Muslim-Markt, 17.7.2008 – Ab Anfang 2009 dürfen auch Imame Ehen im religiösen Sinn schließen, ohne eine Ordnungswidrigkeit zu begehen. Was aber bedeutet das faktisch für die hier lebenden Muslime?
Bisher war es eine Ordnungswidrigkeit, dass Muslime von einem Imam in einer Moschee getraut wurden. Auch wenn es dafür nicht einmal ein Bußgeld gab, so haben sich die großen und bekannten Islamischen Zentren halbwegs daran gehalten. So wurde man z.B. von dem jeweiligen Gemeindevorstand “getraut“, aber ein diese islamische Trauung belegendes Dokument bekam man nur, wenn man die standesamtliche Hochzeit nachwies (auch nachträglich). Jetzt hat sich die Gesetzeslage geändert, und ab 1.1.2009 dürfen jene Gemeindevorstände jenes Dokument auch vorher ausstellen. Es ist aber absolut “wertlos“, was die deutsche Rechtssprechung angeht, denn jenes Dokument wird nicht als “Heirat“ im rechtlichen Sinn akzeptiert; zumindest nicht in Deutschland. Aber auch in islamischen Ländern ist es leichter die standesamtliche Hochzeit in Deutschland “mitzunehmen“ als eine Hochzeit in einer Moschee.
Das bisher bestehende Verbot in Deutschland stammt aus der Zeit, als Reichskanzler Bismarck im so genannten Kulturkampf den Einfluss der katholischen Kirche zurückdrängen wollte. Dabei wurde 1875 die staatliche Zivilehe eingeführt. Während vorher alle Ehen nur in der Kirche geschlossen und eingetragen wurden, wurden nunmehr rechtlich relevante Eheschließungen beim Standesamt registriert. Welche Motivation letztendlich dazu geführt hat, diese Regelung jetzt abzuschaffen, ist diskussionsfähig.
Für Muslime aber hat sich faktisch kaum etwas verändert. Denn – was viele in Deutschland nicht wissen – Muslime benötigen keine “Imam-Ehe“, um zu heiraten. Wenn ein unverheirateter Mann und eine unverheiratete Frau zueinander kommen und einander ein Versprechen abgeben und die islamischen Voraussetzungen erfüllen, dann sind sie miteinander im religiösen Sinn verheiratet, selbst wenn es dafür keinen einzigen Zeugen gibt! Die Zeugen dienen lediglich dazu, um dem Teufel keine Chance zu geben, in der Gesellschaft Zwietracht zu säen oder im Konfliktfall Unwahrheiten aufkommen zu lassen. Ein “Imam“ oder “Hodscha“ ist überhaupt nicht notwendig! Dass dennoch viele muslimische Paare sich gerne von einem Imam trauen lassen, hängt damit zusammen, dass dieser sie in die neue eheliche Welt mit seinen Gebeten begleitet.
Aber allein die Formulierung “trauen lassen“ ist aus islamischer Sicht falsch! Es ist die Frau, die selbstständig entscheidet, dass sie sich einem Mann “hingibt“ und der Mann, der selbständig entscheidet, dass er “annimmt“. Sie “werden“ also nicht “getraut“, sondern “trauen“ sich selbst. Das mag in westlichen Ohren altertümlich klingen, aber letztendlich funktionieren inzwischen mehr als die Hälfte aller Partnerschaften in Deutschland ebenfalls nach diesem Prinzip ohne Trauschein, nur dass es den Beteiligten gar nicht bewusst ist, dass sie quasi-islamisch heiraten, allerdings mit der gravierenden Schwäche, dass sie es nicht um Gottes Willen tun.
