und der Muslime. Hier stößt man aber auf Hindernisse in der westlichen Welt, da offenbar der gemeinsame Einsatz gegen Terrorismus und Unrecht gar nicht erwünscht ist. Das Problem soll am exemplarischen Fall Deutschlands diskutiert werden:
Warum stellt z.B. die Bundesregierung in ihren so genannten Islamkonferenzen nicht ein Erklärungsmodell auf, dass man gemeinsam Terrorismus jeglicher Farbe, Herkunft, Religion und Organisation entschieden ablehnt? Fast alle Muslime des Landes, einschließlich derjenigen, die man vom Verfassungsschutz aus beobachtet, würden sich diesem Aufruf anschließen und die wenigen (falls es sie überhaupt gibt), die sich nicht anschließen, wären entlarvt! Warum stellt man nicht Prinzipien und Werte auf, die gemeinsam vertreten werden sollen? Z.B. könnte man die gezielte Tötung von Zivilisten und die fahrlässige Inkaufnahme der Tötung grundsätzlich als Verbrechen brandmarken, gemeinsam und friedenspolitisch konsequent! Wer sollte sich solch einem Aufruf entziehen? Alle Muslime, Christen und Juden des Landes, wie auch Andersgläubige könnten sich dazu bekennen, und jeder potentielle Terrorist im Land wäre noch lange vor seinem Anschlag bloßgestellt! Auch würden sich alle Muslime des Landes dazu verpflichtet fühlen, ihre Heimat und ihre Regierung (selbst wenn sie mit ihr in politischen Detailfragen nicht übereinstimmen) noch mehr zu schützen, als sie es ohnehin tun. Noch wichtiger aber wäre, dass jene konsequente Haltung einen Zugang zu potentiell fanatisierbaren Menschen ermöglichen würde, um sie von Verbrechen abzuhalten.
Aber wie sieht die Realität aus? Der Terroranschlag mit 100 getöteten Zivilisten wird zu Recht aufs schärfste verurteilt. Die völkerrechtswidrige Besatzung eines Landes, wie dem Irak, mit einer Million ziviler Opfer wird dagegen nicht nur hingenommen sondern auch noch verbal unterstützt! Der Einmarsch Israels im Libanon, bei dem die gesamte zivile Infrastruktur des Landes in Schutt und Asche gelegt wurde und 1500 zumeist Zivilisten getötet wurden, wird mitgetragen, aber der Widerstand der Hizbullah gegen den Einmarsch mit 150 Toten auf israelischer Seite (die allermeisten davon Soldaten) wird als Terrorismus gebrandmarkt. Die zumindest staatlich geächtete aber immer noch bestehende Folter in manche türkischen Gefängnissen wird verurteilt aber die staatlich geförderte und öffentlich vorgeführte Massenkäfighaltung von Menschen in Guantanamo mit ausschließlich Folteropfern wird hingenommen ohne jeglichen offiziellen Protest. Warum setzt man sich nicht z.B. für ein gleichberechtigtes Miteinander von Juden, Christen und Muslimen in aller Welt ein? Warum soll jene Gleichberechtigung in einigen muslimischen Ländern durchgesetzt werden, nicht aber in Israel? Warum setzt man sich gemeinsam für eine atomwaffenfreie Welt ein? Warum dürfen einige muslimische Länder selbst unter Kontrolle der Atomenergiebehörde (IAEO) nicht einmal zu friedlichen Zwecken Atomenergie nutzen, während es anderen vorbehalten ist auch ohne Kontrolle der IAEO so viele Atomwaffen zu produzieren, wie sie wünschen? Die Liste solcher Beispiele ist hinreichend bekannt.
