Muslim-Markt, 22.4.2008 – Viele glauben, dass der Raubtierkapitalismus ein neues Phänomen der Globalisierung sei. Dabei sind die Merkmale seit Jahrtausenden bekannt.
Eine besondere Eigenschaft von Falschheit, die lange Bestand hat, besteht darin, dass sie versucht im Kleid von Wahrheit und Wahrhaftigkeit aufzutreten. Da jenes Überkleid im Laufe der Zeit von Innen zerfressen, löchrig und durchsichtig wird, muss es immer wieder durch ein neues Kleid ersetzt werden, damit die Falschheit darunter nicht zu offensichtlich wird.
Ein typisches Beispiel hierfür ist der Raubtierkapitalismus, wie er heutzutage genannt wird. Einstmals hieß er nur Kapitalismus, davor wurde er mit dem Attribut “horten“ belegt, davor hieß er Zinswirtschaft. Neuerdings tritt er im Kleid von „Globalisierung“ auf, worin auch Chancen sein sollen usw. usf.. Aber das eigentliche Phänomen ist seit Jahrtausenden identisch und prinzipiell unverändert. Ja, der Raubtierkapitalismus ist bereits im Heiligen Qur´an beschrieben. Darin hießt es:
„Der Wettstreit nach Mehrung beherrscht euch, bis ihr die Gräber erreicht. Nein, ihr werdet es noch zu wissen bekommen. Noch einmal: Nein, ihr werdet es noch zu wissen bekommen. Nein, wenn ihr es nur mit Gewissheit wüsstet! Ihr werdet bestimmt die Hölle sehen. Noch einmal: Ihr werdet sie mit völliger Gewissheit sehen. Dann werdet ihr an jenem Tag euer angenehmes Leben zu verantworten haben.“ (Sure 102).
Oder an anderer Stelle heißt es:
„Wehe jedem Stichler und Nörgler, Der sein Vermögen zusammenbringt und es zählt, Und dabei meint, sein Vermögen würde ihn unsterblich machen!“ ... (Anfang der 104. Sure)
Es ist dieser Drang nach mehr und mehr und mehr und immer mehr, der so viele Menschen antreibt. Das Unlogische dabei ist, dass jene Menschen eigentlich wissen müssten, dass dieses “immer mehr“ sehr begrenzt ist. Einstmals haben sich die obersten Vertreter jenes “immer mehr“, wie z.B. Pharaonen, große Pyramiden bauen lassen und allen möglichen Tand und irdischen Reichtum mit ins Gab genommen. Inzwischen aber dürfte sich herumgesprochen haben, dass das letzte Hemd selbst eines Pharao keine Taschen hat, er also absolut nichts mitnehmen kann. Die Hinterbliebenen einer kapitalistischen Denkweise fragen dann immer: „Was hat der Verstorbene hinterlassen?“ Hingegen fragen die Vertreter des ewigen Lebens: „Was hat er vorausgeschickt?“ Und das dürfte bei jenen, die hier nur an “immer mehr“ gedacht haben, ziemlich wenig sein.
Kommen wir zurück in das schnöde Diesseits! Ein Schüler kommt grundsätzlich mit seinem Taschengeld kaum aus. Er könnte immer mehr gut vertragen. Ist er allerdings idealistisch eingestellt und entwickelt seinen Idealismus während z.B. der Ausbildung oder dem Studium weiter, dann merkt er, dass er mit dem ersten Gehalt, dass er erhält (im Vergleich zum vorherigen Taschengeld), eigentlich ganz gut leben kann. Sein erstes “echtes“ Gehalt lässt ihn sogar das Gefühl aufkommen, dass er jetzt “reich“ sei. Nur hält das Gefühl eben nur so lange an, so lange das Gehalt steigt, nicht aber die Bedürfnisse. Sobald die Bedürfnisse steigen, wird das Gehalt knapp und es muss mehr sein. Und diese Spirale geht ein Leben lang weiter. Niemand sollte glauben, dass Multimillionäre “genug“ haben. Sie haben genau so viel oder wenig “genug“, wie viele einfache Verdiener auch. Mit jedem “mehr“ an Einnahmen, gibt es auch ein “mehr“ an Ausgaben. Denn nahezu die gesamte Gesellschaft kennt nur den Wert “mehr“. Das ist der einzige wirklich globalisierte Wert. Das ist der einige Wert, der eine kapitalistische Gesellschaft zusammen hält: “Immer mehr“. Die Umwelt bekommt es schmerzlich zu spüren.