Probleme können ab 2009, wie auch bereits jetzt, dann entstehen, wenn Muslime glauben, sie seien nach einer religiösen Trauung im rechtlichen Sinne gemäß dem deutschen Recht verheiratet, denn sie sind sie es nicht! Da kann es später böse Überraschungen geben, wenn es um Unterhaltsansprüche geht oder um Aufenthaltsrechte, die Witwenrente und vor allem um Sorgerechte bezüglich Kindern im Trennungsfall.
Auch hat das neue Recht keinen Einfluss auf Mehrehen. Dass ein Mann in Deutschland mit so vielen Frauen, wie er es wünscht (und die Frauen mitspielen) zusammen leben kann, obliegt nicht einmal der Vierer-Begrenzung im Islam. Und dafür muss man hier auch keine der anderen Voraussetzungen erfüllen, die der Islam vorschreibt und welche viele muslimische Gelehrte dazu bringt, ihren Anhängern ausdrücklich die monogame Ehe vorzuschlagen, da die Voraussetzungen zur Mehrehe heutzutage – nicht nur in der westlichen Welt – kaum zu erfüllen sind!
Der Muslim-Markt hat bedingt durch die wohlfrequentierte Rubrik Muslim-Heirat und die Beratung in Konfliktfällen sehr viel mit muslimischen Ehen zu tun. Bedauerlicherweise wenden sich die meisten “Konfliktfälle“ erst dann an Hilfe, wenn nichts mehr zu retten ist! Aufbauend auf all diese Erfahrungen hat der Muslim-Markt schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die standesamtliche Ehe in Deutschland DRINGENDS empfohlen wird, selbst wenn der Islam das nicht vorschreibt. Aber die Nachteile und insbesondere die Missbrauchsmöglichkeiten ohne standesamtliche Ehe sind derart gravierend und kommen bedauerlicherweise zudem derart häufig vor, dass nach Einschätzung des Muslim-Markt die standesamtliche Trauung dem islamischen Ideal erheblich näher kommt, als ohne Standesamt, selbst wenn sie noch weit davon entfernt ist. Ohne Standesamt kann insbesondere die Frau ihre berechtigten Ansprüche gegenüber dem Mann im zweifels- bzw. Konfliktfall in Deutschland kaum durchsetzen. Aber auch der Mann steht ohne standesamtlichen Trauschein ziemlich “rechtelos“ da, wenn gemeinsame Kinder bestehen, die Frau aber diese nicht als gemeinsame Kinder angegeben hat.
Eine Erlaubnis im Islam bedeutet nicht, dass ein Ideal vorliegt oder das Erlaubte dem Ideal näher kommt, als eine andere erlaubt Handlung. Die Erlaubnis zur Scheidung im Islam bedeutet nicht, dass es ein Ideal ist. Die Erlaubnis zur Mehrehe bedeutet nicht, dass es ein Ideal ist. Es sind teilweise Erlaubnisse, die größeres Übel verhindern sollen. Und die Erlaubnis unter ganz bestimmten Voraussetzungen auch eine Nichtmuslima zu heiraten ist genau so wenig ein Ideal. Vom letzteren rät der Muslim-Markt in Deutschland DRINGEND ab, da erfahrungsgemäß die Konflikte des zukünftigen Beisammenseins die Ehe zwangsläufig derart vergiften, dass das Ideal der gemeinsamen Annäherung an Gott durch die Ehe und in der Ehe nicht erfüllt werden kann.
Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass sich für praktizierende Muslime durch die neue Gesetzgebung kaum etwas ändert! Allen Heiratswilligen empfiehlt der Muslim-Markt aber, dass sie sich vor allem vor Augen führen, dass jene “Vereinigung“ eine Vorstufe zur Rückkehr ins Paradies darstellen soll. Eine paradiesische Ehe aber können nur Menschen versuchen zu führen, die sich ihrer Verantwortung vor Gott im Klaren sind, völlig unabhängig davon, ob ein Standesbeamter ihre rechtliche Situation verändert oder ein Imam ein Gebet für sie spricht. Und wer nicht versteht, dass nach der Heirat das “Ich“ verschwindet und ein neues “Wir“ entsteht, läuft Gefahr, dass das fortbestehende “Ich“ eines Tages falsche Weg gehen will.
