Erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist gegen einen ausländischen TV-Sender ein Verbot erlassen worden, ohne jeglichen Gerichtsbeschluss, ohne jegliche Anhörung, ohne jegliche Verteidigungsmöglichkeit, ohne jegliche Rechtsbelehrung und ohne jegliche rechtliche Basis im internationalen Bereich und mit zweifelhafter Basis im nationalen Bereich.
Wie im Bundesanzeiger Ausgabe Nr. 171 vom 11. November 2008 nachzulesen, wurde ein “Vereinsverbot gegen Al-Manar TV“ im Libanon erlassen. Der Erlass ist gültig seit dem 29. Oktober 2008. Da es sich um einen Fernsehsender im Libanon handelt, der der Hizbullah nahe steht, hat der zionistisch orientierte Teil der Presse gejubelt und der Rest der Hofberichterstattung zu diesem auch aus deutscher Sicht durchaus prekären Fall mehr oder weniger geschwiegen, zumal das Bundesinnenministerium anscheinend nicht einmal eine Presseerklärung zum Verbotsfall herausgegeben hat.
Al-Manar ist ein Sender, in dem zu ca. 80% religiöse Inhalte gesendet werden und 20% politische, die sich zumeist auf den Konflikt des Libanon mit Israel beziehen. Sicherlich entspricht die dort dargestellte Sicht hinsichtlich Zionismus und Israel nicht den Vorstellungen der Bundesregierung. Und dass dort zuweilen auch eine undifferenzierte Vermischung der Begrifflichkeiten gegenüber Juden erfolgen kann, sei hier nicht in Abrede gestellt. Aber genügt das bereits für ein Vereinsverbot eines gesamten ausländischen TV-Senders?
Zunächst wird hier offensichtlich erstmals der neue potentiell totalitäre Charakter der Anwendung des Vereinsrechts deutlich. Im Vereinsgesetz (2. Abschnitt - Verbot von Vereinen) heißt es im §2: „(1) Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. (2) Vereine im Sinne dieses Gesetzes sind nicht 1. politische Parteien im Sinne des Artikels 21 des Grundgesetzes, 2. Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder.“
Liest man obige Definition eines Vereins mehrfach und betrachtet die aktuelle Anwendung, dann kann der Innenminister im Prinzip alles und jeden ohne jeglichen Gerichtsbeschluss verbieten. Und würde er die gleichen Maßstäbe auch nur halbwegs gerecht weltweit anwenden, dann hätte er CNN und jegliche zionistische Privatsender schon längst verbieten müssen! Schließlich hat CNN aktiv für den völkerrechtswidrigen Angriff auf den Iraq geworben, und manche zionistische Sender werben noch heute für Großisrael. Eine derart einseitige Vorgehensweise gepaart mit einer solch frei auslegbaren Machtfülle zum Verbot ist für die zukünftige Entwicklung eines Rechtsstaates als durchaus bedrohlich anzusehen; insbesondere wenn man sieht, wie das Gesetz hier exemplarisch angewandt wurde.
Al-Manar dürfte wohl der erste “Verein“ im Sinn des Vereinsrechts sein, der in Deutschland überhaupt nicht tätig ist, der dennoch von einem Bundesinnenminister verboten wurde. Allerdings wurden dabei möglicherweise einige eigene Rechtsgrundsätze und Verordnungen nicht so ganz ernst genommen. So heißt es in § 3 (4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur … abzufassen, zu begründen und dem Verein … zuzustellen.“ Bei Al-Manar ist nach vorliegenden Recherchen solch eine Verbotsverfügung vom deutschen Innenministerium bisher nicht eingegangen, weder direkt noch indirekt über den Botschafter.
Noch interessanter wird es, wenn man einen anderen Paragraphen des Vereinsrechts liest. In 3 (1) heißt es: „… in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung …“ Wenn sich also der Bundesinnenminister an sein eigenes Recht gehalten hat, dann hat er Al-Manar eine Verfügung zukommen lassen, in dem er die Auflösung von Al-Manar anordnet und die Beschlagnahme des Vereinsvermögens usw…
Aus den Medien wird deutlich, dass das Verbot mit keinerlei sogenannten Exekutivmaßnahmen, wie Durchsuchungen oder Abhöraktionen in Deutschland verbunden ist, da der Sender in Deutschland weder über Büros noch Mitarbeiter verfügt. Hier gibt wiederum das Vereinsgesetz Auskunft, in dem es im 4. Abschnitt § 18 zum räumlichen Geltungsbereich von Vereinsverboten heißt: „Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.“ Da Al-Manar aber in Deutschland noch nicht einmal irgendwelche Tätigkeiten aufweisen kann, stellt sich durchaus die Frage, wogegen sich das Verbot denn eigentlich richtet?
