Zu der Zeit, als der Islam bei den Arabern noch nicht bekannt war, lag die Herrschaft bei den Fürsten oder Oberhäuptern der verschiedenen Stämme. Die Menschen zahlten diesen Stammesfürsten Steuern und Abgaben und hatten sich an den Gehorsam ihnen gegenüber gewöhnt.
Einer dieser Herrscher war Odey, der nach seinem Vater Hatem die Führung des Stammes Tey übernommen hatte. Er nahm jährlich von jedem ein Viertel des Einkommens als Steuer. Seine Herrschaft traf zusammen mit dem Auftreten des Propheten Muhammad (F.s.m.i.) und der Ausbreitung des Islam.
Odey war Christ, während sein Volk zu den Götzendienern gehörte. Doch er versteckte seinen Glauben vor seinen Leuten. Er wußte, daß die Araber, die nach und nach den Islam annahmen, einen Herrscher wie ihn nicht länger akzeptieren würden. Deshalb sah er im Islam die größte Gefahr für seine Herrschaft und war dem Propheten feindlich gesinnt.
Doch der Islam ließ sich nicht mehr aufhalten. 'Odey wußte, daß der Tag kommen würde, da seine Macht verloren war. Deshalb gab er seinem Diener den Befehl, stets ein paar schnelle Kamele bereitzuhalten, mit denen er dann flüchten wollte.
Bald war es soweit: sein Diener brachte ihm die Nachricht, daß die Muslime in der Nähe seien. Schnell wurden die Kamele mit dem Wertvollsten beladen und 'Odey machte sich mit seiner Familie auf den Weg nach Damaskus, wo die Leute zu jener Zeit Christen waren. Doch in der Eile er seine Schwester Safane zurück.
Die Muslime nahmen Safane mit nach Medina und berichteten den Propheten von der Flucht ihres Bruders. Safane wurde nahe der Moschee untergebracht.
Eines Tages, als der Prophet auf seinem Weg zur Moschee dort vorbeikam, sprach Safane ihn an: "Ich keinen Vater und meine Verwandten sind verschwunden. Bitte hilf' mir, daß auch Gott dir helfe."
"Wer sind deine Verwandten?" fragte der Prophet. Sie erklärte ihm, wer ihr Bruder war und der Prophet ging weiter mit den Worten: "Das ist der, der vor Gott und Seinen Gesandten geflüchtet ist?"
Am nächsten Tag wiederholte Safane ihre Bitte mit den gleichen Worten, doch ohne Erfolg. Am darauffolgenden Tag wagte sie deshalb nicht mehr, ihren Wunsch noch einmal vorzutragen. Doch Ali ibn Abitalib, der dem Propheten zur Moschee folgte, forderte sie auf, ihr Anliegen nach einmal zu wiederholen.
Nun gab ihr der Prophet (F.s.m.i.) folgende Antwort: "Gut. Ich warte, bis ich gläubig und vertrauensvolle Menschen finde, die dich zu deiner Familie mitnehmen können. Wenn dir zu Ohren kommt, daß solche Leute in Medina sind, laß es mich wissen."
Nach einiger Zeit kamen tatsächlich Leute, denen man vertrauen konnte, nach Medina und Safane unterrichtete den Propheten davon.
Daraufhin gab er ihr ein Kamel, eine neues Gewand und ein wenig Geld und schickte sie mit der Gruppe nach Damaskus.
Dort warf Safane ihrem Bruder vor: "Du hast bei deiner Flucht an deine Frau und deine Kinder gedacht. Aber mich, die ich ein Andenken an deinen Vater bin, hast du vergessen!" Er bat um Vergebung und weil er ihre Klugheit schätzte, bat er sie um ihre Meinung: "Du hast Muhammad aus der Nähe erlebt. Sage mir, ist es besser, wenn ich zu ihm gehe und den Islam annehme oder wenn ich mich weiter von ihm fernhalte?"
"Meiner Meinung nach solltest du zu ihm gehen und Muslim werden, wenn er wirklich ein Gesandter Gottes ist. Ist er aber kein Prophet und versucht er nur ein Herrscher zu sein, dann kannst du zu den Angehörigen deines Stammes gehen, denn Medina ist nicht weit von deiner Heimat entfernt."
'Odey richtete sich nach ihrem Rat und begab sich nach Medina. Bei sich dachte er: Wenn er wirklich ein Prophet ist, werde ich ihm wie die anderen Gläubigen folgen. Wenn er aber ein Mensch ist, der die Welt beherrschen möchte, kann ich mit ihm zusammenarbeiten und Profit daraus schlagen!
Als er zum Propheten (F.s.m.i.) kam, und sich vorgestellt hatte, lud dieser ihn in sein Haus ein. Unterwegs begegnete ihnen eine alte Frau, die den Propheten (F.s.m.i.) etwas fragte. Er antwortete ihr bereitwillig mit Freundlichkeit und Geduld. Odey dachte: Das ist ein Zeichen für die außergewöhnliche Moral dieses Menschen und es beweist auch, daß er ein Prophet ist. Ein König oder Herrscher hätte einer greisen Frau nicht in dieser Weise geantwortet.
Als er das Haus des Propheten (F.s.m.i.) betrat, war er von dessen Einfachheit überrascht. Es gab nur eine einfache Matratze und trotz aller Bitten, setzte sich der Prophet auf den Boden und bat Odey auf der Matratze Platz zu nehmen. Dies wertete Odey als zweites Zeichen für den außergewöhnlichen Charakter dieses Menschen.
Prophet Muhammad (F.s.m.i.) fragte ihn: Bist du nicht ein Christ?" Als Odey dies bejahte, fuhr der Prophet fort: "Aber mit welchem Recht hast Du ein Viertel des Einkommens der Leute für dich beansprucht?" Nun waren bei Odey, der seinen Glauben selbst vor seinen nächsten Verwandten verheimlicht hatte, auch die letzten Zweifel beseitigt: er war davon überzeugt, einem Gesandten Gottes gegenüberzusetzen.
Prophet Muhammad (F.s.m.i.)) sprach weiter: "Du siehst die Muslime, die im Vergleich zu den anderen sehr arm sind. Und du siehst, daß sie von den Gegnern des Islam umgeben sind. Sie sind nicht der Herr ihres eigenen Lebens und ihres Besitzes. Und du siehst, daß die Macht in der Hand der Ungläubigen ist." Doch ich schwöre bei Gott, daß es nicht mehr lange dauern wird, bis es keinen Armen mehr unter den Muslimen gibt, und daß die Feinde des Islam unterliegen werden, so daß die Sicherheit so groß sein wird, daß eine Frau ungefährdet allein durch das Land reisen kann. Die Zeit ist nicht fern, da die Paläste in Babylon im Dienst der Muslime sein werden."
'Odey nahm daraufhin mit tiefer Aufrichtigkeit den Islam an und war bis zu seinem Lebensende ein treuer Muslim. Immer hielt er die Worte des Propheten (F.s.m.i.) im Gedächtnis, die dieser bei ihrer ersten Begegnung an ihn gerichtet hatte. Und er hat die Zeit noch mit erlebt, da Babylon durch die Muslime befreit wurde.