Nachsatz: Die Zwangsverheiratung stellt nach dem deutschen Gesetz eine schwere Stufe der Nötigung dar mit allen rechtlichen Konsequenzen! Was viele nicht wissen ist, dass der Vollzug einer Ehe im Islam gegen den Willen der Frau gemäß der absolut überwiegenden Mehrheit der Gelehrten und Rechtschulen sogar eine Vergewaltigung darstellt mit noch viel gravierenderen Konsequenzen für den Mann aus zumindest theoretisch islamischer Sicht, als es das deutsche Recht androht! Daher handelt es sich bei den Zwangsehen nicht um ein islamisches Problem, sondern um ein kulturelles Problem, das man nur in gerechter Kooperation mit praktizierenden Muslimen gemeinsam lösen kann. Das aber scheint etwas zu sein, was die derzeitige politische Ausrichtung verbietet.
Ist es denn nicht egal, ob man den standesamtlichen zustimmung hat ? ich meine wenn man eine Islamische heirat macht dann hat man doch die zustimmung allahs oder reicht das nich ??
Ganz ehrlich: es reicht nicht. Und wenn du genau liest, weißt du auch warum.
Aufbauend auf all diese Erfahrungen hat der Muslim-Markt schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die standesamtliche Ehe in Deutschland DRINGENDS empfohlen wird, selbst wenn der Islam das nicht vorschreibt. Aber die Nachteile und insbesondere die Missbrauchsmöglichkeiten ohne standesamtliche Ehe sind derart gravierend und kommen bedauerlicherweise zudem derart häufig vor, dass nach Einschätzung des Muslim-Markt die standesamtliche Trauung dem islamischen Ideal erheblich näher kommt, als ohne Standesamt, selbst wenn sie noch weit davon entfernt ist. Ohne Standesamt kann insbesondere die Frau ihre berechtigten Ansprüche gegenüber dem Mann im zweifels- bzw. Konfliktfall in Deutschland kaum durchsetzen. Aber auch der Mann steht ohne standesamtlichen Trauschein ziemlich “rechtelos“ da, wenn gemeinsame Kinder bestehen, die Frau aber diese nicht als gemeinsame Kinder angegeben hat.
Es geht da um Dinge wie Unterhaltsansprüche im Falle einer Scheidung, um Rentenansprüche, um Aufenthaltsrecht, auch um das Sorgerecht für gemeinsame Kinder......
Guten Morgen, das hab ich dann überlesen aber es stimmt schon es ist besser für beide mit standesamt zu heiraten dann kommt auch keiner so schnell auf schiefe gedanken, so wie man es heutzutage oft hat !
zusätzlich zur Verdeutlichung von dem, was Noura geschrieben hat: Es reicht zwar vor Allah vollkommen, wenn die beiden Heiratswilligen einander ein Versprechen geben, dafür braucht es zur Gültigkeit einer Ehe weder Zeugen noch einen Geistlichen, auch wenn zumindest Zeugen besser sind. Das aber unter der Voraussetzung, dass der Vater des jungen Mädchens, das zum ersten Mal heiratet, seine Zustimmung gibt. Nur kommt man damit in Deutschland nun mal nicht sehr weit, im Konfliktfall kann man seine Rechte nicht einklagen, wenn die standesamtliche Heirat nicht erfolgt ist.
...und nicht nur das. Wie die Geschwister schon geschrieben haben, vor Allah (swt) reicht es. Aber nach der hiesigen Gesetzgebung gelten Kinder, die bei einer Heirat entstehen, die nicht standesamtlich registriert ist, als unehelich und werden somit auch an Rechten beschnitten, ganz zu schweigen davon, dass sie als "uneheliche Kinder" registriert werden.