Das Verbot richtete sich wohl vor allem gegen muslimische Vereine in Deutschland, die z.B. in ihren Vereinsräumen Al-Manar TV gezeigt haben. Ihnen ist es offenbar ab sofort verboten, das weiterhin zu praktizieren, völlig unabhängig davon, ob es sich um eine religiöse Sendung handelt oder gar eine wissenschaftliche, denn der Sender bringt auch viele Naturdokumentarserien. Noch dürfte das private Einschalten des Senders ungestraft bleiben, aber wer weiß, wie lange noch. Einige muslimische Vereine in Deutschland (die nicht genannt werden mögen) mussten in den letzten Wochen bereits Unterlassungserklärungen mit allen möglichen Androhungen bei Nichtunterzeichnung abgeben, dass sie den Sender in ihren Vereinsräumen nicht mehr zeigen werden. Selbst nicht zu beanstandende Sendungen des Senders sind verboten; eine höchst interessante Form der angeblichen Meinungsfreiheit; Schließlich heißt es im §14 des Ausländergesetzes, dass ein Ausländerverein verboten werden kann, der „Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange unterstützt, befürwortet oder hervorrufen soll“. Bisher wurde noch keine einzige zionistische Siedlerorganisation von einem deutschen Innenminister verboten, die nicht nur bei Befürwortung, sondern bei Anwendung von Gewalt Menschen vertreibt.
Die deutsche Maßnahme ist gleich aus mehreren Gründen erstaunlich, da hier zum Einen Deutschland offensichtlich einen Alleingang gegen andere europäische Länder praktiziert hat und zum Anderen das Vereinsrecht durch den Innenminister für politische Zwecke missbraucht wurde, wohingegen der Schutz der Bevölkerung vor echten, aber zu verhindernden Gefahren im Internet wie z.B. Kinderpornographie rechtlich immer noch nicht möglich zu sein. Warum bedarf es eigentlich für jene “Vereinigungen“ neuer Gesetze, wenn der Bundesinnenminister gleich einen ganzen ausländischen Sender mit bis zu 30 Millionen Zuschauern verbieten kann aber keine Internetseite für Deutschland abschalten darf?
Das Gefährliche an der Situation besteht darin, dass einmal mehr der Innenminister ganz offenbar das eigene Recht zumindest stark strapaziert, aber im ganzen Land sich keine einzige Stimme dagegen erhebt oder kritisch nachfragt. Das ist viel gefährlicher als das Verbot selbst, denn morgen wird es konsequenterweise jene erwischen, die heute so schweigsam sind.
Zudem scheint das Bundesinnenministerium keine Ahnung zu haben, welche konstruktiven Wege andere europäische Länder gehen und damit zunehmend erfolgreich sind; jedenfalls viel erfolgreicher, als Deutschland mit seiner Konfrontationspolitik. So hat Spanien erst jüngst die Vertreter der bekanntesten Internetseiten Europas auf Staatskosten zu einer Konferenz nach Madrid eingeladen. Gleich mehrere der spanischen Konferenzleiter, die gleichzeitig Ansprechpartner für die Regierung und von Muslimen wie auch Christen respektierte und praktizierende spanischstämmiger Muslime sind, arbeiten (ganz offiziell) im Nebenjob für Al-Manar in Spanien! Der spanische Regierungsvertreter erläutert während der Konferenz den Kurs der Regierung damit, dass man durch den Weg der Kooperation sich mehr Erfolg verspricht als durch den Weg der Konfrontation, der niemandem im Land nützt. Wie wahr; und das gilt nicht nur für Spanien! Ähnliche Konstellationen gibt es in Griechenland, Irland, Bosnien und selbst England fährt zumindest innenpolitisch einen nicht halb so extremen Konfrontationskurs, wie es die Bundesregierung tut.
Es sei an dieser Stelle vermerkt, dass es jenes Schäuble-Verbot gegen Al-Manar in keinem einzigen anderen europäischen Land gibt, nicht einmal in England, das im Irak einmarschiert ist und auch nicht in Frankreich, das immerhin die Sendung über die eigenen Satelliten eingestellt hat. Alle anderen europäischen Länder wollen diese Nische einer vor allem gegen Israel (aber nicht gegen Europa oder Deutschland) gerichteten Meinungsäußerung (noch) nicht verbieten.
Der aktuelle Bundesinnenminister ist da ganz offensichtlich anderer Meinung. Seine aus deutscher Sicht mehr oder weniger nur symbolische Handlung nützt nur der zionistischen Propaganda, schadet aber einmal mehr deutschen Interessen in der Region. Wie sollte ein deutscher Geheimdienstler im Libanon weiterhin als von beiden Seiten geachteter Vermittler auftreten und respektiert werden, wenn sein Vorgesetzter mit solch einer “merkwürdigen“ Maßnahme verdeutlicht, dass er die Verhandlungspartner (bzw. deren TV-Sender) “verbieten“ will?!
