Muslim-Markt 4.8.2008 – Je stürmischer der westliche Raubtierkapitalismus seinem Ende entgegen geht, desto strategie- und gedankenlos äußern sich deren Politiker. Neben dem Nachweis der eigenen Hilflosigkeit ist das Szenario aber auch mit einigen Risiken verbunden.
Einmal mehr – jetzt in der sonst nachrichtenarmen Zeit – haben sich USA und Israel entschlossen, die Islamische Republik Iran zu bedrohen. Dafür wurde die Behauptung aufgestellt, dass am letzten Wochenende nach Interpretation der USA und Israels irgendeine Frist für irgendein Ultimatum abgelaufen sei, in der Iran irgendetwas erfüllen sollte. Das ist zwar nur die Wiederholung bereits mehrfach durchgespielter Absurditäten, aber dieses Mal kommt eine neue Note hinzu. Weder die westlichen Hofjournalisten wussten von jenem neuen abgelaufenen Ultimatum, noch die meisten europäischen Politiker. Dass die Merkelregierung allerdings den US-Kurs mitträgt und Bundesaußenminister Steinmeier den Iran zum soundsovielten Mal“warnt“, kann nicht weiter überraschen, besteht doch der wes(en)tliche Inhalt deutscher Außenpolitik nur noch in der Unterstützung der USA und Israels, auch auf Kosten des eigenen Volkes und zum Schaden der eigenen Bürger.
Während westliche Politiker und Hofjournalisten ihren eigenen Bevölkerungen immer wieder suggerieren, man könne den Iran dazu “bewegen“ die Urananreicherung für friedliche Zwecke einzustellen, sei hier klipp und klar festgehalten, dass die Regierung im Iran – selbst wenn sie es wollte, und selbst wenn das Volk es wollte – dazu gar nicht autorisiert ist. Das religiöse Oberhaupt Imam Chamene’i hat sich zum Thema derart klar geäußert, dass hier gar kein Zweifel besteht: Zum einen ist es Iranern per höchstem religiösen Dekret absolut verboten an Atomwaffen zu arbeiten, und zum anderen ist keine Macht dieser Welt in der Lage, sie von der unabhängigen friedlichen Nutzung der Kernenergie abzubringen! Nur nebenbei sei erwähnt, dass es keine einzige halbwegs nennenswerte Kraft im Iran gibt, die diesbezüglich eine andere Vorstellung hat. Weder die Regierung noch regierungskritische Kreise, weder die Iraner im Inland noch im Ausland, weder islamisch orientierte Iraner, noch nationalistisch orientierte, nicht einmal Gegner des Islamischen Systems befürworten eine neuerliche technisch-wissenschaftliche Abhängigkeit vom Ausland; und schon gar nicht von der Westlichen Welt, die für so viel Unheil und Unmenschlichkeit in der Region seit Jahrzehnten hauptverantwortlich ist. Abgesehen von einer von der Westlichen Welt teilweise unterstützten Terrororganisation gibt es keine Iraner, welche die westliche Forderung nicht für Arrogant und Ungerecht erachten. Das ist die Sachlage, und diese Sachlage wird sich sicherlich nicht dadurch ändern, dass der Bundesaußenminister den Iran warnt.
Eigentlich wird es Zeit, dass die Westliche Welt einmal gewarnt wird; gewarnt vor dem Chaos und dem Massaker, in das sie sich selbst hineinzumanövrieren droht. Denn letztendlich gibt es kein einziges halbwegs vernünftig und mittelfristig durchdachtes Szenario, was geschehen könnte, wenn der Iran militärisch angegriffen wird, das irgendwelche Vorteile für die Bürger der Westlichen Welt bringen könnte. Im Wahn der wöchentlichen westlichen Drohungen scheint sich offenbar niemand Gedanken darüber zu machen, was passieren könnte, wenn der Iran angegriffen wird. Jegliche andere Drohung aber ist ohnehin absurd. Die Schließung iranischer Konten in Deutschland erfreut die asiatischen Länder, die jetzt die Geschäfte übernehmen.
Was also könnte geschehen: Fangen wir mit dem Szenario eines begrenzten Luftschlags gegen iranische Atomeinrichtungen an. Es spielt dabei keine Rolle, ob jener Angriff von den USA oder von Israel erfolgt. Es spielt dabei auch keine Rolle, mit welcher Kriegslist bzw. Propagandalüge der Hofjournalisten die westliche Welt ihre eigene Bevölkerung davon überzeugen wird, dass es “notwendig“ war.
