Fasten gegen die wahnsinnige Maßlosigkeit der Nimmersatten
Muslim-Markt 26.8.2008 – Wer die halbe Welt beherrscht, will die ganze. Und es gibt keine materielle Macht, welche die Zügellosigkeit des Menschen aufhalten könnte!
Es dürfte für die wenigen verbliebenen aufrichtigen Historiker eine phänomenale Zeit sein. Wann bekommt man Geschichte so live mit, wie in unserer Zeit? Die Welt bewegt sich Zentimeter für Zentimeter auf einen dritten Weltkrieg zu – manche meinen, dass er schon längst begonnen hat – und die satten Bürger der Westlichen wie auch Östlichen Welt bekommen es gar nicht mehr mit bzw. nehmen es duldsam hin.
Was ist das für ein Wesen, genannt Mensch, der nicht aufhören kann, die Welt beherrschen zu wollen? Was treibt Politiker dazu in einen Kriegswahn einzuläuten? Was bewegt z.B. eine Bundeskanzlerin, kritische Situationen in der Welt durch arrogante Worte des Machthungers noch zu verschärfen? Und was treibt einen georgischen Präsidenten dazu, seine mickrigen Armeen loszuschicken, um eine Weltkrise zu beschwören? Was führt zionistische Politiker dazu, ihre Soldaten in immer fernere Länder einzusetzen und zionistische Siedler dazu, immer mehr Land zu besetzen? Was führt die USA dazu, immer neue Länder zu bedrohen, obwohl sie die alten überfallenen noch gar nicht im Griff hat. Was führt einen Gewerkschaftsfunktionär dazu, dass er die Seiten wechselt und für die Entlassung von Arbeitnehmern plädiert? Und was bewegt 70 Jahre alte Musiker dazu, immer noch auf der Bühne zu stehen?
Scheinbar haben obige Fragen nicht alle direkt miteinander zu tun, aber der Schein trügt. Alle oben genannten Fragen lassen sich mit der menschlichen Natur erklären! Die Natur des Menschen ist maßlos und nimmersatt! Es spielt dabei keine Rolle, ob im Kleinen oder Großen, ob als Politiker, Schauspieler, Musiker, Wirtschaftsboss oder sonst irgendein Beruf. Alle Menschen werden angetrieben von der Sucht nach “immer mehr“. Die aktuelle westliche Wirtschaftsdoktrin hat jene Sucht sogar zur “Lehre“ erklärt.
Man denke an jene Rockmusiker, die sich Rollende Steine nennen und deren Bühnenauftritt und Musik kaum noch Zweifel an der Evolutionstheorie zulassen. Sie hampeln auch mit 70 Jahren noch auf der Bühne; so weit es ihre Knoch zulassen. Und kaum ein Musiker schafft den rechtzeitigen Absprung. Sie wollen immer mehr!
Man denke nur an die Türken vor Wien. Beherrschten die Osmanen nicht ohnehin schon das damals größte Reich? Warum bekamen sie nicht genug? Warum konnten sie nicht einen Teil ihrer Macht an ihre Brüder abgeben und mussten diese stattdessen bei Machtübernahme ermorden? Man denke an Israel. Haben sie nicht schon mehr als die UN ihnen jemals zugestanden hat? Warum begnügen sie sich nicht damit? Und warum schicken sie Soldaten und Militärberater nach Georgien oder einstmals Südafrika? Man denke an die deutsche Bundeskanzlerin, unter deren Führung Deutschland mehr Soldaten in der ganzen Welt im Einsatz hat, als je zuvor. Genügt das nicht? Soll es noch mehr sein? Man denke an die Wirtschaftsbosse, die einen Rekordgewinn nach dem anderen erwirtschaften und diesen mit neuen Entlassungen quittieren. Können sie den Rachen nie voll genug bekommen? Man denke auch an so genannte “Aussteiger“, die sich einen Fußballclub kaufen. Natürlich wollen die eines Tages auch deutscher Meister werden, und dann werden sie höhere Ziele anstreben. Man denke an die Raumfahrt. Genügt es nicht, dass wir den Mond anstreben? Warum müssen wir auch noch zum Mars, oder noch weiter? Wem nützt das?
Aber auch im “Kleinen“ einer muslimischen Familie lässt sich jenes Prinzip der Maßlosigkeit gut beobachten. Da ist die Familie z.B. schon verschuldet und es verlangt doch noch nach neuen weiteren materiellen Gütern, und für Gebrauchte ist man sich zu schade. Da wird man schon wie ein Pascha im Haus beköstigt und das Essen gefällt einem trotzdem nicht, man will “größere“ Genüsse. Da hat man schon eine der besten Frauen der Welt zum Ehepartner, die bereit ist, einem alles zu geben, aber die Blicke schweifen dennoch umher. Da hat man einen Ehemann, der sich nach Kräften bemüht, die Familie zu versorgen, aber man schaut nach neuen Möbeln, Autos, Vorhängen usw. was die eigenen Möglichkeiten übersteigt. Da hat man z.B. schon drei wunderbare Töchter, die einem gemäß den Aussagen des Propheten Muhammad – der Friede sei mit ihm und den Reinen seiner Familie – den Zugang zum Paradies eröffnen könnten, aber es muss unbedingt noch ein Sohn sein, unabhängig davon, wie sehr die Frau leidet. Da hat man schon eine Arbeit, mit der man seine Familie halbwegs vernünftig versorgen kann, aber man riskiert “große Geschäfte“, um immer mehr zu bekommen, auch auf Kosten von Schaden. Auch diese Beispielliste ließe sich unbegrenzt fortsetzen.
