Nachdem Imam Hussain den Gräbern seines Großvaters und seiner Mutter Lebewohl gesagt hatte ging er zu Sayyida Zainabs (sa) Haus. Hadhrat Zainab (sa), die Schwester des Imam Hussain, war mit ihrem Cousin Hadhrat Abdullah ibne Jafar ibne Abu Talib verheiratet. Nachdem Hussain und Abdullah sich begrüßt hatten, berichtete der Imam was geschehen war und was er weiter zu tun gedachte.
Hadhrat Abdullah versuchte ihn davon zu überzeugen in Medina zu bleiben aber der Imam beharrte darauf, dass dies der einzige Weg war den Islam zu bewahren. Er bat Abdullah darum, Zainab (sa) mit ihm gehen zu lassen woraufhin Abdullah zu seiner Ehefrau blickte und „Bismillah!“ sagte. Sayyida Zainab sagte ihrem Gatten und den Kindern Aun und Muhammad Lebewohl und die Geschwister gingen zu Hadhrat Hussains Haus.
Als alle Männer, die Imam Hussain zum Governeurspalast begleitet hatten zurückkehrten, erfuhren die Frauen die Nachricht von der Reise. Hadhrat Abbas, Ali Akbar, Qasim und all die jungen Männer waren damit beschäftigt alles für die Reise vorzubereiten. Fatimah Sughra (sa) sah all dies mit an. Sie war ans Bett gefesselt, so krank, dass sie nicht einmal aufstehen konnte. Niemand erwähnte, ob sie ebenfalls mitgehen sollte und sie entschied zu warten, bis ihr Vater zurückkam.
Fatimah Sughra (sa) war die Tochter Imam Hussains (as) und ungefähr acht Jahre alt. Im Bett liegend betete sie, dass ihr Vater sie mitnahm. Wie könnte sie denn allein Leben? Wie könnte sie ohne Ali Asghar überleben? Seit seiner Geburt verbrachte sie all ihre Zeit neben seinem kleinen Bettchen, spielte mit ihm. Er begann nun Gesichter zu erkennen und lachte wenn er Sughra erblickte. Bald würde er anfangen zu sprechen und sie war gespannt darauf, ihn ihren Namen sagen zu hören. „Ya Allah!“, murmelte Sughra, „Ich hoffe ich werde nicht in Medina alleingelassen.“
In diesem Augenblick hörte sie die Schritte ihres Vaters, wischte sich schnell die Tränen aus den Augen und stütze sich in eine sitzende Position, ein tapferes Lächeln auf den Lippen, um ihrem Vater gesund genug zu erscheinen und ihn davon zu überzeugen, dass sie reisen könne.
Imam Hussain setzte sich auf Sughras Bett, legte seine Hand auf ihren Kopf und sprach: „Als Du geboren wurdest, mein Liebes, benannte ich dich nach meiner Mutter Fatimah Zahra. Wie du weisst wurde sie auch Saabira genannt, das bedeutet die Geduldige. Ich möchte, dass auch Du eine Saabira bist und dich damit einverstanden erklärst mit Ummul Baneen und Umme Salmah in Mednia zu bleiben. Willst du das tun?“
Was sollte Sughra sagen? Sie nickte mit dem Kopf und kämpfte gegen ihre Tränen an. Der Imam küsste sie und verließ das Zimmer. Immer wenn die Kinder der Ahl-al-Bayt (as) irgendwelche Sorgen hatten, gingen sie damit stets zu Hadhrat Abbas. Auch Sughra dachte lächelnd an ihren Onkel und ließ ihn rufen. Sicherlich würde er einen Weg finden ihr Problem zu lösen.
Abbas kam in Begleitung mit Ali Akbar. Sughra sah sie beide an und sagte: “Ich weiß wie sehr ihr beiden mich liebt, wie könnt ihr mich dann nur allein zurücklassen? Wer soll mich begraben wenn ich sterbe?“ Sie erklärten ihr, dass sie zu krank zum reisen sei und dass sie sie abholen würden, wenn sie sich ersteinmal irgendwo angesiedelt hätten. Fatimah Sughra erwiderte darauf: “Ich akzeptiere das und möchte meinem Vater nicht widersprechen.
Ich werde tapfer sein und hierbleiben.“, liebevoll blickte sie auf ihren Bruder und sagte zu ihm: „Ali Akbar, versprich mir eines. Wenn du verheiratet bist und nach Medina zurückkehrst, ich aber schon gestorben bin, versprich mir mein Grab mit deiner Braut zu besuchen und eine Fatiha zu rezitieren.“ Akbar und Abbas konnten ihre Tränen nicht mehr zurückhalten als sie ihr Auf Wiedersehen sagten. In der Morgendämmerung begann die Abreise der Karawane. Auf der einen Seite von Ummul Baneen, auf der anderen Seite von Umme Salmah gestützt winkte Sughra ihr nach. Es war schwierig gewesen sie von Asghar zu trennen als sie ihn geküsst hatte und Imam Hussain musste sie mit Hadhrat Rubaab (sa) trösten als sie sich von ihm verabschieden musste.
Die Geschichte Kerbalas ist eine Erzählung von fünf tränenreichen Reisen. Dies war die erste Reise, von Medina nach Mekka. Jede dieser Reisen hat seine eigenen Helden und Heldinnen. Der Held dieser ersten Reise ist Imam Hussain und die Heldin das Andenken Fatimah Sughras, seiner geliebten Tochter, die er zurücklassen musste. Der Imam blickte immer wieder zurück, bis sie an einem Winkel abbogen. Stets lächelte er mutig und winkte seiner geliebten Tochter zurück.
Ali Akbar war nicht einmal dazu fähig, da er seine Tränen nicht mehr kontrollieren konnte. Als sie außer Sichtweite waren zügelte Imam Hussain sein Pferd und fing an zu weinen. Es ist immer schwierig und traurig für Eltern, sich von ihren Kindern zu trennen.
Tage wurden zu Monaten. Sughra verbrachte ihre Zeit in der Moschee oder damit Ummul Baneen, Hadhrat Abbas’ Mutter, zu besuchen. Ramadhaan ging vorüber. Der Tag des Eids war für Sughra sehr schwierig. Sie dachte weiterhin stets an Asghar, Akbar und an ihre geliebte Schwester Sukaina. Dann kam Muharram und Sughras Unruhe wuchs. Eines nachts erwachte sie.
Sie fühlte etwas Durst und füllte einen Becher mit Wasser. Als sie ihn an ihre Lippen legte starrte sie das Wasser an und schrie. Der Becher fiel aus ihren Händen. Umme Salmah kam hinzugelaufen. „Was ist passiert Sughra?“, Sughra zitterte vor Angst am ganzen Körper und rannte in die Arme Umme Salmahs. „Oh Großmutter!“, rief sie auf den Becher zeigend „als ich den Becher an meine Lippen führte sah ich Ali Asghars Reflektion im Wasser. Ich sah, wie er seine kleinen Ärmchen zu mir ausstreckte und dann hörte ich ihn reden. Er sagte ‚Al atash, ya Ukhti Fatimah! (Ich bin durstig, oh meine Schwester Fatimah!)’“. Dies war die Nacht des neunten Muharram, Shabe-Aschura (Lail-at-tul-Aschura).