Ein begrenzter Schlag auf die Anlagen könnte “erfolgreich“ sein. Nehmen wir einmal den aus westlicher Sicht bestmöglichen Fall an, dass alle Piloten unversehrt zurückkommen, alle anvisierten Ziele getroffen werden und auch sonst alles glatt läuft (was nie der Fall ist). Was aber dann? Wie könnte Iran reagieren? Iran könnte zum einen direkt darauf Antworten und einige US-Schiffe im Persischen Golf versenken oder direkt die 140.000 auf dem Präsentierteller befindlichen US-Soldaten im Irak angreifen. Dann hätten wir die Eskalation, die im unteren Szenario beschrieben wird. Oder Iran könnte zunächst abwarten. Würde das die Atomaktivitäten im Land vermindern? Würde die Sympathie der asiatischen, südamerikanischen, afrikanischen und muslimischen Bevölkerungen für die westliche Welt steigen? Was wäre, wenn Iran nicht zurück schießt? Dann würde die Angst in der Westlichen Welt geschürt werden bis zur Selbstzerfleischung. Jeder Atomunfall in irgendeinem Kraftwerk, jeder Flugzeugabsturz, jedes sonstige unglückliche Szenario würde dem Iran angelastet wurden, und dann … ? Wollte man dann den Iran noch einmal angreifen, da sie ja noch nicht einmal zurück geschossen haben? Oder will man dann seinen eigene Bevölkerung noch mehr mit “Sicherheitsmaßnahmen“ “schützen“, damit man auch die letzten totalitären Systeme der Welt bezüglich “Schutzmaßnahmen“ übertrifft?!
Ein anderes Szenario ist ein wirklich flächendeckender Angriff auf den Iran. Dieser könnte entstehen, wenn Iran sich wehrt bzw. man von vornherein vorhat, den Iran mit den unmenschlichen Angriffsbomben zuzupflastern. In diesem Fall wird der Iran sich gezwungenermaßen wehren, und das erste Angriffziel dürften die 140.000 US-Soldaten in unmittelbarer Nähe sein. Jene Soldaten sind ja nicht einmal in der Lage unbeschadet ein Land zu besetzen, dass über gar keine Armee mehr verfügt, über keine ausgebildeten Soldaten, kein Kommandostruktur usw… Wie erst wird es jenen Soldaten ergehen, wenn sie auf bestausgebildete Soldaten stoßen, die zudem über weitaus bessere Waffen verfügen, als der privat organisierte Widerstand im Irak? Hat sich eigentlich jemals jemand Gedanken über jene 140.000 US-Soldaten gemacht, wenn einem schon das Leben der Iraner und Iraker bedeutungslos ist? Sie wären hilflos in einem Fall, in dem der Iran nicht mehr mäßigend auf die Region wirkt, sondern selbst die US-Soldaten angreift. Mag sein, dass man dann den Iran irgendwann nach einigen Wochen ins Mittelalter zurückgebombt hat, aber welches Land der Erde wird dann noch Respekt vor den USA haben, die gerade 140.000 Soldaten verloren hat? Welche Bevölkerung der Erde würde noch Respekt vor der westlichen Welt haben, die soeben einmal mehr ihr unmenschliches aggressives Gesicht gezeigt hat? Und welche eigene westliche Bevölkerung würde noch Respekt vor der eigenen Regierung haben, die sich einmal mehr im blinden Gehorsam hinter die USA und Israels gestellt hat? Die Frage des Ölpreises wollen wir hier gar nicht aufgreifen; nur so viel: Die Westliche Welt braucht das Öl dringender als die muslimische Welt.
Ein Angriff der USA auf den Iran mag ein schwerer Schlag gegen den Iran bedeuten; zweifelsohne. Er würde aber gleichzeitig das Ende der USA bedeuten! Und genau darin liegt auch das Risiko! Kann es sein, dass es Kräfte in dieser Welt gibt, möglicherweise sogar Kräfte im US-System, denen das Überleben der USA nichts mehr bedeutet? Kann es sein, dass aufgrund des nicht mehr zu haltenden Dollars, der inzwischen nicht mehr reparablen US-Wirtschaft und des zusammenbrechenden westlichen Wirtschaftssystems es Kräfte gibt, welche die USA “opfern“ wollen, um danach einmal mehr “neu“ anzufangen, vielleicht diese Mal in Europa mit Berlin als Hauptstadt; Frau Merkel lädt ja geradezu dazu ein.