Natürlich beschränken sich die Beispiele nicht auf die muslimische Familie. Jeder Lottoeinsatz in Deutschland zeugt von jenem Wahn nach “immer mehr“. Dankbarkeit, Bescheidenheit und Tugend sind Fremdworte in einer Gesellschaft, in der alles größer, mehr, bombastischer grandioser werden muss. Jeder neue Wolkenkratzer in der Welt, der noch höher sein soll, als der bisher größte ist ein architektonisches Dokument jenes Wahns! Und jener Wahn betrifft jeden Bereich der Gesellschaft, jede Gesellschaft, jene so genannte Ethnie, und die Anhänger jeder Religion!
Es ist die Natur des Menschen, dass er immer mehr will! Aber die Natur des Menschen ist es auch, dass er einen Verstand hat und vernünftig denken kann. Würde er seinen Verstand gebrauchen und seine Natur nach dem “immer mehr“ einmal vernünftig analysieren, dann würde er verstehen, dass jenes materielle “immer mehr“ gar nicht möglich ist. Früher oder später wird er die Gräber aufsuchen müssen, und zwar nicht nur als Besucher! Er kann bei noch so großer Anstrengung seine Natur “immer mehr“ zu wollen, nicht erfüllen! Es ist unmöglich; sowohl im Kleinen als auch im Großen! Alles, was er so maßlos anstrebt, ist letztendlich begrenzt! Und nicht zuletzt ist die Zeit begrenzt, in der er es anstreben kann; selbst wenn er noch so viele Schönheitsoperationen über sich ergehen lässt.
Aber es gibt dennoch eine einzige Möglichkeit, sein angeborenes Bedürfnis nach “immer mehr“ zu erfüllen! Er muss “nur“ das anstreben, was wirklich unendlich ist, was ewig währt und was keine Grenzen kennt: Und das ist das Ewige Leben! Sein angeborenes Bedürfnis nach “immer mehr“ ist eines der Zeichen Gottes dafür, dass es jene “Unbegrenztheit“ wirklich gibt. Er muss sie nur anstreben! Wichtige Voraussetzung dafür, die immaterielle Unendlichkeit anstreben zu können, ist die Beherrschung des materiellen Wahns; das gilt für das Individuum wie auch für die Gesellschaft.
Muslime stehen unmittelbar vor dem Heiligen Monat Ramadan. Es ist der Monat im Jahr, in dem Gott alle Menschen dazu einlädt, seine Ziele neu zu definieren, sein Leben neu zu orientieren, seine materiellen Bedürfnisse zu beschränken und dadurch die ewigen Ziele besser vor Augen zu führen. Fasten, wirkliches Fasten, kann man nur und nur für Gott. Es ist der Monat, in dem das Blut über das Schwert siegt, der Geist über den Körper, die Freiheit über die Triebhaftigkeit. Es ist der Monat der heiligsten aller Nächte. Der zügellos gewordene Körper wird wieder an die Kandare genommen und beherrscht. Der wahre Fastende entschlackt sich, seinen Körper, wie auch seine Seele. Der wahre Fastende wirft Ballast ab, die unnötigen Fettreserven seines Körpers, wie auch die dunklen Flecken auf seinem Herzen. Eine Gesellschaft, die gemeinsam fastet, erzieht sich zur Tugend, zur Moral und Ethik; Begriffe die eine materialistische Mehrungsmentalität nicht kennt.
Jeder um Gottes Willen Fastende ist eine Bereicherung für jede Gesellschaft! Deutschland verfügt über eine ganze Reihe von Muslimen, die fasten. Einstmals taten es auch Christen und Juden, selbst wenn sie es heute größtenteils vergessen haben. Muslime haben es nicht vergessen und halten jenen Rückbesinnungsmonat am Leben, auch für Juden und Christen.
Der bevorstehende Monat gibt uns Muslimen einmal mehr die Gelegenheit, unsere wertvolle Stellung auch in dieser Gesellschaft vorzuleben. Einladungen an Nachbarn, Freunde aber auch Menschen, mit denen man gebrochen hatte, können den Monat bereichern. Auch die Einladung zum Fastenbrechen an Nichtmuslime ist eine Einladung zum gegenseitigen Verständnis. Aber nicht die Völlerei darf im Vordergrund stehen, sondern das Maßhalten; auch und insbesondere im Fastenmonat.
Der Fastenmonat ist auch der Monat, in dem Muslime der Welt einen Frieden vorleben können, wie ihn doch letztendlich alle Herzen anstreben, selbst wenn einige verdunkelte Herzen in weltlichen Führungspositionen sich nicht mehr daran erinnern.
Lasst uns im Fastenmonat die Themen der Spiritualität wieder in den Vordergrund stellen, um zu erkennen, dass jedes Spiritualität gewaltiger und faszinierender für Frieden wirkt, als die wahnsinnige Maßlosigkeit der Nimmersatten.
Lasst auch uns unsere maßlose Nimmersattheit ausleben, aber nicht wahnsinnig sondern sinnig, in der Nimmersattheit der Liebe zum Allmächtigen. Jenes Streben nach immer mehr Liebe wird auch tatsächlich erfüllt!