Der verschuldete Diebstahl des Raubtierkapitalismus
Muslim-Markt, 25.5.2008 - Viele glauben, das ein islamisches Wirtschaftssystem sich vor allem durch die Zinslosigkeit vom Raubtierkapitalismus unterscheidet. Das aber ist nur ein kleiner Teil des Unterschiedes.
Zinsen sind im Islam verboten, das dürfte sich herumgesprochen haben. Die wohl bekannteste Stelle im Heiligen Qur´an dazu ist:
"Das Verkaufen ist gleich dem Zinsnehmen. Aber Gott hat das Verkaufen erlaubt und das Zinsnehmen verboten. ..." (2:275)
Hier wird also deutlich, dass eine Gewinnbeteiligung durch Kauf und Verkauf durchaus erlaubt ist, hingegen der "Zins", der im Raubtierkapitalismus eine der tragenden Säulen ist, eben streng verboten. Man darf eine Ware zu einem bestimmten Preis einkaufen und zu einem höheren Preis verkaufen, aber man darf nicht Geld kaufen und verkaufen. Erläutert wird das Zinsverbot u.a. in 30:39:
"Und was ihr auf Zins ausleiht, damit es sich aus dem Vermögen der Menschen vermehre, es vermehrt sich bei Gott nicht."
Das genau ist der Sinn des Zins, dass es das Geld "von alleine" vermehrt, ohne dass ein Handel mit einer Ware durchgeführt wurde, ohne dass es an einen Wert gekoppelt ist. Das Geld selbst wird zum Wert, das es ja eigentlich nicht mehr ist bzw. hat. Weder das Papier, auf dem das Geld gedruckt ist, noch die Zahlen auf dem Bankkonto haben einen "Eigenwert". Schon lange ist das Geld nicht mehr an Werte gekoppelt, die einstmals als "Gegenwert" dafür irgendwo gelagert wurden. Früher hatten die Geldmünzen durch das Edelmetall einen "Eigenwert", z.B. bei Goldmünzen. Später wurde nach der Normierung von Geld in z.B. wertlose Scheine eine Art "Gegenwert", also z.B. das Gold, welches der Schein repräsentiert, dessen Schuldschein er ist, irgendwo gelagert. Aber inzwischen ist auch das schon einige Jahrzehnte nicht mehr der Fall. Das Geld, das wir haben, ist eigentlich wertlos! Zwar "bürgt" der Staat, der das Geld druckt, dafür, dass der "Gegenwert" erhalten ist, aber das ist eine Art Betrug, wie es am Dollar deutlich feststellbar ist. Denn der Dollar von Vorgestern, ist in der Welt heute nur noch die Hälfte Wert. Er ist "verfallen", da der Staat eben nicht in der Lage ist, ernsthaft dafür zu bürgen bzw. in diesem Fall sogar alles dafür tut, dass der Wert sinkt, ist er doch so verschuldet, wie der Rest der Welt zusammen nicht.
Im Vers 4:161 wird der Sachverhalt, dass Zinsnehmen nicht das einzige Problem ist, verdeutlicht: "Und weil sie Zins nehmen, obwohl er ihnen verboten ist; und weil sie das Vermögen der Menschen durch Betrug verzehren." Die Kopplung beider Probleme zeigt zum einen, dass es sich um zwei verschiedene Probleme handelt und zum anderen, dass sie miteinander zusammen hängen. Vereinfacht kann man behaupten, dass jener Vers schlicht und einfach behauptet, dass der Raubtierkapitalismus nicht nur Zinsen nimmt, sondern auch Vermögen durch einen zusätzlichen Betrug verzehrt. Sicherlich ist hier nicht der Diebstahl eines einzelnen Räubers gemeint, sondern der Diebstahl eines ganzen Systems. Und jener Diebstahl hat wirklich Rekordausmaße. Er hat zudem sehr viele Dimensionen, von denen hier nur zwei verdeutlicht werden sollen, um den Unterschied zu einem islamischen Wirtschaftssystem klar zu machen.