Wenn man einmal in aller Ruhe und sachlich darüber nachdenkt, so gibt es wirklich kein einziges Szenario, bei dem die Islamische Republik Iran angegriffen werden kann und die Westliche Welt dabei auch nur halbwegs als “Gewinner“ aus dem Feldzug herauskommt. Umso erstaunlicher ist es, dass die Westliche Welt nicht müde wird, inzwischen sogar auf Kosten der eigenen Glaubwürdigkeit, beständig dem Iran Krieg anzudrohen.
Wie wäre es aber einmal mit einem Szenario, an das noch niemand gedacht hat: Die Westliche Welt erkennt, dass sie ihren Wohlstand mittel- und langfristig nur durch Kooperation wahren kann. Man beschließt einen fairen Austausch mit dem Iran. Gleichzeitig setzt man sich dafür ein, dass Israel mit seiner Besatzungspolitik in die Schranken jeden anderen Staates gewiesen wird, der so lange Besatzungsmacht wäre. Im Ergebnis könnten Juden, Christen und Muslime sowohl im Iran als auch in Palästina in Frieden miteinander leben. Der Friede ermöglicht aber viel größere Marktchancen, als es eine wahnsinnige Waffenindustrie glaubhaft machen möchte!
Zugegeben, auch jenes Szenario würde am bevorstehenden Zusammenbruch der USA kaum etwas ändern. Aber das könnte genau so heilsam sein, wie der Zusammenbruch der UDSSR. Heute ist Russland stärker, als es die UDSSR in seinen letzten Tagen war!
Eine Politik, die sich dadurch definiert, dass Menschen ausgebeutet, bedroht, unterdrückt, besetzt und am Ende auch noch ermordet werden, kann nicht Bestand haben! Und die aktuelle Bundesregierung, die sich in jene Politik der USA derart verstrickt hat, dass man sie kaum noch als eigenständig wahrnimmt, wird auch niemandem nützen können, weder den USA, noch Israel, noch der eigenen Bevölkerung.
Das Zeitalter einer immer mehr nach Gerechtigkeit strebenden Weltbevölkerung hat begonnen. Die UN-Dominanz von Kriegsherren mit Vetorecht geht dem Ende zu. Der US-Dollar, der so viel Unheil auf Erden angerichtet hat, indem er grenzenlos gedruckt wurde, geht dem Ende zu. Eine Welthandelsorganisation, die nur dazu dient, die reichen Länder noch reicher zu machen, wird nicht überleben! All diese Ungerechtigkeitssysteme haben die Menschen in der Welt derart bluten lassen, dass sie nicht mehr gewillt sind, diese mitzutragen.
Wer wirklich Demokratie und Freiheit fordert, und wer es ernst damit meint, der muss heute gegen den UN-Sicherheitsrat, gegen die WTO und gegen das westliche Hegemonialstreben sein. Er muss auch den Raubtierkapitalismus verachten. Wer hingegen sich für die USA und Israel einsetzt, der verachtet offenbar die Freiheit der Völker und missbraucht “Freiheit und Demokratie“ nur zu unterdrückerischen Zwecken.
Mag sein, dass viele Abschnitte dieses Textes eine Wiederholung vieler vorangegangener Texte von so vielen Autoren war. Aber es ist eine menschenfreundlichere Wiederholung, als jene der ständigen Drohungen gegen die Islamischen Republik Iran. Und viel mehr Menschen müssten wiederholt sich gegen die Drohungen aussprechen, insbesondere wenn sie von Deutschland ausgehen, denn das Volk wünscht das nicht! Aber das Volk muss seinem Wunsch auch Geltung verschaffen, indem es sich selbst artikuliert. Ansonsten steht Deutschland schon bald mitten im dritten Weltkrieg und einmal mehr auf der Seite der Verlierer; obwohl man sich sooo sicher fühlt. Aber das hatte Deutschland ja schon einige Male!