Würde man sich also auf gemeinsame Werte einigen – und das sollte unter vernünftigen Menschen möglich sein – könnte man jenen “Islamisten“ jegliche Basis, jegliche Unterstützung, jegliche Sympathie und jegliche Zukunftsperspektive nehmen. Selbst die propagierte “jenseitige“ Zukunftsperspektive könnte man ihnen nehmen, wenn westliche “Experten“ nicht so viel von angeblichen Jungfrauen im Paradies schwafeln würden. Jenes Märchen aus 1001 Nacht hat für bewusste praktizierende Muslime nie ein Motiv ihres Handelns dargestellt. So lange aber die imperiale Welt keine gemeinsamen Standards mit gemeinsamen Rechten für das Handeln in der Welt auch seinem Gegenüber gewährt, so lange westliches Handeln auf Ungerechtigkeit basiert, so lange haben muslimische Verbände und Organisationen gar keine Chance an jene Fanatiker heranzukommen und sie von Anschlägen abzuhalten! Dazu wieder der Blick auf Deutschland: Es gibt hier keinen einzigen muslimischen Spritzenverband, der sich nicht in aller Entschiedenheit gegen Terrorismus gestellt hat. Weil aber einige der Verbände sich auch gegen den Staatsterrorismus der USA im Irak und Afghanistan und den Staatsterrorismus Israels in Palästina äußern, wollen viele Massenmedien wie auch die Bundesregierung dieses konsequente Bekenntnis gegen Terrorismus nicht mitragen. Und so können wahre Terroristen (muslimisch oder nicht) immer wieder darauf verweisen, dass sie gegen ein Unrechtssystem kämpfen würden und finden für diese irrsinnige Schlussfolgerung auch Sympathisanten unter manchen Unterdrückten der Welt. Der Hinweis, dass Muslime dennoch keinen Terror ausüben dürfen und nicht das Verhalten der Westlichen Welt Maßstab für das muslimische Verhalten sein darf, ist zwar islamisch-theologisch begründbar, aber jene Stimme, die das glaubhaft begründen könnte, wird ja nicht zugelassen, da sie sich auch gegen die Verbrechen der USA und Israels wendet.
So weit die Betrachtung für den Fall, dass es sich um verbrecherische muslimische Hintermänner handelt. Aber auch für den Fall, dass es sich bei den Hintermännern um Führungsoffiziere des CIA oder Mossad handelt, die ein Interesse an “muslimischen Terroristen“ in der Welt haben, um den permanenten Spannungszustand aufrecht erhalten und den “Krieg gegen Terror“ unbegrenzt fortsetzen zu können, würde sich an obiger Argumentation kaum etwas ändern! In dem Moment, in dem man gemeinsam mit Muslimen und konsequent, und nicht auf dem westlichen Auge blind, gegen Terrorismus vorgeht, wird den Terroristen die Basis ihres Handelns entzogen! Kein Deutscher würde dann denken, dass ein Muslim im Land mit jenen Verbrechern in Indien sympathisieren würde, und dadurch würde auch die innere Sicherheit Deutschlands erheblich gestärkt! Hasspredigern auf muslimischer Seite, die einen falsch verstandenen Dhschihad propagieren wäre genau so der Argumentationsboden entzogen, wie Hasspredigern, die mehr oder weniger behaupten, dass Muslime ihrem glauben abschwören müssten, um in Deutschland leben zu dürfen. Und was hier am exemplarischen Beispiel Deutschland dargestellt wurde, kann mit gewissen regionalen Besonderheiten auf alle Länder der Welt übertragen werden.
Die Terroristen von Indien haben die Ziele ihrer Hintermänner bereits erreicht, diese Welt noch unfriedlicher zu gestalten, als sie es ohnehin schon ist. Wir können gemeinsam dafür eintreten, dass sie wieder friedlicher wird, indem wir uns konsequent gegen Ungerechtigkeit stellen. Dabei darf es in Deutschland keine Staatsräson geben, die Ungerechtigkeit fördert und Unterdrückung bewirkt! Nur in einer Gerechtigkeit anstrebenden Welt kann Frieden möglich sein. Ohne Gerechtigkeit aber wird es niemals Frieden geben, weder in den Slums Indiens, noch im Irak oder Afghanistan, noch in den besetzten Gebieten Palästinas, noch irgendwo in dieser Welt.
Auf die Verbrechen in Indien haben wir wenig Einfluss. Wir müssen aber unsere Heimat Deutschland vor derartigen Verbrechen schützen helfen. Und das ist möglich, wenn wir uns gemeinsam, Juden, Christen, Muslime und Andersgläubige, gegen jede Art von Terror bekennen! Von den muslimischen Vereinigungen und Verbänden in Deutschland ist bekannt, dass sie dazu bereit sind, dieses Bekenntnis immer und immer wieder zu wiederholen und ihren bestmöglichen Beitrag dazu zu leisten, dass das Land geschützt wird. Von der Bundesregierung, großen Teilen der Medien, manchen Kirchen und jüdischen Verbänden aber ist bisher nicht bekannt, ob sie bereit sind, sich nicht nur gegen den Terror im missbrauchten Namen des Islam, sondern genau so deutlich auch gegen den Terror im missbrauchten Namen des Christentums und den Terror im missbrauchten Namen des Judentums zu stellen. Das aber wäre ein sachlicher und wohl der effektivste Einsatz gegen den weltweiten Terrorismus!