Der eine Aspekt ist die so genannte Staatsverschuldung. Faktisch handelt es sich hierbei um einen Diebstahl ungeahnten Ausmaßes an unschuldigen Menschen. Wenn z.B. Deutschland in den letzten Jahrzehnten kein einziges Mal einen "ausgeglichenen Haushalt" hatte, dann hat es sich Jahr für Jahr verschuldet. 80 Mio. Menschen haben sich kollektiv verschuldet! Das dabei geliehene Geld ist selbstverständlich verzinst zurück zu zahlen. Das fatale an jenen Schulden besteht darin, dass diejenigen, die sich verschuldet haben, es gar nicht wieder selbst zurück zahlen werden! Sie vererben es! Während bei einem privaten Erbgut der Erbe das Erbgut ausschlagen und ablehnen kann, ist das bei der staatlichen Verschuldung nicht vorgesehen. Keine einzige Generation der letzten Jahrzehnte hat auch nur einen Cent der Schulden zurück gezahlt, sondern sie vermehrt an weitere Generationen weiter geleitet! Jede Generation hat also vielmehr die Schulden erhöht und damit auch die Zinslast. Heute noch nicht geborene Menschen müssen Zinsen (und die Schulden) zurückzahlen, die sie nie verschuldet haben! Oder anders ausgedrückt: Menschen, die gar nichts dafür können, dass ihre Eltern über ihre Verhältnisse gelebt haben, wird ein Teil ihres kollektiven Eigentums gewaltsam entrissen, dass sie erst noch erwirtschaften müssen, da sie noch nicht einmal geboren sind. Wie anders könnte man das nennen, als eine grandiose Form von Diebstahl? Das ist ein Aspekt des Raubtierkapitalismus.
Ein weiterer Aspekt hängt direkt damit zusammen, geht aber weit darüber hinaus! Würde z.B. jemand einen Besitz verleihen, der ihm wirklich gehört, und in der zeitlich verzögerten Rückzahlung bedingungslos etwas mehr verlangen, dann wäre das ein schlichter Zins. Verleiht man z.B. 100 EUR, die sich in der eigenen Tasche befinden und verlangt für die Rückzahlung in einem Jahr 110 EUR, dann ist das ein Zins. Aber man hat zumindest ein Geld verliehen, das einem selbst gehörte, dass man sich z.B. durch Arbeit "erarbeitet" hat. So aber funktioniert das Weltkapitalsystem des Raubtierkapitalismus nicht! Vielmehr wird darin Geld verliehen, das es gar nicht gibt!
Die Banken handeln mit Geld. Sie leihen sich Geld zu einem bestimmten Zinssatz und verleihen es zu einem höheren weiter. Die Differenz sacken sie ein. Dabei verleiht die Bank aber eben nicht nur Geld, das sie sich von ihren Sparkunden "geliehen" hat. Die Bank verleiht nicht nur Geld, das sie "hat"! Sie verleiht auch Geld, das sie nicht hat, das niemand hat, indem sie es sich auf dem Papier vom Staat bzw. der Zentralbank leiht! Denn auch jene Zentralbank "hat" das Geld nicht! Es druckt es einfach so! Zurzeit wird ein Vielfaches von Geld auf den Finanzmärkten gehandelt als der Warengegenwert, den es in der Welt gibt. Würden also alle "Geldbesitzer" ihr Geld in Waren eintauschen wollen, dann gäbe es gar nicht genug Waren, bzw. sämtliche Waren in der Welt würden sich auf einen Schlag um das zigfache verteuern (irgendwo im Faktor 10 bis 100, so genau kann das niemand sagen).