Äußerst auffällig an der Meldung ist auch, dass sie auf einen Erlass zurück geht, der bereits am 11.11. veröffentlicht und zwei weitere Wochen davor in Kraft gesetzt wurde. Erst jetzt aber erscheint es in den deutschen Medien, nachdem zunächst die Jerusalem Post und dann – wie sollte es anders sein – die Springer-Presse darüber berichtet haben. Warum wurde die Meldung aber so lange gegenüber der Öffentlichkeit “geheim“ gehalten? Eine Suche auf der Internetpräsenz des Bundesinnenministeriums führt bis heute zu keiner Information zu diesem Verbot, was äußerst ungewöhnlich ist angesichts der Tatsache, dass alle früheren Verbote ausführlich begründet wurden.
Der Verbreitungsgrad von Al-Manar unter arabischsprachigen Zuschauern ist sehr groß. Der Innenminister Deutschlands dürfte mit diesem Verbot dazu beigetragen haben, dass selbst diejenigen, die bisher weniger Interesse gezeigt haben, jetzt neugierig werden. Wenn deutsche Politiker glauben, durch Verbote, Ermittlungsverfahren, Einschüchterung und vieles andere mehr den weltweit zunehmenden Widerstand gegen Rassismus, Zionismus, Kapitalismus und Unterdrückung aufhalten zu können, dann haben sie eine weltweite Entwicklung völlig verschlafen, von der es ja heißt, dass das Leben jene bestraft, die zu spät kommen. Das Verhalten der aktuellen Bundesregierung gleicht zuweilen dem Verhalten der ehemaligen DDR-Regierung, die bis zuletzt nicht wahrhaben wollte, dass ihr System gescheitert ist. Die Welt bewegt sich auf eine Veränderung unvorstellbaren Ausmaßes zu; die einen glauben durch das Erscheinen eines Erlösers, die anderen glauben durch den “schlichten“ Zusammenbruch des Weltfinanzsystems. Aber alle hoffen, dass es eine Befreiung sein wird.
Deutsche Bürger tangiert jenes Verbot kaum, da nur die allerwenigsten Arabisch verstehen und der Sender nicht in deutscher Sprache sendet oder gesendet hat. Doch wenn eines Tages deutsche Sender im Libanon verboten werden (z.B. in Hotels, die Al-Manar nahe stehen), dann betrifft es deutsche Wirtschaftsinteressen und damit jeden Bundesbürger. Und die sollten dann zumindest ihren Bundesbürger einmal die Frage stellen, in wie weit hier deutsche Interessen geschützt wurden.
Alle Völker der Welt sehnen sich danach, dass Besatzung, Unterdrückung und Mord in diesem fürchterlichen und insbesondere von westlichen Staaten begangenen Ausmaß ein Ende finden mögen (übrigens auch die westlichen Bevölkerungen). Es waren die bisherigen Verantwortungsträger, die diese Welt in diese Lage gebracht haben. Es waren die bisherigen Verantwortungsträger, die die Finanzwelt ruiniert haben. Es waren die bisherigen Verantwortungsträger, die einen “Krieg gegen Terror“ zum größten Verbrechen unserer Zeit geführt haben, und es waren deutsche Innenminister, die immer an der Seite jener Verantwortlichen standen. Wie töricht ist es anzunehmen, dass ausgerechnet jene Verantwortungsträger die Menschheit in eine friedlichere Zukunft führen werden?
Jenes Verbot von Al-Manar ist morgen schon wieder vergessen. Denn dann wird wohl möglich ein anderes Verbot einer noch größeren und wichtigeren Organisation folgen. Vielleicht werden dann einige Bürger fragen, wie es so weit kommen konnte: Die Antwort dazu liegt im hier und heute und der Schweigsamkeit der gesamten deutschen Medienlandschaft gegenüber diesem Skandal; nur weil er sich gegen einen Sender richtet, den man nicht befürworten möchte.
Recht und Gerechtigkeit sind aber nicht teilbar; jedenfalls nicht in einem Rechtsstaat, der halbwegs Gerechtigkeit anstrebt. In wie weit er das tut, hat das Volk mit zu verantworten; und hier gilt in aller Deutlichkeit bei aller Kritik an der Handlung des Innenministers festzustellen: Schäuble ist der vom deutschen Volk an diese Position gebrachte Innenminister! Und daher tragen wir alle unseren Teil der Verantwortung. Und letztendlich ist dementsprechend festzustellen, dass somit nicht der Innenminister, sondern das deutsche Volk – in dessen Namen diese Urteile gefällt werden – Al-Manar verboten hat. Es fängt immer erst mit einseitigen unlogischen und nur gegen eine Volksgruppe gerichteten Verboten an. Gott schütze die Menschen vor dem, was danach kommt.
ZitatErstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist gegen einen ausländischen TV-Sender ein Verbot erlassen worden[...]
Das muss schon was heissen! Al Manar muss ihre Aufgabe wirklich gut tun, um soetwas auszulösen.
Wenn ich sowas lese, muss ich an die Zeit von vor 1945 denken. Ob Deutschland so eine Zeit wieder erleben wird, wenn es soweiter macht? Früher schwiegen die Menschen genauso; Auge zu und wieder auf, und schon ist es zu spät!