Würde der Einzelne aber in einer besinnlichen Stunde sich einmal ruhig vor seinen Schöpfer hinsetzen und darüber nachdenken, wie er vor z.B. zehn Jahren gelebt hat, dann würde er sehr schnell zu dem Schluss kommen, dass sein Lebensstil sich “verändert“ hat zu “immer mehr“. Dieser Teufelskreis im Leben des einzelnen spiegelt sich dann auch in der Gesellschaft und der Wirtschaft wieder! Und jenes “immer mehr“ hat zu allen Zeiten die Gesellschaft geprägt. Menschen, die diesen Teufelskreis durchbrechen wollten, und es ihnen auch zumindest teilweise gelungen ist, wurden “Asketen“ genannt oder zuweilen sogar als Heilige verehrt. Heutzutage werden sie mit dem Attribut “Aussteiger“ abqualifiziert.
Dabei muss man nicht auf Nägeln schlafen und im Lendenschurz herumlaufen, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Es genügt, wenn man seinen Lebensstil umorientiert! Nicht die materiellen Werte sollten im Vordergrund stehen, sondern die geistigen Werte. Nicht neue Möbel im Haus, sondern jeden Tag nagelneue Einrichtung im Herzen! Nicht ständig ein neues Auto, sondern eine Weiterentwicklung seines Fahrzeuges für die tägliche Himmelfahrt im Gebet. Nicht neuer Schmuck für die Finger, sondern neuer Schmuck für die Seele. Nicht neuer technischer Schnickschnack um Schnickschnack zu haben, sondern beste technische Entwicklung zum Wohl der Menschheit. Nicht neue Kleider, weil die Mode sich ändert, sondern neue Kleider der Wahrheit im Herzen.
Sobald ein Mensch versteht, wirklich versteht, dass er eines Tages ALLES irdische abgeben muss, wird er seinen natürlichen Trieb nach “immer mehr“ umorientieren und versuchen diesen Drang in eine Bahn zu lenken, die auch langfristig Erfolg versprechend ist. Er wird versuchen ein “Kapital“ aufzubauen und zu mehren, dass man wirklich mitnehmen kann, und das sind die wahren Werte der Menschlichkeit!
Diese Basis ist der Grund dafür, dass alle monotheistischen Religionen als unabdingbaren Bestandteil des Glaubens auch die Kenntnis vom Jenseits, vom ewigen Leben haben. Nur wer das ewige Leben kennt bzw. zweifelsfrei davon überzeugt ist, kann seinen Drang nach “immer mehr“ kontrollieren bzw. darauf ausrichten. Dann wird er andere Werte anstreben, als der Raubtierkapitalismus!
Es ist kein Zufall, dass der Raubtierkapitalismus auch genau an dieser Stelle ansetzt und mit aller Macht versucht, jeglichen Glauben zu zerstören. Es ist der Glaube, der die Zinswirtschaft verbietet. Es ist der Glaube, der dem Menschen die Kraft gibt, Widerstand zu leisten gegen den Teufelskreis der irdischen Gefangenschaft. Und in der Konsequenz ist es der Glaube an die wunderbare Schöpfung ausgehend von einem noch wunderbarerer Schöpfer der Liebe, der den Menschen von seinen tierischen Trieben befreit und wirklich “menschlich“ werden lässt. Das aber beginnt nicht an den Börsen und in den Parlamenten, sondern es beginnt im eigenen Haus!