Ein wichtiger Unterschied eines islamischen Wirtschaftssystems besteht entsprechend darin, dass nur Geld ausgegeben werden kann, das man auch wirklich hat. Eine Bank kann nur so viel verleihen (und sich durch Gewinnbeteiligung zinslos an Geschäften beteiligen) in dem Maß, wie es Einlagen durch ihre Kunden hat. Und in der Konsequenz heißt das z.B. für einen Staat, dass er sich nur so viel verschulden kann, wie seine Bürger bereit sind, ihm zu leihen! Dann bräuchte auch die Verschuldung an ausländische Staatsbanken nicht als Staatsgeheimnis gehandelt zu werden, wie es in der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist! Obwohl wir eine Demokratie sind, und obwohl das Staatseigentum und auch die Staatsschulden dem Volk gehören müssten, darf das Volk nicht einmal wissen, an wen er die Milliarden und Abermilliarden an Zinsen zu zahlen hat.
Regionalgelder, die derzeit in Deutschland überall entstehen als Alternative zu dem Fehlgeld eines Wucherzinssystems haben zwar den Aspekt der Zinsproblematik erkannt und bekämpfen diesen mit diversen Mitteln, teils sogar erfolgreich, aber den Aspekt des realen Geldwertes haben sie noch nicht hinreichend berücksichtigt. Denn wenn man sich einmal vorstellt, dass z.B. auch der Staat im Regionalgeldgeschehen mitwirkt und unbegrenzt viel sich daran beteiligt, so gibt es keine Instanz, die überprüft, ob sie den "Gegenwert" jemals wirklich erbringen kann. Und es gibt keine Instanz, die für den Gegenwert gerade steht z.B. bei einem fast Insolventen unternehmen, das Regionalgelder ausgibt.
Der Raubtierkapitalismus kränkelt nicht nur am Zins, obwohl das ein wichtiger Faktor ist. Er ist in seiner ganzen Konzeption ein System, das auf Diebstahl unvorstellbaren Ausmaßen ausgelegt ist, einem Diebstahl an noch nicht einmal geborenen Menschen. Und sämtliche Ministerien in Deutschland sind an jenem Diebstahl mit beteiligt (bis oft auf den Finanzminister, der verzweifelt versucht, den Diebstahl zu minimieren).
Die gesegnete Prophetentochter Fatima sagte: "Und (Gott hat) die Einhaltung von Maß und Gewicht zur Verhinderung von wirtschaftlichem Schaden (errichtet)." Es ist die Maßlosigkeit in dieser Welt, die letztendlich zum wirtschaftlichen Schaden aller führt und umso mehr führen wird, umso maßloser wir alle werden.
Wenn man diese Zusammenhänge einmal wissenschaftlich analysieren und in umfangreichen Arbeiten veröffentlichen würde, wozu wirtschaftssystemtreue Hochschullehrer offenbar nicht befähigt und/oder nicht Willens sind, dann würde in letzter Konsequenz deutlich werden, dass das bestehende Wirtschaftssystem absolut gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verstößt. Nicht diejenigen sind Verfassungsfeinde, die das raubtierkapitalistische System ablehnen, sondern diejenigen, die es aufrecht zu erhalten suchen. Nicht die kleinen alternativen Denker sind die Verfassungsfeinde, sondern die Verantwortlichen des Bankensystems. Nicht die alternativen Schreiber sind die Verfassungsfeinde, sondern die Hofjournalisten der großen Blätter.
Es wäre ein wirklicher Bürgerdienst, wenn der Verfassungsschutz aufhört den Raubtierkapitalismus zu schützen und sich darauf konzentriert, wirklich die eigene Verfassung zu schützen (und nicht diejenige eines anderen Staates), selbst wenn das Grundgesetzt Deutschlands im strengsten Sinn gar keine vom Volk legitimierte Verfassung ist und noch weniger die EU-Verfassung. Und man könnte sich dann auch einmal die Gedanken machen, warum die Bevölkerung Deutschlands nie über jene Verfassungen abstimmen durfte bzw. darf, die ihr Leben prägen soll.
Dass das Zinssystem verboten ist, sagen sowohl Judentum als auch Islam, selbst wenn sich viele Juden und Muslime nicht daran halten. Aber eigentlich müsste es auch jede Verfassung sagen, die wirklich die Unantastbarkeit der menschlichen Würde verteidigen will.